Gregorius Müller (99)

Gregorius Müller (99)

99Gregorius Müller, Priester O. S. B., ein Diener Gottes und seiner lieben Mutter aus neuerer Zeit. Er wurde zu Beinwil, einem kleinen Bergdörschen der nördlichen Schweiz mit einer Statthalterei des Klosters Mariastein (vgl. S. Esso und Arnoldus10), geboren den 19. Sept. 1741 und starb daselbst als Statthalter den 15. Nov. 1818. In der heil. Taufe hatte er den Namen Johannes Benedictus empfangen und machte demselben schon in seinem Knabenalter Ehre. Er scheute sich nicht, schon als Knabe dem hl. Johannes in außerordentlicher Lebensstrenge achzufolgen, und war oon Liebe Gottes und Verachtung der Welt erfüllt, wie ein hl. Benedictus. Obschon seine Eltern Gastwirthe waren, so kam er doch nach ihrer Anordnung niemals mit Gästen in Berührung. Gern hielt er sich, wenn lärmende Freuden im Gasthause unvermeidlich waren, mit seinen Geschwistern eine halbe Viertelstunde vom Hause in einer kleinen Scheune auf, und betete und las da oder erzählte ihnen ernste Geschichten, bis Alles vorüber war. Zu Hause liebte er die hintere Stube, wo sie ein- und ausgehen, Morgens und Abends ihr Gebet verrichten mußten etc. Bald nahm sein Ernst und der Eifer für das Göttliche so zu, daß er sich entschloß, in den strengen Orden der Capuciner zu treten. Um sich auf die Probe zu stellen, ob er die Uebung des Ordens, mitten im Winter barfuß zu gehen, auch aushalten könne, versuchte er es eine geraume Zeit lang. Es entlockte ihm Seufzer und Thränen, als er darüber eine bittere Erfahrung machte und keinem Vater gestehen mußte: »Ach Vater! ich kann nicht Capuciner werden; es friert mich allzusehr an die Füße.« Er ging nun nach Mariastein und wollte in diesem Kloster Benedictiner werden; aber auch da wurde er anfänglich abgewiesen. Er entfernte sich aber nicht mehr von diesem Marianischen Wallfahrtsorte; im Vertrauen auf Gott und die liebe Mutter Gottes verbarg er sich, geleitet vom hl. Geiste, in eine der geräumigen Höhlen, die da neben der wunderbaren Höhlenkapelle im rauhen Felsenthale sich finden. Die Höhle behielt bis heute den Namen »Gregoriushöhle«; ihn aber nannten damals einige Weltkinder dieses Unterfangens wegen »den kleinen Benediktli Felsenschlieser«. Er baute sich schnell ein kleines Altärchen und fing an als Einsiedler in den Chor der Mönche im Kloster einzustimmen und das Lob der lieben Mutter Gottes zu singen. Man fand ihn am dritten Tage und behielt ihn nun seiner schönen Stimme wegen und auf Wohlverhalten hin im Kloster. Bald zeigte er eine außerordentlich zärtliche Anhänglichkeit an diesen heil. Ort und machte sowohl in den Wissenschaften schönsten Fortschritte. In einem Alter von 20 Jahren gab man ihm das heil. Ordenskleid und ließ ihn nach Jahr und Tag den 28. Oct. 1762 die feierlichen Ordensgelübde ablegen. Obwohl erst 23 Jahre alt, ertheilte man ihm schon den 22. Sept. 1764 die heil. Priesterweihe, und von diesem Augenblicke an war er ein Gegenstand der Bewunderung für Alle, die ihn kannten. Wie einem zweiten Jeremias flossen ihm die Thränen immer aus den Augen. Seine Erscheinung war die Demuth selbst, seine Haltung gebeugt, seine Blicke auf die Erde oder, wie er sagte, auf den Ort seiner baldigen Ruhe gerichtet. Seine Schritte im Freien beflügelte er eingezogen und bescheiden nach der einzig geliebten Einsamkeit. Seine Grüße, seine Reden, seine Briefe etc. waren nur auf Gott und göttliche Dinge gerichtet. Er übte bewunderungswürdige Abtödtungen, trank wenig Wein, floh alle Gastmähler und erfand sich jeden schicklichen Vorwand, um im Kloster von einer länger dauernden Tafel aufstehen und in den Chor oder an sein liebes Studium gehen zu können. Um Mitternacht stand er jeden Tag zur Mette auf und ging nachher selten mehr zur Ruhe, sondern verbrachte die Zeit bis am Morgen mit Gebet und Betrachtung. Nebst der Disciplin bediente er sich noch bis in sein spätestes Alter eines scharfen eisernen Ciliciums, obschon er von Jugend auf eine schwächliche Gesundheit und im Alter am ganzen Leibe offene Wunden hatte. Was ihn zu so Außerordentlichem trieb, läßt sich nicht sagen. Es datirte sich hauptsächlich von einer Erscheinung her, von der er sagte, daß ihm ein unschuldiges Schwesterchen im Augenblicke des Todes am Fenster erschienen sei, ihm in weißem Gewande und himmlischem Glanze zugelächelt habe und dann gen Himmel auffahrend vor seinen Augen verschwunden sei. Was sonst noch dabei war, was er da für Geheimnisse, besonders für die Zukunft sah, sagte er nicht. Aber seine ganze Erscheinung, sein Auge, seine Sprache, seine unermüdete Thätigkeit, seine Geduld, sein Bußeifer verriethen von dorther sehr viel. Wer ihn sah und hörte, der glaubte, er habe alle Geheimnisse unserer heil. Neligion geschaut, so klar und eindringlich, so kindlich und gottselig, so lieblich waren seines Klosters machte er hie und da eine Aeußerung, die heute vermuthen läßt, daß er damals weiter sah als andere gewöhnliche Menschen. Im Gebet hatte er einen Glauben und ein Vertrauen auf Gott, das, wäre es nöthig gewesen, Berge versetzt hätte. Kurz, er war nicht mehr wie andere Adamskinder, lachte niemals mehr über Eitelkeiten und war bei allem Ernste doch immer so freundlich und einnehmend, daß man sich bei ihm in der Nähe eines Heiligen fühlte und glaubte, es rede mehr ein Engel als ein Mensch aus ihm. Diese außerordentlichen Geistesgaben hatte er von Gott erhalten durch die Fürbitte der lieben Mutter Gottes, die er darum auch bis an sein Ende mit ganzer Seele liebte und aus allen Kräften verherrlichte. Mit diesen Gaben wucherte und wirkte er zuerst viele Jahre lang als einfacher Wallfahrtspriester zu Mariastein, wo er durch Predigen und im Beichtstuhle vielen Tausenden ein Wegweiser zum ewigen Leben wurde. Darauf versah er während 10 Jahren die mit dem Kloster verbundene Pfarrei. Nebstdem mußte er schon im ersten Jahre nach seiner Priesterweihe die Lehrkanzel der Philosophie und Theologie im Kloster übernehmen. Er drang auf ausgedehnte und gründliche Wissenschaft, und schärfte seinen Zöglingen und Mitbrüdern ein: »Ein unwissender Priester sei ein Wildschwein im Weinberge des Herrn.« (Ps. 79, 14). Während 30 Jahren arbeitete er auf diesem Felde, machte sich alle neuen Errungenschaften in der Literatur zu Nutzen und brachte das Kloster in dieser Hinsicht in einen Stand, der Jedermann Achtung einflößte. Die Schriften, die er nach mehrfachen Umarbeitungen über das ganze Gebiet der Philosophie und Theologie hinterließ, sind theils gedruckt, theils in Abschrift verbreitet worden und fanden ihrer Kürze, ihrer Bündigkeit und der fließenden Darstellung wegen, sowie wegen des eigenen darin wehenden Geistes besonders bei den kirchlichen Obern alle Anerkennung. Zu diesem Amte kam im J. 1783 noch das eines Novizenmeisters. Beide behielt er bis 1798 und bildete während dieser Zeit 24 Priester, die in der folgenden bösen Zeit dem Kloster und der Kirche Gottes durch ihre Treue und Opferwilligkeit die größten Dienste leisteten. Im Jahr 1791 wurde er dazu noch Prior im Convente und errang sich als solcher die schönste Krone für den Himmel. Die französische Revolution war gerade ausgebrochen und stürmte bis rings um das kleine Gebiet des Klosters herum. Der Abt war sehr viel abwesend und mußte sich mit den ausländischen Religiosen endlich ganz entfernen. Da lag die ganze Last des Klosters auf dem alten P. Gregor Er that nach Innen und Außen Unglaubliches. Alle 14 Tage hielt er an den kleinen Convent salbungsvolle Ermahnungen, von denen noch 146, in lateinischer Sprache geschrieben, vorhanden sind und deutlich zeigen, welch ein heil. Geist ihn regierte und ganz beseelte. Sie sind eine wahre Goldgrube für alle Ordenspriester. Der lange vorhergesehene Schlag fiel endlich; die französische Revolution überfluthete die Schranken, die wie alte Mauern einer unüberwindlichen Felsenburg ihr lange widerstanden hatten. Das Kloster wurde überfallen und ausgeplündett; alle Heiligthümer wurden entehrt, die Religiosen über die Gränze nach Deutschland verjagt. Er allein blieb immer in der nächsten Nähe der heil. Stätte und sorgte, betete und weinte. Zu Hofsteten, 1/2 Stunde vom Kloster, hatte er eine ärmliche Zufluchtsstätte gefunden, und von da aus suchte er zu retten was noch zu retten, und bald wieder herzustellen, was wieder herzustellen war. Wie er gleichsam im prophetischen Geiste das Unglück vorausgesagt und beschrieben hatte, so hatte er aber auch seine Religiosen versichert, daß, so ferne sie nur ihrem Berufe treu blieben, der Sturm der Zeit an den Felsen von Mariastein sich brechen, und dieses zu jenen Ordenshäusern des hl. Benedictus gehören werte. die in der letzten gefährlichen Zeit noch Ausgezeichnetes für die römisch-katholische Kirche leisten werden. Das Wort ging insoweit schon in Erfüllung, daß die schäununtru Wogen bald wieder von den Felsen abrannin und die Burg der Tugend und Zurückgezogenheit, das Rüsthaus der Bildung und Wissenschaft, obwohl sehr beschädigt, doch noch lebenskräftig zurückließen. P. Gregor war in seinem Kreise der thätigste und einflußreichste Religiose; er war die Seele bei der Wiederherstellung des Klosters und noch viele Jahre lang die rechte Hand der beiden Aebte Hieronymus und Placidus, welche die Wiederherstellung ausführten. Nachdem ihn die ertragenen Arbeiten, bittern Leiden und beständigen Abtödtungen, sowie die vielen offenen Wunden an seinem Leibe schon zu einem wahren Marterbilde gemacht hatten, wurde er im Sommer 1809 noch auf die Statthalterei in Beinwil versetzt, wo er seine letzten Tage in immer erhöhter geistiger Thätigkeit bis zum letzten Augenblicke zubrachte und wohl vorbereitet starb den 15. Nov. 1818 in einem Alter von 77 Jahren. Die Nachricht von seinem seligen Tode ging augenblicklich von Haus zu Haus, von Hof zu Hof, von Dorf zu Dorf. Ganze Schaaren strömten sogleich herbei, um noch bei seiner Leiche zu beten und sich Gnaden zu erwerben. Zu seinem feierlichen Begräbniß zogen viele Leute aus den nächsten Gemeinden und auch entfernte Geistliche herbei. Jeder schätzte sich glücklich, der nur irgend etwas, das dem P. Gregor gehörte, an sich bringen konnte, wenn es auch nur eine Predigtskizze, ein Büchlein, ein Lied oder Bildchen seyn mochte. Er wurde in der bisher unberührten Gruft auf dem Gottesacker zu St. Johann in Beinwil beigesetzt, blieb aber seither in frömmstem Andenken bei Allen, die ihn kannten. Viele von diesen bezeugen eidlich von ihm, er sei, insoweit man es vor dem Ausspruche der Kirche sagen dürfe, ein wahrer Heiliger, ein Engel im Fleische gewesen. »Wären wir so – sagen sie – so könnten wir uns freuen, vom Mund auf in den Himmel zu kommen.« (C. M.)



http://www.zeno.org/Heiligenlexikon-1858. 1858.

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