- Guntherus, S. (1)
1S. Guntherus, Conf. (9. Oct.) Der hl. Günther, frz. St-Gonthier, ist einem vornehmen Geschlechte in Thüringen entsprossen. Nach Einigen war er ein geborner Landgraf und Fürst von Hessen143, obwohl ein strenger Beweis hiefür nicht geliefert werden kann. Das wird von den Meisten und auch von Gfrörer unter Berufung auf Mabillon (VI. 424) anerkannt, daß er ein naher Verwandter des hl. Kaisers Heinrich II. und seines Schwagers, des hl. Königs Stephan von Ungarn, gewesen sei. Geboren um das J. 955 lebte er in seiner Jugend eine Zeit lang mehr der Welt und ihren Gelüsten als dem Himmel, wurde aber dann von dem hl. Abte Gotthard von Niederaltaich, da dieser das Kloster Hersfeld als Abt regierte, zu Gott zurückgeführt. (S. S. Godehardus, S. 457). Gunther legte nun seine Waffenrüstung nieder und begann den ruhmvollern Kampf mit sich selbst und seinen bösen Neigungen. In Niederaltaich, wohin der hl. Gotthard im J. 1005, von ihm begleitet, zurückkehrte, vollendete er seine Nückkehr zu Gott. Eine Wallfahrt zu den Gräbern der hhl. Apostelfürsten, die er bald darauf unternahm, sollte ihm Bußübung und zugleich Bittgang zur Ausdauer seyn. Im folgenden Jahre kam er wieder nach Altaich und erbat sich das Kleid des hl. Benedictus, welches er zugleich mit der klösterlichen Tonsur erhielt, während er sonst als Laienbruder diente. Da der Bußgeist ihn ins Kloster getrieben hatte, verdemüthigte er sich unter allen Mitbrüdern am meisten und kam auf diesem Wege dahin, daß er Alle an Gottseligkeit und Eifer übertraf. Nach einiger Zeit fing er jedoch an, nochmal zu wanken. Er begehrte nämlich dem Kloster Göllingen in Thüringen, dem er die meisten seiner Güter verschrieben hatte, vorgesetzt zu werden, bereute aber bald diese Anwandlung von Eitelkeit und kehrte nach Niederaltaich zurück. Nachdem er hier eine Zeit lang (bis zum J. 1008) unter seinen Mitbrüdern gelebt hatte, wünschte er, wie die Regel des hl. Benedictus es auch gestattet, »aus der Reihe der Brüder in den Einzelkampf des Eremitenlebens hinabzusteigen«. Er lebte daher zuerst auf dem Berge Ranzing bei Niederaltaich; dann aber ging er noch tiefer in den Nordwald in eine schauerliche, bis dahin von Menschen noch nicht bewohnte Gegend, welche er mit seinen Mitbrüdern, die ihm von Niederaltaich gefolgt waren, urbar machte. Hier baute er an dem Flüßchen Rinchnach einige Zellen und eine Kirche zu Ehren des hl. Johannes des Täufers, welche dann von dem Bischof Berengar (Perengerus) von Paßau am 29. Aug. 1019 eingeweiht wurde. Als der hl. Kaiser Heinrich davon hörte, überließ er der neuen Klostergemeinde einen Landstrich von 3 Meilen in der Länge und zwei in der Breite. So entstand das später (Monum. Boica XI. 146) mit Niederaltaich vereinigte Kloster Rinchnach in der Nähe von Regen und Zwiefel im bayerischen Walde. An diesem Orte führte der hl. Günther ein so abgetödtetes Leben, daß er mit seinen Genossen sogar das Wasser nach bestimmtem Maße trank und nur Gästen bis zur Sättigung reichen ließ. Der Ruf seiner Frömmigkeit verbreitete sich so weit, daß auch König Stephan von Ungarn den frommen Mann zu sehen verlangte und sich von ihm zur Stiftung mehrerer Klöster und Bisthümer bestimmen ließ. Bischof Hartwig in seinem »Leben des Königs Stephan I. von Ungarn« schreibt: »Häufig kam der sel. Gunther aus dem Nordwald zum Könige. So oft er ihn aber mit seiner Gegenwart beehrte, überließ der König dem Abte die Verwaltung des Neiches. Gewöhnlich geschah es dann, daß Günther alles, was er vorfand, an Arme, Wittwen, Waisen, Klöster und Kirchen verschenkte. Auf Günther's Rath gründete der König Stephan auch das Kloster Beel in Ungarn.« (Schwandtner Script. Hung. I. 421.) Auf dem Wege predigte er und fühlte sich glücklich, daß die Gnade Gottes auf sein Wort hin sich viele Herzen öffnete. Auch als Friedensstifter trat er auf, indem er den Herzog Brzetislaw I., seinen Pathen, »der böhmische Achilles« genannt, mit dem Kaiser Heinrich II. (im J. 1040) versöhnte. In demselben Jahre drang er mit Erlaubniß des Abtes Ratmundus noch weiter in die Tiefen des Nordwaldes und bahnte mit den Seinigen die sogenannten »goldenen Steige« (semitae aureae), eine Straße, welche aus Bayern nach Böhmen führt, und brachte dort in wüsten Einöden fünf Jahre in harter Lebensweise zu, indem er auf der Erde schlief und von Kräutern und der Milch einer Hirschkuh sich nährte. Inzwischen war Abt Arsenius von Brzewnow (Brennovium)144 in Böhmen gestorben, und da die Mönche von dem heiligen Leben Günther's gehört hauen, wählten sie ihn zu ihrem Vorstande. Der demüthige Mann aber entfloh und begab sich auf einen sehr hohen Berg, welcher heute noch der »Günthersberg« heißt, und wo man noch heute seine Grotte zeigt. Weiter unterhalb, aber noch auf dem Berge, liegt die Ortschaft Gutwasser (böhmisch Dobrawoda), auch »St. Günther« genannt, unfern von Harmanitz. Neben der Pfarrkirche ist eine Kapelle, in deren Mitte ein Becken sich befindet, wo das von der »Günthergrotte« herabfließende gute Wasser gesammelt wird. An seiner Stelle wurde sodann Meinrad von Niederaltaich dem genannten böhmischen Kloster vorgesetzt. Doch blieb der Heilige mit demselben stets in freundlicher Verbindung besonders seitdem Herzog Brzetislaw es seiner Obsorge, bei Gelegenheit einer Begegnung in der Einsiedelei, dringend anempfohlen hatte. Günther erhielt von Gott die Gnade, daß ihm das Ende seines Lebens geoffenbart wurde, und verschied in einem mehr als 90jährigen Alter am 9. Oct. 1045, nachdem er 37 Jahre als Einsiedler gelebt hatte. Bei Raderus (I. 113) wird er dargestellt, wie ihm die heil. Wegzehrung von dem sel. Bischofe Severus von Prag gereicht wird in Gegenwart des Herzogs Brzetislaw, der am Tage vorher bei Gelegenheit einer Jagd ihn gefunden hatte. Er wurde seinem Wunsche gemäß zu Brzewnow in der Kirche des hl. Benedictus, welche nach Lackner (S. 11) später den Namen des hl. Adalbert und dann der hl. Margaretha erhielt, in Gegenwart des hl. Procopius beigesetzt. Sein Grab wurde durch mehrere Wunder verherrlicht, leider aber zur Zeit der Hussiten zerstört. Es ist vom Papste Bonifaz IX. bewilligt worden, sein Fest zu begehen, da er schon bald nach seinem Tode als »heilig« und »selig«, welche Titel früher ohne Unterschied (promiscue) gebraucht wurden, in Brevieren und Martyrologien vorkommt. Seine förmliche Heiligsprechung wurde unter Papst Innocenz IV. betrieben, ist aber noch nicht erfolgt. Bei den Boll. wird er bald »heilig«, bald »selig«, bei Lackner immer »heilig« genannt. (IV. 1054–1084.)
http://www.zeno.org/Heiligenlexikon-1858. 1858.