- Ivo, S. (2)
2S. Ivo, Ep. (20. Mai, al. 23. Dec.). Dieser hl. Ivo, Bischof von Chartres (Carnotensis) in Frankreich, stammte aus adeligem Geschlechte und wurde um das J. 1040 im Gebiete von Beauvais (in agro Bellovacensi) geboren. Sein Vater war nach Johannes Fronteau, dessen Lebensbeschreibung bei den Bollandisten sich findet, Hugo von Alloylo, seine Mutter hieß Hilemburgis. Der hl. Ivo studirte im Kloster Le Bec unter dem berühmten Lanfrank mit Auszeichnung Theologie, ward nach W.W. (V. 952) zuerst Canonicus zu Nesle oder Nelle (Nigella) in der Picardie und trat dann später in das von Bischof Guido von Beauvais bei dieser Stadt 1078 gestiftete Kloster regulirter Chorherren von St. Quentin (S. Quintinus), dem er einen Theil seines väterlichen Erbgutes schenkte. Dort lehrte er zuerst Theologie und wurde dann zum Vorsteher erwählt, in welcher Eigenschaft er 14 Jahre lang bemüht war, klösterliche Zucht und Ordnung in der Art zu erhalten, daß das Kloster weithin berühmt wurde. Als im J. 1091 Bischof Gottfried (Gaufridus) von Chartres, der Simonie und mehrerer anderer Laster überwiesen, sein Amt niederlegen mußte, empfahl Papst Urban II. auf Andringen der Geistlichkeit und des Volkes den hl. Abt Ivo für den erledigten bischöflichen Stuhl. Dieser weigerte sich zwar sehr, da er die Ruhe liebte und nicht nach Würden trachtete; aber seine Freunde nöthigten ihn, den Wünschen des Königs Philipp zu entsprechen, der ihm dann den Hirtenstab als Zeichen der Investitur gab. Doch der Erzbischof Richerius von Sens weigerte sich, ihn zu weihen, wahrscheinlich weil er bei der Absetzung des Bischofs Gaufridus nicht gefragt, sondern übergangen worden war. Ivo begab sich daher nach Italien, wo ihn der Papst im J. 1092 zu Capua selbst zum Bischof weihte. Nach Frankreich zurückgekehrt, genoß er noch den Schutz des Oberhirten der Kirche gegen die Umtriebe seines Erzbischofs und einiger seiner Suffraganen. Bald nachher aber entbrannte König Philipp in unerlaubter Leidenschaft für Bertrada, die dritte Gemahlin des Grafen Fulco von Anjou, so daß er den Entschluß faßte, sie zu heiraten und seine rechtmäßige Gemahlin Bertha, die ihm schon zwei Kinder geboren hatte, zu verstoßen. Hierüber fragte er mehrere Bischöfe um Rath, und auch Ivo wurde zu einer Unterredung eingeladen, in welcher man Mittel ausfindig machen wollte, diese Ehe zu einer gesetzmäßigen zu erheben. Ivo bot Alles auf, den König von seinem ärgerlichen Vorhaben abzubringen; da aber alle Vorstellungen unnütz waren, bestand er fest und unerschütterlich auf der Verwerfung einer solchen Ehe und erklärte dem Könige, daß er sich lieber mit einem Mühlstein am Halse ins Meer versenken lassen wolle, als an dem von ihm gegebenen Aergernisse Theil zu nehmen. Darüber gerieth König Philipp in Zorn, ließ durch seine feilen Werkzeuge dem freimüthigen Bischof zuerst seine Einkünfte sperren und ihn dann gefangen setzen. Da die Vornehmen der Stadt und die Einwohner von Chartres ihren Bischof gewaltsam befreien wollten, verbot es dieser ernstlich, weil er eher sterben wolle, als daß seinetwegen Unheil gestiftet würde. Er erhielt indeß die Freiheit wieder, suchte den Papst vom Banne zurückzuhalten, und als dieß vergeblich war, verhinderte er die Bekanntmachung des Bannfluches und drang in Papst Paschalis II. auf Beschleunigung der Lossprechung Philipps, der dann bald (im J. 1008) starb. – Bei aller Ergebenheit gegen den römischen Stuhl war Ivo freimüthig genug, im Investiturstreite zu vermitteln, und rügte offen die Geldgierde römischer Legaten und die Simonie mehrerer päpstlicher Hofbedienten. Nachdem der hl. Ivo noch viel zur Ehre Gottes und der Kirche gewirkt hatte, ging er am 23. Dec. 1115 in die ewige Ruhe ein. Wann er heilig gesprochen wurde, ist ungewiß; aber im J. 1570 erlaubte Papst Pius V. allen regulirten Chorherren, am 20. Mai sein Fest zu feiern. An diesem Tage wird er auch im Martyrologium dieses Ordens, das von Benedict XIV. gut geheißen worden, »heilig« genannt. Bei Butler (VII. 20) heißt er aber nur »selig«. Man feiert sein Fest auch im Bis thum Chartres; in der Kathedrale der Stadt werden seine Reliquien aufbewahrt und für die Gläubigen zur Verehrung ausgesetzt. – Ivo ist ein geschätzter Schriftsteller und nimmt unter den abendländischen Canonisten einen ehrenvollen Platz ein. Sein Lebensbeschreiber Fronteau nennt ihn einen Mann, der in Allem groß war. Sein berühmtestes Werk ist das Decretum, d.i. eine Sammlung von Kirchenregeln, gezogen aus den Briefen der Päpste, aus den Concilien etc. Ein anderes Werk hat den Titel Pannomia (unrichtig Pannormia), so genannt, weil es alle Vorschriften πᾶς und νὸμος) der Kirchenzucht umfaßt, eigentlich aber nur ein Auszug aus dem »Decrete« ist. Auch haben wir von ihm 288 Briefe, welche wichtige Beiträge zur Kirchengeschichte enthalten, und noch 24 Predigten über verschiedene Gegenstände. Nach W.W. soll er auch »Patron der Advocaten« seyn; aber wahrscheinlich ist dieses nur eine Verwechslung mit dem vorhergehenden hl. Ivo1. (V. 247–253.)
http://www.zeno.org/Heiligenlexikon-1858. 1858.