Maria Francisca, S. (35)

Maria Francisca, S. (35)

35S. Maria Francisca, V. (6. Oct.) Diese hl. Maria Francisca, zugenannt von den fünf Wunden Jesu Christi, Tertiarerin aus dem Orden des hl. Petrus von Alacantara, wurde zu Neapel am 25. März 1715 geboren und starb in der nämlichen Stadt am 6. October 1791. Das hier gezeichnete Lebensbild entnehmen wir zunächst dem im J. 1868 bei Lentner (Stahl) in München erschienenen »kurzen Abrisse« ihrer Lebensgeschichte, mit welchem wir die einschlägigen Stellen der im J. 1867 zu Rom herausgekommenen vite compendiate der 25 am 29. Juni d.J. canonisirten Heiligen verglichen haben, woraus Hausherr S. J. im nämlichen Jahre zu Mainz (bei Kirchheim) einen Auszug veröffentlicht hat. In der hl. Taufe erhielt unsere Heilige die Namen Anna Maria Rosa Nicoletta. Ihr Vater Franz Gallo war ein ebenso heftiger und unfreundlicher Mann, als ihre Mutter Barbara sanft und gottesfürchtig war. Letztere empfand vor ihrer Niederkunft zu ihrer großen Verwunderung, so oft sie der hl. Messe beiwohnte, ein unwiderstehliches Drängen in ihrem Leibe, das nur dann sich beruhigte, wenn sie vor der Wandlung bis zur Communion sich niederkniete, während sie sonst die entgegengesetzten Beschwerden hatte und fast immer sitzen mußte. Noch hatte das Mädchen ihr viertes Jahr nicht ganz erreicht, als der Geist des Gebetes ihr Herz erfüllte, so daß sie setzt schon anfing, viele nächtliche Stunden dem Schlafe zu entziehen, um sich in Gott zu sammeln. Man pflegte sie früh schon »die kleine Heilige« zu nennen. Dabei griff sie bei allen häuslichen Arbeiten, welche ihr übertragen wurden, kräftig zu und half namentlich bei Anfertigung der golddurchwirkten Bänder, mit welchen ihr Vater Handel trieb. Als sie sechszehn Jahre alt war, traf es sich, daß ein reicher junger Mann sich um ihre Hand bewarb, und der Vater, welcher darüber hoch erfreut war, sie ihm zusagte. Allein die Tochter bewies sich hier, gegen Erwarten, zum ersten Male ungehorsam. Sie hatte bereits über sich verfügt, ihr Herz war nicht mehr frei: sie hatte den göttlichen Heiland zum einzigen Bräutigam erwählt, weßhalb sie den Vater in aller Demuth bat, von seiner Forderung abzustehen. Dieser, heftig erzürnt, schlug sie unbarmherzig und sperrte sie in eine einsame Kammer, indem er allen Angehörigen des Hauses verbot, sie zu besuchen. Aber sie blieb auf ihrem Vorhaben. Sie benutzte ihre unfreiwillige Einsamkeit zum Gebete und zur Erneuerung ihrer Versprechungen. Wenn sie weinte, so geschah es nicht wegen der ihr gewordenen ungerechten Behandlung, sondern weil sie Ursache gewesen war, daß Unfrieden im Hause entstand. Endlich ließ der Vater durch ihre Bitten und jene ihres Beichtvaters sich erweichen und gestattete, daß sie am 8. Sept. 1731 das Ordenskleid der Tertiarerinnen des hl. Franz von Assisi nach der besonders strengen Regel der Alacantariner anzog. Um beständig an das Leiden Jesu, dessen Betrachtung ihr eine nie versiegende Quelle zahlreicher Gnaden und Tröstungen war, erinnert zu werden, ließ sie sich den Namen »von den fünf Wunden Jesu Christi« beilegen. Da die Ordensschwestern im eigenen Hause wohnen durften und keine Clausur zu beobachten hatten, so konnte sie auch jetzt noch ihre täglichen Berufsarbeiten fortsetzen. Sie that es unter besonderm göttlichen Segen. Obwohl sie mehr Zeit auf ihre Gebete und Betrachtungen verwendete und scheinbar viel weniger arbeitete als ihre Schwestern, brachte sie doch zu deren Erstaunen mehr zu Stande als diese. Doch war ihr diese Anstrengung wenig zuträglich und sie mußte oft längere Zeit zu Bett zubringen. Auch blieb nicht bloß ihr Vater übermäßig streng gegen sie, sondern selbst von Seite mancher Priester und Beichtväter, die sie für eine Betschwester und Heuchlerin hielten, mußte sie manches ungerechte Urtheil hinnehmen, sogar Spott und Hohn erdulden, bis endlich ihre unüberwindliche Geduld und Demuth über die Größe ihrer Tugend keinen Zweifel mehr gestattete. Um sie aber den unaufhörlichen Kränkungen ihres Vaters, welche nach dem Tode ihrer Mutter, die sie mit größter Selbstaufopferung in ihrer letzten Krankheit liebevoll gepflegt hatte, an Heftigkeit immer zunahmen, zu entziehen, veranlaßte sie ihr Beichtvater, eine andere Wohnung zu suchen, wo sie mit ihrer Freundin und Ordensgenossin Maria Felix ungestört den Uebungen ihrer Andacht obzuliegen vermochte. Diese gewährten ihr in der That die einzige Freude, welche sie in diesem Leben genoß. Der Heiland gewährte ihr auch die Gnade der Stigmatisirung in einer Weise, wie sie vielleicht wenigen Heiligen zu Theil geworden. Das eidliche Zeugniß des Priesters Paschalis Nitti hierüber lautet nämlich: »Ich habe die Wunden an ihren Händen nicht blos gesehen und berührt sondern auch meine Finger in dieselben gelegt und gefunden, daß sie die Hände ganz durchdrangen, indem mein Zeigefinger dem Daumen begegnete, wenn ich den Rücken und die innere Seite derselben zugleich berührte.« Später wuchs eine dünne Haut über die Wunden, so daß sie nur sichtbar wurden, wenn sie ihre Hand gegen das Licht hielt. Eine andere ihr zu Theil gewordene wunderbare Gnade war ihre öftere Speisung mit dem Leibe des Herrn, ohne daß der Priester ihr dieselbe reichte. Als einmal das Gedränge am Communiontische so groß war, daß die Heilige nicht hinzutreten konnte, flog eine Partikel des Speisekelches von selbst in ihren Mund. Bei der Betrachtung der himmlischen Freuden wurde eines Tags ihr Herz so ergriffen, daß zwei ihrer Rippen durch seine Ausdehnung brachen. Während ihres ganzen Lebens hat sie, ungeachtet einige Male sehr schwere Versuchungen über sie kamen, nie freiwillig gesündiget. Ihre große Liebe zu Gott zeigte sich aber besonders in der Liebe zu den Mitmenschen. Als ihr Vater am Sterben lag, betete sie zu Gott, für ihn die Todesangst leiden zu dürfen, und Gott gewährte ihr in demselben Augenblicke ihre Bitte. Damit nicht zufrieden bat sie Gott auch um die Gnade, daß ihr statt seiner die Qualen des Fegfeuers auferlegt würden. Die armen Seelen lagen ihr überhaupt sehr am Herzen, und es ereignete sich einmal, daß eine durch ihre Fürbitte befreite Seele ihren Angehörigen im hellen Glanze erschien und ihre Befreiung anzeigte. Nicht minder hat sie sich als Freundin der Armen und Kranken bewiesen. Sie vergaß sich selbst, um Andern zu helfen. Als sie einst an dem Orte, wo nun ihre heil. Ueberreste ruhen, vor einem Bildnisse der Mutter Gottes dem Gebete oblag, wurde sie von einer armen Frau um ein Almosen angegangen. Da sie Nichts hatte um geben zu können, flehte sie zur hl. Jungfrau für die Arme, und zeigte ihr dann eine auf dem Boden liegende Goldmünze mit den Worten: »Da nimm, was dir deine Mutter schickt.« Sich selbst hielt sie von Kindheit an sehr strenge, kleidete sich einfach und dunkel, und schlief, so lang ihre Gesundheit es gestattete, auf dem bloßen Boden oder auf Brettern, über welche sie ein Schaffell ausbreitete. Ihre Nahrung beschränkte sich zuletzt nur auf einige Stückchen Brod, alles Andere hielt sie für überflüssig. Auf diese Weise konnte sie manchmal sehr reiche Almosen spenden. Gerne pflegte sie die Kranken und zwar mit Vorliebe lene, die an eckelhaften Uebeln litten. Bei dieser Gelegenheit bekehrte sie durch ihren Liebeseifer so manche tief gefallene und fast verlorene Seele. In der Feindesliebe war sie der Art gefestiget, daß es genügte sie zu beleidigen, um ein Recht auf ihr Wohlwollen zu erlangen. Oft ertheilte sie klugen Rath für Beruhigung ängstlicher Gemüther und zur Herstellung des Friedens in entzweiten Familien. Dabei fehlte es ihr nicht an schweren Versuchungen, obgleich sie von Kindheit an dieselben sorgfältig mied. Sie hatte dafür den Trost öfterer Erscheinungen des göttlichen Heilandes und seiner gebenedeiten Mutter, des hl. Schutzengels und anderer Engel und Heiligen. Ihr ganzes Leben war eine beständige Sehnsucht nach dem Himmel, und daher eine sorgfältige Vorbereitung auf ein glückseliges Ende. In ihrer letzten schmerzlichen Krankheit, die eine lebensgefährliche Operation nöthig machte, welcher sie sich auf Befehl ihres Beichtvaters unterzog, sah sie am 13. September 1791 nach dem Empfange der hl. Communion und der letzten Oelung ein großes Kreuz, das vom Boden des Zimmers bis an die Decke reichte. Darauf befahlen ihr einige Priester, daß sie Gott bitte, noch einige Zeit bei ihnen bleiben zu dürfen. Wirklich wurde ihr Leben wunderbar verlängert, bis sie ihr Beichtvater jenes Befehles wieder entband. Am 5. Oktober rief sie in Gegenwart mehrerer Personen in der Verzückung aus: »Mein Bräutigam, du bist mein Herr, thue was du willst!« Bald hernach gerieth sie in die Nöthen des Todes, die drei Stunden lang dauerten, während welcher sie dreimal ausrief: »Verzeihung, Vater, lieber Vater, Verzeihung!« und bald darauf: »Vater, hilf o Vater!« Am andern Tage empfing sie nochmals die hl. Communion und rief dann freudig aus: »Seht, meine Mutter Maria kommt, o meine Mutter!« Als sie hierauf wie todt da lag, reichte der Priester, nachdem er ihr die Sterbekerze in die Hand gegeben und nochmal die General-Absolution gesprochen hatte, um sich zu vergewissern, ob sie wirklich schon gestorben sei, ihr das Crucifix hin mit den Worten: »Maria Francisca, küsse nochmal die Füße deines Bräutigams, der für uns am Kreuze gestorben ist.« Da erhob die Gehorsame das sterbende Haupt, näherte die kalten Lippen den Füssen des Herrn, küßte sie kräftig, ließ hierauf ihr Haupt wieder zurücksinken und verschied. Das Volk von Neapel sagte: »Die Heilige ist gestorben« und strömte schaarenweise zu ihrer Behausung. Sie war 77 Jahre alt geworden. Eine Frau Namens Magdalena Baccini, welche sich ein Bein gebrochen hatte, und seit acht Monaten an Krücken ging, wurde auf dem Heimwege aus dem Hause der Verstorbenen, wo sie längere Zeit gebetet hatte, plötzlich geheilt. Am 18. Mai 1803 erhielt sie durch Papst Pius VII. den Titel »ehrwürdig«, worauf Gregor XVI., nachdem neue Wunder ihre Heiligkeit bestätigt hatten, sie am 12. November 1843 feierlich beatisicirte. Endlich erfolgte, da der Glanz ihrer Wunder immer herrlicher strahlte, durch Papst Pius IX. am 29. Juni 1867 ihre Heiligsprechung.



http://www.zeno.org/Heiligenlexikon-1858. 1858.

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