- Michael, S. (7)
7S. Michael Archang. (29. al. 6. Sept., 8. Mai, 16. Oct.). Der hl. Erzengel Michael, zu deutsch: »Wer ist wie Gott?« ist nach der Lehre der hl. Schrift und Tradition einer der sieben Geister, die zunächst am Throne Gottes stehen, also ein besonders hervorragender Diener und Bote Gottes, dem Gott zum Heile seiner Auserwählten besondere Aemter und Kräfte verliehen hat. Beim Propheten Daniel (10,13,21,11,1 ff.) heißt er »einer der vornehmsten (himmlischen) Fürsten«, insbesondere »der Fürst der Juden« und ist also vor andern Schutzengeln der Völker darin ausgezeichnet, daß er der Schutzengel des auserwählten, von Gott besonders geliebten, mit seiner Offenbarung und seinen Verheißungen begnadigten Volkes ist. Deßhalb wird er genannt »der große Fürst, der für die Söhne seines Volkes steht« und sich »erhebt zu seiner Errettung«. Da wir durch den rechtfertigenden Glauben an Jesus Christus, den verheißenen Erlöser, in die Rechte und das Erbtheil des auserwählten Volkes eingetreten sind, ist der hl. Michael jetzt für uns was er ehedem für die Juden war. Wer immer den Erlöser, der diesen verheißen wurde, durch die Gnade Gottes im Glauben erkennt, ehrt und liebt, ist eben dadurch in die Zahl der Schützlinge des hl. Michael aufgenommen. Er ist folglich, nach dem Glauben der katholischen Kirche, ihr Engel, wie er im A. T. der Engel der Juden, des auserwählten Volkes, war. Es war sohin ganz entsprechend, daß der hl. Michael auch als Schutzpatron des vormaligen heiligen deutschen Reiches, des irdischen Beschützers und Vertheidigers der Kirche, sowie vornehmlich des Ritterstandes, welchem als solchem die Bekämpfung der Kirchen- und Reichsfeinde obliegt, erkoren und verehrt wurde. Der hl. Michael wird uns nämlich in der hl. Schrift dargestellt als der große Himmelsfürst, der glorreiche Besieger des »Drachen«, der muthige, und starke Verfechter der Sache Gottes., (Offenb. 12,7 ff.) Es war ein »großer Kampf« im Himmel, »groß« in Ansehung der Kämpfenden, ihrer Macht und ihrer Zahl, groß auch in Ansehung des Gegenstandes, über welchen wir freilich keine Offenbarung, besitzen. (Man hat übrigens in älterer Zeit die Vermuthung ausgesprochen, es habe sich um die Selbstentäußerung des Sohnes Gottes aus Liebe zu den Menschen gehandelt, die von einem Theile der Engel bestritten worden sei.) Auf der einen Seite standen Michael und seine Engel, er war ihr Fahnenträger (signifer) wie die römische, oder ihr Oberfeldherr ἀρχιστρατηγος wie die griechische Kirche ihn nennt. Auf der andern Seite stand der Drache mit seinen Engeln. »Wer ist wie Gott?« war die Losung der guten Engel; die bösen Engel unterlagen: »ihre Stätte ward nicht mehr gefunden im Himmel.« Dieser siegreiche Kampf im Himmel und der Sturz der bösen Engel ist in zahllosen Bildnissen dargestellt. Wir erwähnen im Vorübergehen, daß auch viele andere Stellen der hl. Schrift, wo von dem Engel des Herrn ohne Namensbezeichnung die Rede ist, auf diesen hl. Erzengel angewendet werden können und vielfach angewendet worden sind. Für die Gläubigen ist der hl. Michael besonders auch im letzten Kampfe thätig. Namentlich ist er der Beschützer der frommen in den Ort der Seligen »aufzunehmenden Seelen und ihrer Leiber«. Der Grund dieser Vorstellung ist eine im Briefe des hl. Judas (Thaddäus) uns (v. 9) geschilderte Begebenheit. Als Moses gestorben war, stritt der Teufel mit dem hl. Michael um seine Leiche, wobei er, nach einer Vermuthung des Origenes, die Ermordung des Aegypters als Vorwand gebrauchte. Der hl. Erzengel nahm sie, als die Leiche eines Gerechten, für Gott in Anspruch und verjagte den Satan mit den Worten: »Es richte (strafe) dich der Herr.« Der christliche Glaube schließt hieraus, daß der hl. Michael die sterbenden und gestorbenen Gerechten in seinen besondern Schutz nehme. Darum heißt es auch in seinem Officium: »Dich habe ich zur Sorge über alle Seelen aufgestellt, die (in den Himmel) aufgenommen werden sollen«, weßhalb der Gebrauch, den hl. Michael um eine glückselige Sterbestunde anzurufen, sehr löblich und heilsam ist. In den Gebeten der hl. Messe legt die katholische Kirche die Seelen der Abgestorbenen gleichsam in seine Hände, um sie in das Reich des ewigen Lichtes zu befördern. Er geleitet sie in den Himmel und bewacht ihre Begräbnißstätten auf Erden. Schon der apostolische Vater Hermas (Pastor, l. 3 Simil. VIII. 3) bezeugt, daß er im Tode jene heimsuche, welche im Leben das Gesetz des Herrn beobachtet haben, und wenn sie gestorben sind, ihnen ihren Sitz anweise. Demgemäß hat er auch die Seele der seligsten Jungfrau, nach der Tradition, in den Himmel, und im A. T. die Seelen der Gerechten in die Vorhölle eingeführt.238 Hieran schließt sich wie von selbst die schon bei dem hl. Basilius und andern Vätern sich findende Vorstellung, daß der hl. Michael die Seelen der Gestorbenen wäge, ein Gedanke, welcher in manchen Bildnissen in der That so dargestellt wird, daß der Teufel daneben steht und das Wägen beaufsichtigt. Dem entsprechend nennt Petrus Lombardus vier Aemter des hl. Erzengels Michael: nämlich erstens mit dem Drachen zu kämpfen, zweitens diesen Kampf gegen den Teufel dadurch fortzusetzen, daß er ihm die Seelen der Gläubigen entreißt und in den Himmel rettet, drittens ein Vorkämpfer und Helfer des Volkes Gottes zu sein, viertens den Seelen des Paradieses vorzustehen. Hienach ist die Verehrung zu erklären, welche die katholische Kirche diesem hl. Erzengel erweiset. In der Litanei von allen Heiligen steht er als Führer und Fürst der heiligen Engel den übrigen Engeln und Erzengeln voran. Im Confiteor steht sein Name unmittelbar nach dem der seligsten Jungfrau. Viele Kirchen, Kapelle und Altäre sind ihm geweiht, darunter einige, welche durch ihr Alter und durch die in demselben geschehenen Wunder und wunderbaren Erscheinungen in der ganzen katholischen Kirche berühmt sind. Schon Constantin der Große erbaute in seiner neuen Stadt das sogenannte Michaelion, wo viele wunderbare Heilungen auf die Fürbitte des hl. Erzengels geschahen. Zu Rom ist ihm die Engelsburg (moles Hadriani) und die auf deren Spitze befindliche Kirche (Oratorium) geweiht. Nach der Volksmeinung war es nämlich der hl. Michael, der dem hl. Gregorius dem Großen, das Schwert in die Scheide steckend, erschien und das Aufhören der großen Pest anzeigte. (H.-L. II. 488.) Im Neapolitanischen feierte man sein Fest schon im J. 493, wo er nach der Sage auf dem Berg Gargano (Monte S. Angelo) erschienen war. Alljährlich am 8. Mai wird diese Erscheinung begangen, obwohl ihr geschichtlicher Verlauf ungewiß (die Jahresangaben schwanken nach Baron. zwischen 496 und 536) und selbst im Brevier fabelhaft dargestellt ist. Das Gleiche muß ohne Zweifel auch von der Einweihung des dort erbauten Heiligthums (santuario) gesagt werden, welche durch den hl. Erzengel selbst geschehen seyn soll. Eine andere, vorzüglich von den Griechen am 6. Sept. gefeierte Erscheinung geschah laut der Legende zu Chonis in Phrygien. Bei einer dortigen Heilgnelle, die vielen Kranken schnelle und sichere Hilfe brachte, wie später auf dem Gargano, zeigte sich die Kraft dieses himmlischen Heerführers in so hervorragender Weise, daß die Stadt Laodicäa und Umgebung den Glauben annahm. Noch zur Zeit der hl. Apostel wurde zu seiner Ehre hier ein prachtvoller Tempel erbaut. So erzählt Metaphrastes mit vielen Ausschmückungen und setzt hinzu, daß später ein gewisser Archippus, dessen frommes und abgetödtetes Leben er in breiten Ausmalungen darstellt, die Ehre dieses Heiligthums heldenmüthig gegen die Angriffe der Heiden vertheidigt habe und dabei wunderbar von dem hl. Michael, welcher in einer von der Erde bis zum Himmel reichenden Feuersäule erschien, unterstützt worden sei. Thatsächlich war der Ort Jahrhunderte lang für den Orient was der Monte Gargano für das Abendland war, eine stark besuchte Wallfahrtsstätte, wo unzählige Wunder die mächtige Hilfe des hl. Erzengels bezeugten. In der Diöcese Avrenche ( Abrincum) wird seit dem zehnten Jahrhunderte am 16. Oct. eine Erscheinung des hl. Michael in monte Tumba (Mont St. Michel in der Normandie) gefeiert. Nach Andern soll sie schon im J. 708 oder 709 geschehen seyn. Der hl. Erzengel befahl nämlich (nach der Erzählung der Gall. chr.), auf der Felsenspitze eine Kirche zu bauen und dieselbe unter seinen Schutz zu stellen. Sie wurde der von Monte Gargano nachgebaut. Eine neue größere Kirche trat im J. 966 und eine noch schönere 1022 an deren Stelle. Das bei derselben befindliche Kloster der Benedictiner trat im J. 1622 der Mauriner-Congregation bei. Nicht leicht findet man (vgl. Kreuser, der chr. K.-Bau II. 119) eine bedeutende Stadt ohne Michaels-Kirche oder Kapelle. Eigenthümlich ist, daß sie zumeist auf der Höhe liegen. Sie wurden gerne an der Stelle alter heidnischer Tempel erbaut, indem die Vorstellung, der hl. Michael vertreibe allen Teufelstrug, hiebei maßgebend war. Um ihn als Anführer der himmlischen Heerschaaren zu ehren, waren in Rom am 29. Sept. auch militärische Feierlichkeiten herkömmlich: der Papst weihte eine Kanone, es wurde Revue gehalten u.s.w. Als Patron der Sterbenden und Gestorbenen ruft ihn die Kirche an bei Aussegnung der Seelen und in Seelenmessen, sowie auch viele Gottesackerkirchen seinen Namen tragen. In neuester Zeit ist dem hl. Erzengel Michael die gleichnamige Bruderschaft geweiht, deren Mitglieder sich zum Gebete für den schwerbedrängten Papst und zu Almosen für ihn besonders verpflichten. Das Fest des hl. Michael am 29. Sept. heißt in allen Kirchenbüchern Kirchweihfest (Dedicatio S. Michaelis Archangeli), aber es ist nicht gewiß, welche Kirchweihe gemeint sei. Sie findet sich aber schon in den ältesten römischen Sacramentarien vorgemerkt. Im achten und neunten Jahrhundert wurde sie bereits hie und da gebotener Feiertag. Es dürfte daher wohl anzunehmen seyn, es sei die heilige katholische Kirche als Gemeinschaft der Heiligen selbst gemeint, denn nach der Volkssprache (W. W. K.-L. VII. 143) ist am 29. Sept. »Kirchweihe im Himmel und auf Erden«. Durch die Warnung, welche die hhl. Apostel Paulus und Johannes gegen den Mißbrauch der Engelverehrung, die namentlich in Phrygien alles Maß überschritten hatte, anwenden mußten, ist auch das Vorhandenseyn der wahren und rechten Engelverehrung bereits für die apostolische Zeit bestätiget. Die katholische Kirche, welche allerdings am Tage des hl. Michael alle heiligen Engel ehrt, zeigt gleichwohl in ihrem Officium und in der Feier der hl. Messe, daß jene Unrecht thun, welche Ersteres so sehr betonen, daß die Verehrung und Anrufung des hl. Michael selbst ganz zurücktritt. Dieß beweist schon der Hymnus Te splendor, wo es heißt (nach Schlosser):
Es kämpfte in Schaaren dicht und hehr
Für dich der heil'gen Engel Heer,
Doch mit dem Kreuz-Panier voran
Schwebt Michael auf der Siegesbahn.
Er brach des Drachen grimme Macht
Und stürzt ihn in des Abgrunds Nacht,
Zerschmetternd mit des Blitzes Strahl
Den Führer und sein Heer zumal;
Wenn wider diesen stolzen Geist
Der Kampf entbrennt er Führer heißt.
Die meisten Antiphonen und Responsorien, auch die Lectionen, athmen diesen Geist, so daß zwar die untergebenen Geister den gebührenden Antheil an dem Ruhme ihres Fürsten erhalten, dieser selbst aber in seinem vollen Glanze als der Erste voransteht und sehr oft allein angerufen und gepriesen wird. So liest man z.B. »Erzengel Michael, komm' dem Volke Gottes zu Hilfe!« Und: »Michael ist der Vorgesetzte des Paradieses, welchem die Mitbürger der Engel Ehre bezeigen«. Aehnliche Stellen sind viele. Fabelhaft und von Feinden der katholischen Kirche erfunden ist die Erzählung (bei Menzel, Symb. II. 129), daß man auf dem Michaelsberge im Zabergau vor der Reformation eine Feder aufbewahrt habe, welche dem Engel im Kampfe mit dem Satan entfallen sei – eine plumpe Lüge, offenbar dazu ersonnen, um Protestanten, die einfältig genug sind sie zu glauben, die katholische Reliquien-, Heiligen- und Engelverehrung recht widerlich und ungereimt darzustellen. Auf Bildern sehen wir den hl. Michael als ritterlichen Engel, mit Helm, Schild (auf diesem liest man öfter das: Quis ut Deus? entweder allein oder als Umschrift für die auf demselben dargestellte unbefleckte Empfängniß) und meist flammendem Schwert, den Höllengeist (hie und da bereits in einen siebenköpfigen Drachen verwandelt und gefesselt), der ihm Flammen entgegenspeit und mit Feuerbündeln und Schlangen gegen ihn kämpft, in die Tiefe stürzend. Von der Wage, die gleichfalls sein Attribut ist, haben wir schon geredet. Statt des Schwerts trägt er öfter eine Fahne mit Kreuzstab (stets in beiden Händen) oder einen Speer, mit welchem er den Drachen durchbohrt. Seltener erscheint er mit dem offenen Buche (des Lebens und des Todes) als Kennzeichen seiner Theilnahme beim Gerichte. Im Orden der (lateinischen) Basilianer, welche den hl. Michael zu ihrem Schutzpatron erkoren haben, wird sein Fest mit Octave begangen. In Deutschland erscheint dasselbe zuerst im Pönitentiale des hl. Bonifacius, wurde aber durch ein Concilium zu Mainz im J. 813 allgemein eingeführt.
http://www.zeno.org/Heiligenlexikon-1858. 1858.