Radegundis, S. (2)

Radegundis, S. (2)

2S. Radegundis (13. Aug.). Diese heil. Radegundis, Königin von Frankreich, geb. i. J. 519 als die Tochter des Thüringer-Fürsten Berthar, verlor ihren Vater durch dessen grausamen und herrschsüchtigen Bruder Hermanfrid. Als die Frankenkönige Chlotar I. und Theoderich diesen wegen Wortbruchs zwischen d. J. 527–530 bekriegten und in einer Schlacht an der Unstrut besiegten, nahm Ersterer die jugendliche Königstochter mit sich, ließ sie unterrichten und taufen, worauf er sich mit ihr vermählte, nachdem er einen von ihr unternommenen Fluchtversuch vereitelt hatte. Das Schloß, auf welchem sie erzogen und unterrichtet wurde, liegt in dem Vermandois und heißt Athies, nicht weit von Ham, dem Hauptorte des Cantons. Als zarte Jungfrau zeigte sie sich schon immer sehr fromm, bescheiden, wohlthätig gegen die Armen, dienstfertig gegen Jedermann. Im Ehestande, in welchen sie erst eintrat, nachdem der König sie eine Zeit lang an einem Orte der jetzt St. Radegunde heißt, gefangen gehalten, suchte sie nicht bloß allen billigen Anforderungen des Königs gewissenhaft zu entsprechen, sondern übte auch, wenn gleich unter vielen Beschwerden, alle Werke der christlichen Frömmigkeit, Buße, Liebe, Wohlthätigkeit, Demuth und andere Tugenden, und leuchtete durch Wunder. Sie ließ (Friedrich, K.-G. Deutschl. II. 102) einen heidnischen Götterhain niederbrennen und bezeugte dadurch ihren glühenden Glaubenseifer. Als aber der König um d. J. 553 ihren einzigen Bruder tödten ließ (die Ursache ist unbekannt), begehrte sie den königl. Hof verlassen, und sich Gott ganz weihen zu dürfen. Der König willigte nach langem Zögern ein und die Heilige erhielt den Schleier aus den Händen des hl. Medardus, Bischofs von Noyon. Hier legte sie ihr königliches Gewand sammt allem Geschmeide als Opfergabe auf den Altar des Herrn, dem sie ihr frommes Herz längst geschenkt hatte. Der König wies ihr ein Krongut zu Saix bei Loudon in Poitou an, wo sie unter der Leitung ihres Gewissensrathes, des Priesters Junianus, ihre Strengheiten verdoppelte. Sie genoß nur Brod und Gemüse, trank keinen Wein, trug auf dem bloßen Leibe eine eiserne Kette, und schlief auf dem bloßen Boden auf einer härenen Decke. Sie beschenkte die Kirchen, namentlich die Martinskirchen zu Tours und Candes, mit allerlei Schmuckwerk und kostbaren Zierrathen, und oblag Tag und Nacht Gebeten und Liebeswerken jeder Art. An gewissen Tagen bediente sie persönlich die Armen, Kranken und Aussätzigen, von welchen sie Einige durch das Zeichen des hl. Kreuzes gesund machte. Später erbaute sie zwischen den J. 544 und 559 mit des Königs Erlaubniß ein großes Kloster zu Poitiers, und sammelte fromme Jungfrauen um sich, zu deren Abtissin sie die hl. Agnes erhob. Ihr Zögling und spätere Lebensbeschreiberin Bandomina mußte ihr, selbst wenn sie sich schlafen legte, vorlesen. Den König reute aber jetzt die gegebene Erlaubniß, weßhalb er Anstalt traf, sie mit Gewalt wieder zurückzuführen. Auf ihre Bitte verwendete sich der hl. Bischof Germanus von Paris beim Könige, und fand Erhörung. Das Kloster erhielt i. J. 567 die kirchliche Bestätigung durch das Concil von Tours. Die hl. Königin wendete die ganze Kraft ihres Einflusses und ihres Gebetes daran, den innern Frieden des Landes zu erhalten und die Uneinigkeiten, die zwischen den Königen entstanden waren, beizulegen. Außerordentlich war die Strenge, mit welcher sie der Kreuzigung des Fleisches oblag: ihre einzige Nahrung waren Gemüse und Kräuter; das Mehl zu dem rauhen Brode, das sie wochentlich viermal genoß, mahlte sie sich selbst; ihr Getränk bestand in gesottenem Wasser. Sehr eifrig war sie auch in Sammlung von Reliquien der Heiligen. Vom Kaiser Justinus II. erhielt sie auf besonderes Ansuchen ein sehr schönes Evangelienbuch, mehrere Reste von Heiligen, und ein kostbar in Gold und Edelsteinen gefaßtes Stück vom hl. Kreuze. Bei dessen Uebertragung ertönte zum ersten Male der schöne Hymnus Vexilla regis, welchen der hl. Fortunatus gedichtet hatte. Das Kloster hieß fortan das Kloster zum heil. Kreuze. Man befolgte die Regel des heil. Cäsarius von Arles. Vielen, die noch während ihres Lebens sie um ihre Fürbitte, wenn auch abwesend anriefen, fanden Hilfe in verschiedenen Nöthen und Anliegen. Sie starb am 13. Aug. d. J. 587 zu Poitiers, im zwölften Regierungsjahre des Königs Childebert, und wurde vom hl. Gregor, Bischof von Tours, zur Erde bestattet. Seine Schriften sind voll ihres Lobes und bezeugen ihre Wunder.2 Ueber ihrem Grabe erhob sich bald eine prachtvolle, ihren Namen tragende Kirche, und ereigneten sich viele Wunder. Schon bei ihrem Leichenbegängnisse erhielt ein Blinder das Augenlicht. Eine Uebertragung findet sich bei den Boll. zum 11. Febr. verzeichnet. Der fromme Dichter Fortunatus hat der Verehrung, in welcher sie beim Volke stand, den schönsten Ausdruck gegeben, indem er ihr den Namen »Mutter« beilegte. Fünfzehn französische Ortschaften sind nach ihrem Namen genannt. Ihre Reliquien wurden in der Notredame-Kirche aufbewahrt, aber i. J. 1562 durch die Hugenotten zerstreut. Sie ist Patronin der Stadt Poitiers und wird am besten als Klosterfrau, mit den abgelegten königl. Insignien, vor einer Kreuzpartikel betend, nicht aber als Abtissin, welche sie nie war, abgebildet. Man sieht sie auch dargestellt, wie der hl. Germanus ihr den Schleier reicht. In der Kirche von Missy-St. Radegonde sind an einem Seitenportale acht Scenen aus ihrem Leben in Stein dargestellt.



http://www.zeno.org/Heiligenlexikon-1858. 1858.

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