- Romualdus, S. (1)
1S. Romualdus, Abb. (7. al. 12., 10. Febr., 19. Juni, 28. Dec.). Dieser berühmte Heilige hat im Ausgang des 10. und am Anfange des 11. Jahrh. nicht bloß das strenge Eremitenleben in Italien wieder eingeführt, sondern auch für die Wiedererhebung der Kirche aus dem Schlamme der Sinnenlust und Simonie gewirkt und seine Zeitgenossen für die Verbreitung des Evangeliums unter den Heiden neuerdings begeistert. Er war aus dem adeligen Geblüte der Honesti zu Ravenna entsprossen und führte in seiner Jugend anfänglich ein freies, üppiges Leben. Er konnte desselben nie froh werden. Oft kam ihm der Gedanke, er müsse sich erheben und eine seiner Bestimmung würdige Laufbahn antreten. In solchen Augenblicken überkam ihn jedesmal eine große, fast unwiderstehliche Sehnsucht nach dem einsamen Leben. Da sah er eines Tags seinen Vater Sergius einen nahen Verwandten im Zweikampfe erstechen. Er floh von der Unglückssätte in das Kloster St. Apollinare in Classe, wo man die Regel des hl. Benedictus befolgte. Vierzig Tage lang betet, seufzt und weint er; er züchtiget sein bis dahin so widerspänstiges Fleisch; Tag und Nacht stand der Gedanke, er müsse, wie der heil. Apollinaris, an dessen Grab er kniete, ein Martyrer, ein Martyrer der Buße werden, vor seiner Seele. Nach einiger Zeit bat er, durch eine Erscheinung des Heiligen zum Eintritt in den Orden ermahnt, um das geistliche Kleid. So wurde das Grab des hl. Apollinaris die Wiege der Camaldulenser. Der junge Mönch wurde, was aber nicht ausgemacht ist, um d. J. 976 zum Abt gewählt. Seine Strenge mißfiel den Mönchen und sie sannen darauf, ihn aus der Welt zu schaffen. Ein Eingeweihter verrieth ihm noch rechtzeitig den Plan. Nun verließ der hl. Romualdus das Kloster und begab sich unter die Leitung des Einsiedlers Marinus35, welcher ihn, wenn die Legende wahr berichtet, mit unvernünftiger und unchristlicher Strenge behandelte. Dennoch hielt er bei ihm aus und begleitete ihn bis nach Catalonien. Es hat den Anschein, der bisherige Schüler sei später der Meister des Marinus geworden. Es ist ungewiß, wie lange er bei ihm blieb. Die Zeit seiner Thaten aufzuschreiben, vergaß man beinahe ganz über ihrer Größe und Bedeutung. Zunächst suchte er an verschiedenen Orten, besonders in Oberitalien, Klöster zu gründen und die bestehenden zu verbessern. Hiebei suchte und erhielt er die Unterstützung der weltlichen Großen. Besonders Kaiser Otto III. und Markgraf Hugo begünstigten seine Bestrebungen. Im Jahr 1012 oder einige Jahre später legte er zu Camaldoli, auf den schneebedeckten Höhen der Apenninen den Grund zu einem neuen Orden. Die Strenge der Einsiedler in Aegypten sollte mitten in einem verweichlichten Geschlechte, in tief verdorbener Zeit Nachahmung finden. Mitten in seinen Abtödtungen wurde er von Vielen aufgesucht und zum Lehrer verlangt. Er machte in der That keine großem Anforderungen. Er sagte z. B., es sei viel besser, einen einzigen Psalm mit inniger Zerknirschung zu singen, als dasß sich Einer vornehme, hundert zu beten, wobei die Zerstreuung des Gemüthes fast unvermeidlich sei. Auch durch anfängliches Mißlingen der ersten Versuche, wenn sie nur gut gemeint seien, dürfe man sich vom andächtigen Leben nicht abschrecken lassen, sondern auf Gottes Hilfe hoffen. Bis dahin müsse man sich begnügen, die ernstliche Meinung, Gott dienen zu wollen, öfter zu erwecken. Seine eigene Frömmigkeit hielt er in aller Demuth verborgen, so daß selbst im Kloster Niemand seine große Enthaltsamkeit und sein strenges Fasten kannte. Desto besser wußte es der Teufel, der ihn schrecklich folterte und ängstigte. Sein böses Jugendleben war fünf Jahre lang der Gegenstand seiner Vorwürfe, so daß der hl. Einsiedler die göttliche Barmherzigkeit nicht oft genug anrufen konnte. Zuerst waren es nur ein Mönch und drei Brüder, welche sich dem hl. Romualdus anschlossen. Allmählich erhielt aber sein Orden weitere Verbreitung. Selbst der Kaiser Ottto III. soll sich eine Zeit lang unter seine Leitung gestellt haben. Gewiß ist, daß er ihn sehr begünstigte und auf seine Fürsprache der Stadt Tivoli, über welche wegen Empörung die Strafe der Plünderung ausgesprochen war, dieselbe gnädig erließ. Auch unterwarf er sich der von dem Heiligen über ihn ausgesprochenen strengen Buße, mit bloßen Füßen von Rom bis Monte Gargano zu wallfahrten und die ganze Fastenzeit im Kloster Classe zu verbringen. Niemals (vgl. Geschichte der deutschen Kaiserzeit von Giesebrecht I. 749) hat ihm Romuald näher gestanden. Er gab die Mittel zur Gründung von Pereum bei Ravenna. Dagegen soll der heil. Einsiedler ernstlich daran gedacht haben, ihn selbst zum Einsiedler zu machen. Es schmerzte ihn tief, wenn er den Jüngling, der sich den himmlischen Dingen mit solcher Inbrunst hingab, immer von Neuem in das wirre Treiben der Welt gezogen sah. »Erst will ich nach Rom ziehen,« soll der Kaiser gesagt haben, »und im Triumphe nach Ravenna heimkehren.« »Wenn du nach Rom ziehst,« antwortete prophetisch der Heilige, »dann siehst du Ravenna nie wieder.« So war es. Der Kaiser starb am 23. Jan. d. J. 1002. Ueberhaupt bewirkte das büßende Leben des heil. Romualdus viele namhafte Bekehrungen. Zu seinen Schülern gehörte der heil. Bonifacius9 aus sächsischem Adelsgeschlechte, durch welchen Rußland die Gnade des Evangeliums empfing. Der hl. Romuald selbst war vom Himmel nicht bloß bekehrt, sondern auch belehrt worden. Er besaß ein tiefes Verständniß der hl. Schrift. Wenn er die Psalmen auslegte, rührte er die Herzen Aller, die ihn hörten. Wie er immer mit Gott verkehrte, zeigen seine Pfeilgebete: »Süßer Jesus, mein süßer Jesus, du mein unaussprechliches Verlangen, du meine einzige Freude!« Kein Wunder, daß der Heilige überallhin verlangt wurde. Schon sein Ruf, noch mehr aber seine Person hatte einen unwiderstehlichen Zauber. Er suchte weder Ehre noch Güter; auf beide hatte er so gänzlich verzichtet, daß er nirgends wohnen mochte, wo noch Reste derselben vorhanden waren. Eben deßhalb machte er sehr viele Bekehrungen, so z. B. in Parenzo, Bifolco, auf Monte Sitrio, wo er überall Zellen baute, die er mit frommen Einsiedlern bevölkerte. Auch nach Ungarn verpflanzte er seinen Orden, obwohl er selbst nicht dahin kam. So oft er den Wanderstab ergriff, um dieses Land zu besuchen, wurde er krank. Wie ein erquickender Regen erfrischten seine Worte und sein Beispiel die ausgetrockneten Herzen, so daß sich bald neue Blüthen des gottinnigen Lebens bei Welt- und Klosterleuten zeigten. Er beobachtete in seiner Zelle ein unverbrüchliches, fast immerwährendes Stillschweigen, trug ein rauhes Cilicium und entzog sich jede bessere Nahrung. Sein übernatürliches Gnadenleben offenbarte sich auch in wunderbaren Heilungen. Wenn Kranke von ihm gesegnete Speisen oder Früchte genossen, erlangten sie nicht selten die Gesundheit. Auch solche, die von bösen Geistern geplagt waren, wurden durch ihn befreit. Aber er sah auch schwere Prüfungen, namentlich ungerechte Anklagen und Bestrafungen, Verleumdungen der gröbsten Art über sich ergehen. Diese unfreiwilligen Bußübungen trug er mit noch größerer Freudigkeit, als die selbst übernommenen. Er war schon sehr auf Jahren, als ihm träumte, er sehe auf einer Leiter, welche von der Erde bis zum Himmel reichte, Mönche in weißen Kleidern zu Gott emporsteigen. Darüber empfand er großen Trost, denn er erkannte in diesem Traume, daß seine Stiftung Gott wohlgefällig sei. Außerdem erhielten seine Jünger von jetzt an weiße Kleider, während sie bisher solche von schwarzer Farbe getragen hatten. Diese Erzählung wird aber sogar von Schrifstellern seines Ordens als unwahr bestritten, obwohl sie in die Lectionen des Vreviers aufgenommen ist. Er war, wie alle heiligen Ordensstifter, eine ganz außerordentliche Persönlichkeit, ein wahres »Salz der Erde«. Mit größter Hochachtung mußten Alle zu ihm aufblicken. Kaiser Heinrich II., selbst ein Heiliger, sagte einmal zu ihm: »O wenn doch meine Seele in deinem Leibe wäre!« Sein Tugendglanz strahlte von Italien über Oesterreich bis nach Schlesien und Rußland. Ob er betete und Psalmen sang, ob er dem Volke predigte oder in den Klöstern die nothwendige Verbesserung einführte, ob er auf Reisen oder in der Zelle war, immer erkannte man in ihm auf den ersten Blick den großen Diener Gottes. Es stürmt auf dem adriatischen Meere, so daß die Schiffsmannschaft jeden Augenblick den drohenden Untergang erwartet; er allein bleibt ruhig und beruhigt die Mitschiffenden, indem er ihnen eine glückliche Landung voraussagt, die auch eintrifft. Wenn auf der Kanzel der Strom von Thränen, der seinen Augen entquoll, seine Stimme erstickte, so ging er einfach weg, indem er sicher war, daß die Wirkung dieselbe sei, ob er fortspreche oder gehe. Sein Einsiedlerleben hinderte nicht im geringsten seine Thätigkeit, sondern förderte sie vielmehr. Man sah in ihm einen Mann, der um Jesu willen auf Alles verzichtet hatte, der Alles selbst in der vollkommensten Weise übte, was er von Andern verlangte, und daher fand er auch bei der verkommenen Welt- und Klostergeistlichkeit seiner Zeit bereitwillige Schüler. Auch manche simonistische Bischöfe versprachen ihm, in sich zu gehen. Doch schreibt der hl. Petrus Daminianus: »Ich weiß nicht, ob der hl. Mann in seinem ganzen Leben nur einen Einzigen von ihnen bekehrt hat. Denn diese giftgeschwollene Häresie ist besonders im bischöflichen Range außerordentlich hart und unbiegsam. Sie versprechen immer und verschieben immer, so daß man leichter einen Juden zum Glauben bringen kann, als einen simonistischen Christen zur Buße«. Jedenfalls hat er den Bestrebungen der Päpste damaliger Zeit in dieser Hinsicht kräftig vorgearbeitet. So oft große Sünder zu ihm kamen, singen sie an zu zittern und zu beben, als ob sie die gerechte Hand Gottes ergreifen und strafen wolle. Wenn ihm Jemand in die Einsamkeit folgte und die kleine, alleinstehende Zelle betrat, hoch über dem Gewühl und Treiben der Menschen, nahe den Sternen des Himmels, empfand er in der erhabenen Stille, die hier herrschte, wenig von den Entbehrungen, welche ihm auferlegt waren, wohl aber drang die Lust und Freude am Himmlischen aus den Tiefen der Seele in den Vordergrund, so daß er klar erkannte, hier sei der Ort, wo durch Gebet und Arbeit das Leben des Menschen zum beständigen Gottesdienst gemacht werden könne, er befand sich wahrhaft in »Sagro Eremo«, d. i. in »heiliger Einsamkeit«. In Daniels Handbuch der Geographie (II. 220.) finden wir hievon folgende Beschreibung: »Jeder Mönch hat hier sein Häuschen mit Betkapelle und Gärtchen, mit einem Raum zum Studiren, zum Schlafen, zum Wandeln. Jede Zelle ist von der andern 150 Schritt entfernt. Laienbrüder stecken die Speisen durch ein Fenster in die Zellen. Fleisch wird nie genossen und an bestimmten Wochentagen geschwiegen. Zum Gottesdienste, in sieben Monaten durch Schnee, steigen die Eremiten mehrere Mal am Tage zum Kloster herunter.« Was für ein unendlich rohes und feindseliges Herz gehört dazu, das die Zerstörung solcher Friedensstätten zu beantragen, zu beschließen im Stande ist! Sein Orden, welchem er die Regel des hl. Benedictus gab, gewann vorzüglich in Toscana und der Lombardei, aber auch in andern Gegenden Italiens zahlreiche Niederlassungen, und wurde von Papst Alexander II. bestätiget. Das berühmteste Kloster war und blieb Camaldoli, Bisthums Arrezzo im Florentinischen. Der Name soll von dem vormaligen Besitzer des Ortes, der Maldolus hieß, (campus, casa Maldoli) herrühren. (Diese Ableitung ist viel wahrscheinlicher, als die von campus amabilis; denn weder paßt diese Bezeichnung auf die Einsiedelei, noch ist sie philologisch zu begründen.) Frauenspersonen durften weder den Bereich des Klosters und der gesonderten Zellen, noch selbst die Ordenskirche betreten. Zur Zeit des Papstes Leo X. wurde eine Abzweigung der Camaldulenser unter dem Namen Romualdiner, zunächst für das Bisthum Perugia, in Monte Corona, gestiftet. Der hl. Romualdus soll 120 Jahre alt geworden sein, wofür aber die Boll., jedoch ohne hinreichende Begründung, 70 Jahre setzen. Er starb zu Val de Castro an Altersschwäche am 19. Juni 1027 (nach Andern 1032). Am Abend dieses Tages, obwohl er sich sehr schwach fühlte, hieß er die zwei Klosterbrüder, die bei ihm waren, hinausgehen. Als sie nach einigen Augenblicken zurückkehrten, fanden sie ihn gestorben. Schon 20 Jahre vorher hatte er gesagt, daß er in diesem Kloster und ganz einsam sterben werde. Daher sagt sein Geschichtschreiber: »Wer so gestorben ist, wie er vorausgesagt hat, ist auch dorthin gelangt, wohin seine Hoffnung gegangen ist!« Papst Clemens VIII. hat sein Andenken auf den 7. Febr. gesetzt. An diesem Tage findet sich sein Name auch im Mart. Hom. Das Martyrologium der Kapuziner nennt ihn zum 12, das Mart. Seraph. am 15. Febr. Seine erste Erhebung geschah schon 5 Jahre nach seinem Tode. Sie trifft mit seiner Heiligsprechung, d. i. mit der Bewilligung, über seinem Leibe einen Altar zu errichten, zusammen. Am 22. Nov. 1466 wurde der Sarg geöffnet und der Leichnam noch unversehrt gefunden. Im J. 1480 kam der heil. Inhalt desselben nach Jesi und von da nach Fabriano. Ein Armbein des Heiligen wird in Camaldoli vererhrt. Bildnisse zeigen ihn im Camaldulenser-Habit, zu seinen Füssen die Himmelsleiter, auf welcher seine Schüler hinansteigen, wie der neben ihm stehende Engel ihm offenbart. Manchmal findet sich derselbe Gedanke als Vision dargestellt: Camaldulenser-Mönche steigen paarweise zum Himmel, ohne daß eine Leiter sichtbar ist. Auch sieht man den Heiligen als Einsiedler in ärmlicher Kleidung vor dem Kaiser (Otto III. oder Heinrich II.) stehen. Ein Gemälde in einem Kloster zu Florenz stellt ihn dar, wie er in der Einöde vor einem Crucifixe betet, mit Buch und Todtenkopf. In seiner Vaterstadt Ravenna steht eine schöne Kirche zu seiner Verehrung.
http://www.zeno.org/Heiligenlexikon-1858. 1858.