- Sebaldus, S. (1)
1S. Sebaldus. Erem. Conf. (19. Aug.) Ueber das Leben und Wirken des hl. Sebaldus von Nürnberg hat man nur wenige verbürgte Nachrichten. Aber das dankbare Andenken an seine gesegnete Wirksamkeit als »Apostel« der Nürnberger hat um ihn einen unverwelklichen Blüthenkranz schöner Sagen geflochten. Es sind einige Merkmale vorhanden, welche den Schluß zulassen, daß er Priester gewesen sein könne. Dahin gehören: seine Sendung durch Papst Gregor II., sein ihm von allen Seiten zugeschriebenes Predigtamt, seine Beerdigung in der St. Peterscapelle, die Sage von seinem Beichtstuhl und eine Abbildung, auf welcher er (Wessely, Ikonologie S. 365) die in Linnen eingehüllte heil. Hostie trägt. Gewiß ist, daß er ein wunderbarer und heiliger Mann war, welcher die Bewohner der Stadt Nürnberg und ihrer Umgebung zu der Erkenntniß und Liebe Jesu Christi theils geführt, theils in ihr gefestiget, und sich durch seine Fürbitte auch in spätern Zeiten als ihren besondern Schützer bewiesen hat. Diese Thatsache verkündet laut das ihm geweihte herrliche Gotteshaus zu Nürnberg und sein Grabmal. Wir benutzen hier außer andern gedruckten Quellen vorzüglich die alte Nürnberger Legende, welche im Jahr 1842 neu herausgegeben wurde. Sein Vaterland und seine Herkunft ist unermittelt. Einige lassen ihn aus königl. Geschlechte abstammen und setzen seine Heimat nach Dänemark (Dacia, Dania). Der Name Sebald, welcher so viel bedeutet als »stark, tapfer auf der See« scheint diese Ueberlieferung zu bestätigen. Andere machen ihn zu einem Schottländer. Wir sind geneigt, einem alten Kirchengesang zu Nürnberg zu glauben, der ihn einen, Franken nennt (de Francis genitus). Seine Studien in Paris und seine Vermählung mit einer frommen, ihm ebenbürtigen Jungfrau, die er – ein zweiter Alexius – noch in der Brautnacht mit ihrer Einwilligung wieder verließ, wollen wir nur kurz erwähnen. Hieran anknüpfend erzählt die Legende, daß er 16 Jahre lang als Einsiedler gelebt habe. Hierauf sei er nach Rom gepilgert und von Papst Gregor II. beauftragt worden, in Deutschland das Evangelium zu verkünden. Dies ist aber mit der gewöhnlichen Annahme, daß der hl. Sebaldus unter Carl d. Gr. gelebt habe, schwer zu vereinigen, da dieser Papst schon im J. 731 starb. Auf der Reise sei er mit den hhl. Wilibald und Wunibald zusammengetroffen, habe diese wunderbar vom Hungertode errettet und darauf in der Lomdardel zu predigen angefangen. Dieses Zusammentreffen mit den zwei größten Missionaren des Bisthums Eichstädt, wozu auch die Nürnberger Gegend anfänglich gehörte, mag ihn bewogen haben, sich später in demselben Bisthum dauernd niederzulassen. Einstweilen aber blieb er noch, wie die Legende weiter erzählt, in einer Einsiedelei in der Nähe von Vicenza. Von allen Seiten strömten die Leute herbei, seine Lehre zu hören. »Als sich einmal in Mitten des Volkes ein Ketzer empört und freventlich geredet, daß seine Lehre falsch wäre, hat der heil. Sebaldus zu Gott dem Allmächtigen geruft und demüthiglich gebeten, daß er ein Zeichen vor allem Volke wirken wolle, durch welches der christliche Glaube desto mehr bestätigt werden möge. Zur Stund hat sich das Erdreich aufgethan, und im Angesichte alles Volkes denselben Ketzer bis zum Hals verschlungen. Und als er immer tiefer unter sich gesunken, ist er in sich selbst gegangen, hat seinen falschen Irrthum bekannt und mit lauter Stimme zum heil. Sebaldus geruft, Gott für ihn zu bitten, mit dem Zusagen, daß er hinfüro dem christlichen Glauben anhangen wollt. Also ist er wiederum durch die Fürbitt des Heiligen auf das Erdreich erhebt und von solcher göttlichen Straf gnädiglich erledigt, und sind von diesem Zeichen gar viel Menschen zu dem Glauben bekehrt worden.« Man wird nicht irren, wenn man mit den Boll. aus dieser Geschichte entnimmt, daß der Heilige in der Lombardei noch vielfache Spuren des Arianismus vorfand und dieselben auszurotten suchte. Sein weiterer Lebensweg führt über Regensburg nach Nürnberg. Wir lernen aber den hl. Mann nicht näher kennen. Nur aus den Wundersagen, die sich an seinen Namen knüpfen, läßt sich vermuthen, was er seinen Zeitgenossen gewesen ist. Historische Einzelnheiten sind aus denselben leider nicht zu entnehmen. Es möge also wieder die alte Legende nur mit geringer Aenderung des Wortlautes in ihr Recht eintreten und uns von dem Heiligen weiter erzählen. Sie sagt: »Als er an das Wasser der Donau, nicht weit von der Stadt Regensburg kam, und keine Brücke und auch keinen Schiff. mann fand, der ihn überführen möchte, hat er seinen Kotzen, den er allweg über ein hären Hemd zu tragen pflegte, auf das Wasser gelegt, ist darauf gestanden und hinüber bis zu der Stadt ohne alle Beleidigung geschwommen. Das sah ein Einwohner der Stadt, der darüber hoch erfreut den hl. Mann zu sich in sein Haus aufnahm. Da er ihm in Anbetracht seiner großen Heiligkeit viel Ehren erzeigt, entlehnt er von einem Nachbarn ein gar schönes, herrliches Trinkglas, darin er dem hl. Sebaldus zu trinken bot. Aus Unvorsichtigkeit fiel ihm dieses Glas zu vielen Stücken auf die Erde, darob der arme Mann erschrack, unwissend, wie er seinem Nachbar solch Trinkgeschirr wieder vergelten sollte. Also ließ sich der hl. Sebaldus die Trümmer reichen, die er wieder zusammengethan und das Glas wie vor ergänzt hat, daß sich der Arme erfreuet. Auch die Menschen, die das vernahmen, dem hl. Sebaldus viel Ehren entbieten.« Nun folgt die Bemerkung, daß der Heilige von hier weggegangen und in einen Wald »auf den Nordgau« gekommen sei. Die Geschichtsforscher erläutern dieß dahin, er sei an den Orten angelangt, welche vormals die Norici besaßen und habe dort in einem Wald, »durch welchen man jetzt aus dem Dorf Vispach nach Nürnberg reiset«, sich niedergelassen. Daß er wirklich nicht in der Stadt Nürnberg wohnte, wenigstens nicht am Anfange seiner Hierherkunft, bezeugt die Legende in folgender Wundersage: »In dem Wald auf dem Nordgau (der ›Sebaldiwald‹, vom Lorenzerwald durch die Pegnitz getrennt, existirt noch), hat er ein gar streng, hart, einsiedlerisches Leben geführt, mit Abbrechung leiblicher Speise, viel Fasten, Wachen, Beten und großer Kasteiung seines Leibes. Da kam einmal spät am Abend ein Bauer zu ihm, bitterlich klagend, daß er seine zwei Ochsen un Holz verloren hätte. Der Heilige erbarmte sich des Armen und that sein Gebet zu Gott. Nach Endung desselben sprach er zu dem Bauern, der bei angebrochener Nacht in dem Walde irre zu gehen fürchtete, daß er seine Hände in die Höhe hallen und wiederum suchen sollte. Als der arme Mann nach Geheiß seine Hände aufhob, gaben seine Finger einen großen Schein gleich brennenden Lichtern, so daß er sehen mochte wie am hellen Mittag, und seine Ochsen wieder fand.« Doch kam er öfter nach Nürnberg, und nahm bei einem Wagner seine Herberge. Hiezu bemerkt Falkenstein, dieses Haus sei damals an dem Orte gewesen, wo später das Wirthshaus bei dem »goldenen Schwan« gestanden, das über der Hausthüre die Inschrift trug: »In diesem Orte bei dem grünen Baume hat eingekehrt der hl. Sebald.« Letzteres gehört jedenfalls, sammt seinem »Beichtstuhle« in diesem Hause gleichfalls in das Gebiet der Sage, weßhalb wir diese sogleich weiter erzählen lassen: »Als zu Winterszeiten ihn, aus zugefallener Krankheit, die Kälte bezwang, bat er den Wagner, ihm Feuer zu machen. Das weigert er und sagt, daß er kein Holz habe. Auch die Frau des Hauses schlug ihm, aus Furcht vor dem Manne, seine Bitte ab. Da gebot er derselben, daß sie ihm die Eiszapfen vom Dach hereintragen wollt'. Das that sie. Nach vollbrachtem Gebet des Heiligen wurden wunderbarlich die Eiszapfen zu Feuer und Holz, bei dem sich der hl. Mann erwärmt. Da das der Wagner und sein Weib sahen, lobten sie Gott und bekannten St. Sebalds große Heiligkeit.« Als historische Anhaltspunkte mögen gelten, daß damals zu Nürnberg ein Fischmarkt gehalten wurde und eine Herrschaft auf der Burg ihren Wohnsitz hatte, die strenge Polizei führte und schwere Leibesstrafen, wie z. B. Blendung verhängte. Es heißt nämlich, daß er einem Mann, der dem Heiligen gegen das Verbot der Herrschaft, ehe diese ihren Bedarf gekauft, auf dem Fischmarkte einen Fisch gekauft hatte, und zur Strafe dafür geblendet worden war, das Augenlicht wieder gegeben habe. Nicht minder mag die Bemerkung, der heil. Mann Sebaldus habe »viel Zeit«, d. i. sehr lange »zu Nürnberg und in dem Wald dabei« gelebt, zur Aushellung der Dunkelheit dienen. Sein Hinscheiden sagte er längere Zeit voraus »und nach christlicher Vorschickung (Versehung) und andächtiger Bereitung hat er seine Seele geopfert in die Hände des Herrn.« Wahrscheinlich ist deßhalb, daß die Stadt damals bereits ihre ordentlichen Seelsorger hatte, obwohl sie im Allgemeinen sich noch »bei geringem Stand und Vermögen« befand. Die St. Peterskapelle soll im Jahre 746 vom hl. Bonifacius eingeweiht worden sein. Zwei ungezähmte Ochsen brachten seine Leiche »bis zu St. Peters Kapellen, allda er jetzo ruhet und gar gnädiglich rastet, und über mannigfaltig Bezwengnuß und Anhalten nicht ferner (weg) hat gehen wollen.« An dieser Stelle haben die Einwohner Nürnbergs oft und andächtig gebetet, Wachskerzen angezündet und nach kurzer Ueberbringung des hl. Leibes in das Schottenkloster zu St. Aegydius »ein herrliches schönes Münster zu bauen angefangen, das auch nachfolgend ehrwürdiglich vollbracht ist.« Er wurde zugleich zum Schutzpatron der Stadt Nürnberg erkoren, bei der Kirche aber ein Beneficium gegründet (Ratisb. mon. I. 165). Auch jetzt steht sein Grabmal noch in dem besagten Münster und ist sein Andenken noch in Ehren, wenn gleich sein Festtag nicht mehr wie früher gefeiert wird. Darüber schreibt nämlich unser Legendenbüchlein: »Sein Tag wird zu Nürnberg gar ehrwürdiglich gefeiert und gehalten am 19. August, allda sein hl. Leichnam durch die Bürger des Raths und ehrwürdige Priesterschaft mit Nachfolgung einer. großen Menge Volkes in einem silbernen Sarg öffentlich und mit besonderer Andacht getragen und (der Heilige) als ein sonderlicher Fürbitter und Schützer gemeiner Stadt Nürnberg nicht unbillig geehrwürdiget wird, dieweil die Stadt Anfangs bei geringem Stand und Vermögen gewest, daß ihr Aufnehmen, Wohlfahrt und Regiment durch die Gegenwärtigkeit des hl. Leichnams und das sonderlich getreue Fürbitten ihres Patrons, Haupt- und Schutzherrn St. Sebaldus vor Gott den Allmächtigen kommen und größlich gemehret sei.« Die an seinem Grabe und auf Anrufen seiner Fürbitte bis in die weiteste Ferne geschehenen zahlreichen Wunder wollen wir im Einzelnen unberührt lassen. Besonders im 11. Jahrh. kamen zahlreiche Wallfahrer, selbst aus Frankreich, zu dem Grabe des Heiligen »wegen der vielfältigen den Kranken ertheilten Hilfe«, was auch bei Rettberg (R.-G. Deutschl. II. 363) anerkannt ist. Wenn er sagt, daß seine Wunder »ins Ungeheure« gehen, so führt er zum Belege dafür nur jene der Legende an, die natürlich sagenhaft ist. Die später folgenden Wunder bestreitet auch er nicht, sondern bestätiget ausdrücklich »das Zuströmen des Volkes zu seinem heilkräftigen Gedächtnisse.« Die Wunder hat »Gott der Allmächtige« seit geraumer Zeit aufhören lassen, weil die Stadt in ihrer großen Mehrheit dem Glauben, welchen der hl. Sebaldus verkündigt hat, untreu geworden und bis auf den heutigen Tag untreu geblieben ist. Dieselben sind aber nicht etwa erfunden, sondern sämmtlich »unter eines Notars und glaubwürdigen Gezeugen Instrument und Schriften wahrhafte Urkund und Schein gebracht, solches auch mit ihren (der Gezeugen) geschworenen Eidenbestätiget.« Im Jahre 1424 bestätigte Papst Martin V. auf Ansuchen der Stadt die unvordenkliche Verehrung des Heiligen und verlieh den andächtigen Besuchern seines Grabes 7jährigen Ablaß. Dahin muß also die Angabe der meisten Schriftsteller, der genannte Papst habe den hl. Sebaldus canonisirt, berichtiget werden. Wie sehr die katholischen Nürnberger ihren großen Heiligen geehrt haben, beweiset das kostbare und prächtige Grabmal, welches sie noch vor ihrem Abfalle von dem Glauben ihrer Väter errichteten, und dessen Kosten sich auf 78,645 Ducaten beliefen. Der Künstler Peter Vischer arbeitete mit seinen fünf Söhnen dreizehn Jahre an demselben. Darauf sind Scenen aus seiner Legende dargestellt. Die Inschrift lautet: »Allein Got dem Allmächtigen zu Lob vnd St. Sebald, dem Himmelsfürsten zu Eren mit hilff frumer Leut an den allmussen bezalt.« Der Sarg, welcher in zwei Kästchen 18 und 91 Gebeine des Heiligen birgt, ist mit Silberblech überzogen und wurde im Jahre 1397 verfertiget. Einige seiner Reliquien kamen unter Kaiser Carl IV. nach Prag. Auch später noch schmückten die Nürnberger seine Grabstätte alljährlich, wahrscheinlich an dem Tage seiner ehemaligen Verehrung, mit Blumen; so tief war der fromme Brauch der Vorfahren eingewurzelt Derselbe ist trotz der »Reformation« zur Stunde noch nicht ganz ausgerottet. »Ausnahmsweise (warum?) sind wir Protestanten im Fall«, schreibt Löhe S. 139 in seinem »Martyrologium,« »das Grab eines ganz räthselhaften Heiligen hoch zu ehren und zu rühmen, ohne von seinem Leben und Sterben rechte Auskunft geben zu können.« Hiebei fragt man freilich: wenn diese Ehre schon einem »räthselhaften« Heiligen gezollt werden darf, selbst von Protestanten, warum nicht auch andern, deren Leben und Thaten sogar in die Tafeln der Weltgeschichte mit goldenen Buchstaben eingeschrieben sind? und warum wird diese Ehre im Handumdrehen abgöttisch und sündhaft, sobald sie von Katholiken geübt wird? Wird Gott etwas Unerlaubtes durch wahrhaftige und eidlich beschworene Wunder bestätigen, wie solche am »hochgeehrten« Grabe dieses Heiligen geschahen? Wir setzen bei, daß der Heilige vorzüglich als Nothhelfer schwangerer Frauen angerufen wird. Das zu seiner Verehrung bestimmte Kirchengebet lautet: »Gott! Allmächtiger, Ewiger, der du das Leben des heiligen Sebaldus im Durchgange durch die Trübsale dieser Zeit lobenswürdig gemacht hast: wir bitten dich, daß du auf seine Fürbitte dein Volk schützest und vertheidigest und nach dem Ablaufe dieses zeitlichen Lebens ins himmlische Reich einführest.« Jahrhunderte lang wurde dieses Gebet an seinem Grabe gesprochen; erst seit der sogen. Reformation unterblieb dieser löbliche Brauch. Es wäre interessant, zu erfahren, was etwa in diesem Gebete nicht evangelisch ist, und womit man dessen Unterlassung entschuldigen möchte. Abgebildet sieht man ihn vor seiner Zelle, unfern der Stadt Nürnberg, die im Hintergrunde sichtbar ist, im Walde predigen. Bürger und Bürgersfrauen der Stadt, auch Soldaten und Bauersleute hören andächtig seine Worte. In der Hand hält er den Pilgerstab. Manchmal hat er (zur Erinnerung an das Wunder mit dem Bauern oder an sein Begräbniß) zwei Ochsen neben sich. Auf seinem Grabmale zu Nürnberg trägt er das Modell der ihm geweihten Kirche in der Hand. Als sein Zeitalter bestimmen die Boll. im Allgemeinen das 8. Jahrh. Andere setzen sein seliges Ende bestimmt in das J. 801. In eben diese Zeit fallen, nach den Vermuthungen der Gelehrten, Nürnbergs erste Anfänge. Conrad Celtes ist der Meinung, daß er »ein wenig nach der Lebenszeit Carl d. Gr.«, also nach dem J. 814 in und um Nürnberg geprediget habe. (III. 762–775.)
http://www.zeno.org/Heiligenlexikon-1858. 1858.