Simeon, S. (2)

Simeon, S. (2)

2S. Simeon (Symeon), Stylites I. (5. Jan. al 2. Sept.) Dieser Heilige führt den Beinamen »der Stylite«, d. h. Säulensteher, von seinem eigenthümlichen Bußleben auf einer Säule, deren oberes Ende mit einem Gitter umgeben und so eng war, daß er weder liegen noch sitzen konnte. Sein wunderbares Leben ist von Zeitgenossen beschrieben worden und über allen Zweifel erhaben. Nicht bloß sein Schüler Antonius, sondern auch der Geschichtschreiber Theodoret und ein gleichzeitiger chaldäischer (syrischer) Priester, Namens Cosmas (Cosimus) (der Bearbeitung des Simeon Metaphrastes nicht zu gedenken) haben es beschrieben. Auch gründliche Bearbeitungen seines Lebens von Seite deutscher Gelehrten sind vorhanden. Die Schriften von Uhlemann und Zingerle müssen hier besonders genannt werden. Auch Butler, Kerz (in der Fortsetzung des Werkes von Stolberg), Marx und die Kirchenlexica von Wetzer-Welte und Aschbach sind nicht zu übergehen. Aus allen diesen Schriftstellern, die in der folgenden Skizze großentheils wörtlich benutzt sind, geht deutlich hervor, daß der hl. Simeon nicht so sehr aus eigenem Antriebe ein Säulensteher wurde, sondern von Gott zu diesem Berufe auserwählt war. Er war der Sohn christlicher Landleute Namens Hesychius (Susocion) und Mathane (Marabana, Martha) und erblickte zu Sisan (Sis, Sesan), einem an der Grenze von Cilicien und Syrien (Cyrrhestica) gelegenen Flecken, (ein anderer Ort d. N. befand sich in Arabien) bei Nikopolis, nicht weit vom Gebirge Amanus, im Jahre 390 oder 391 das Licht der Welt. Als Knabe mußte er die Schafe hüten, eine Beschäftigung, die in ihm den Grund zum beschaulichen Leben legte. Er war 13 Jahre alt, als einst in der Kirche die Worte der Herrn: »Selig sind die Trauernden, denn sie werden getröstet werden«, seine Seele mit unbeschreiblicher Sehnsucht nach dieser beseligenden Traurigkeit und der mit ihr verbundenen Herzensreinigkeit erfüllte. Außerdem hatte er bereits als Knabe die sich selbst abgebrochene Speise dazu verwendet, den Hunger Anderer zu stillen. So oft er konnte, besuchte er irgend eine in der Nähe gelegene Kirche, um im begonnenen Geistesleben sich mehr zu befestigen. Besonders rief er in einer den heil. Martyrern geweihten Kirche Gott oft und flehentlich an, sein Rathgeber und Führer zu sein und seinen Willen zur Erhaltung des erkannten Guten zu kräftigen. Um diese Zeit hatte er ein Gesicht, das er so zu erzählen pflegte: »Es schien mir, ich grabe Fundamente; eine Stimme rief mir zu, ich solle tiefer graben. Als ich ausruhen wollte, trieb sie mich sogleich wieder zur Arbeit an und wiederholte das viermal. Endlich hörte ich, die Fundamente seien tief genug, und ich könne jetzt ohne Besorgniß ein so großes und hohes Gebäude, als ich wolle, aufführen.« Ein anderes Mal, als der fromme Schafhirte sich wieder bei seiner Heerde befand, erblickte er in einem Traumgesichte einen Mann von ausgezeichneter Schönheit, in Licht gekleidet, eine Strahlenkrone um das Haupt. Dieser berührte ihn mit einem goldenen Scepter und weckte ihn aus dem sanften Schlummer, indem er ihn bei seinem Namen rief. Staunend sank er, am ganzen Leibe zitternd, mit inniger Andacht auf die Kniee. Die leuchtende Gestalt erhob ihn und redete ihn an: »Laß die Furcht, folge mir und höre meinen Auftrag. Der Herr will, daß durch dich sein Name verherrlichet werde, und hat dich zum Hirten und Führer seiner Heerde erwählt. Gesetze sollst du seiner Kirche geben und Viele vom Irrthum zur Wahrheit führen. So sollst du dir Ruhm bereiten; Könige, Obrigkeit und Volk sollen dir gehorsam sein. Zeige dich ihnen als Vorbild der Geduld und der vollkommenen Liebe, unterdrücke in dir Stolz und Hochmuth, und halte dich nicht für größer, als den Niedrigsten aus ihnen.« Dann wurde er in die Kirche der hl. Martyrer geführt. Bei seinem Eintritte in dieselbe kam ihm eine große Schaar Männer in glänzend leuchtenden Gewändern und Frauen in Purpur gekleidet von keuschem und züchtigem Ansehen entgegen. Sein Führer bezeichnete sie ihm als »die Männer und Frauen, die er Gott zuführen werde.« Ueber den Pforten des Tempels ruhte pfauenähnliches Geflügel und entfaltete bei Simeons Anblick seine Fittige; brüllende wilde Thiere, welche ihn gleichzeitig erschreckten, wurden besänftigt, sobald die himmlische Erscheinung sie mit mit ihrem Scepter berührte. Simeon trat ein, näherte sich dem Altare und betete. Hier erschien ihm ein ehrwürdiger Greis, von Ansehen glänzender als die Sonne, und von solcher Hoheit und Majestät, daß er ganz in sein Anschauen verloren war. Er rief und bestimmte ihn zu seinem Diener. Dieses Gesicht (Uhlemann, l. c. S. 24) war grundlegend für seine nachmalige Heiligkeit. Er trat alsbald in einem bei Teledas (Theladus) gelegenen dem hl. Eusebius geweihten Kloster, dessen Abt Timotheus hieß, wo ein naher Verwandter von väterlicher Seite seit bereits 35 Jahren lebte, in die Schule der Arbeit und der Verdemüthigung. Mehrere Tage lag er ohne die mindeste Nahrung vor der Klosterpforte auf dem Boden, bis die Vorsehung sie ihm aufthat. Er bat um die Bewilligung, den Mönchen dienen zu dürfen. Der Abt ließ ihn an den gemeinsamen Uebungen der Mönche Theil nehmen und befahl ihm deßhalb, den Psalter auswendig zu lernen. Er that es mit einem bewunderungswürdigen Eifer und wurde in kurzer Zeit ein so guter Ordensmann, daß alle Brüder ihn ehrten und schätzten. Nach zwei Jahren begab er sich, um eine höhere Stufe des nach Vollkommenheit strebenden Lebens kennen zu lernen, in ein anderes, zwischen Antiochia (j. Antakia) und Beröa gelegenes Kloster, wo man noch strenger lebte. Sein Bruder Semses begleitete ihn. Der Abt hieß Heliodorus. Sogleich erkannte man bei ihm das Bestreben, sich von keinem seiner Genossenin irgend einem Stücke übertreffen zu lassen. Nach dreitägigem Aufenthalte stellte ihn der genannte Abt dem damals gerade anwesenden Bischofe Maras von Gabala vor, der ihm die Tonsur gab. Bald zeigte sich aber bei Simeon wieder sein außerordentlicher Lebensberuf. Er begnügte sich nicht mit der engen Zelle, sondern machte im Klostergarten eine Grube, die ihm bis an die Brust reichte, und brachte in ihr, den glühenden Strahlen der Sonne ausgesetzt, den ganzen Sommer zu. Seine tägliche Nahrung betrug nicht mehr, als die Größe eines Eidotters. Um den Schlaf von sich abzuwehren, stellte er sich auf ein rundes Holz, welches er sich Nachts unter seine Füße band, so daß er bei dem leichtesten Anfalle des Schlafes das Uebergewicht verlor und zu Boden stürzte. Um dieselbe Zeit schnürte er auch den bloßen Leib von den Hüften bis an die Schultern mit einem rauhen, aus Palmenblättern geflochtenen Seile, das er von einem Eimer, mit welchem man Wasser aus dem Brunnen heraufzog, losgemacht hatte. Dadurch entstanden große Wunden, in welchen bald Würmer wuchsen, so daß sein Fleisch in Fäulniß überging, und einen pestartigen Geruch verbreitete. Das verwies ihm der Abt mit aller Strenge und sagte unter anderm: »Du bist noch nicht 18 Jahre alt; was hast du denn für Sünden, die du auf solche Weise büßen willst?« Dennoch willigte der Abt nur ungern in seine von den Mönchen oft geforderte Entlassung. Er schied mit dem Segen des Abtes, das dargebotene Geldgeschenk zurückweisend. Er bezog jetzt – und dieß war ein Schritt weiter zu seinem eigentlichen Berufsleben, nachdem er zuvor einige Wochen in einer verfallenen Cisterne zugebracht hatte, eine Einsiedelei am Fusse eines Berges bei Telanissa (Telanistus, Telnesche, Tel-Nesein) im Gebiete von Antiochia. Seine Wohnung war eine sog. Mandra, d. h. ein trockenes, dachloses Gemäuer, aus welchem er nicht herauskonnte. Er bezog es mit dem Vorhaben, vierzig Tage vollständig zu fasten. (Andere glauben, der Ort selbst habe Mandra geheißen.) Der Ortsgeistliche, non Einigen Chorbischof, non Andern Abt genannt, weil er die Mönche dieser Gegend beaufsichtigte, Namens Bassus. widerstrebte, indem er sagte, dieß sei eher eine freiwillige Tödtung, als ein wirkliches Tugendleben zu nennen. »Wohlan«, gab der Heilige zur Antwort, »lasse zehn Brode mit einem Krug Wasser hier; wenn ich Hunger spüre, will ich davon essen.« Es geschah. Als er nach 40 Tagen zurückkehrte, war Alles unberührt, aber der Einsiedler lag sehr ermattet und sprachlos auf dem Boden. Da nimmt der Priester einen Schwamm, befeuchtet ihm die Lippen und reicht ihm das Brod des Lebens. Hiedurch wurde er wundersam erquickt, stand auf und nahm etwas Speise zu sich. Der Ruf dieses abgetödteten Lebens, noch mehr aber die wunderbare Heilkraft, die sein Segen auf die Besucher ausübte, rief bald einen nie gesehenen Zulauf von Leuten hervor, die ihn sehen und seinen Segen empfangen wollten. Um sich aber den Zerstreuungen, die natürliche Folge dieser zahlreichen Besuche, zu entziehen, ersann eine ganz neue, beispiellos strenge Lebensweise. Er bestieg einen steilen, spitzigen Ort, den er mit einem ringartigen Aufwurf von Erde umgab, und schlang sich eine am andern Ende in den Felsen eingelassene Kette um den Kopf und um den rechten Fuß, so daß er genöthiget war, hier zu bleiben, wenn er auch selbst nicht gewollt hätte. Als aber der Bischof Meletius non Antiochia dieß mißbilligte und bemerkte, daß ein erzwungener Wille kein Wille sei, ließ er sich das Eisen durch einen Schmied wieder abnehmen. Im J. 423 (422) ließ er eine 6 Ellen hohe Säule errichten, auf welcher er vier Jahre lang lebte. Nach Umfluß dieser Zeit bestieg er eine andere, 12 Ellen hohe, und zuletzt eine dritte mit einer Höhe von 22 Ellen. Die letzten 22 Jahre seines Lebens (seit dem J. 429) brachte er auf einer vierten Säule zu, die 40 Ellen hoch war. (Bezüglich der Zahl und Höhe dieser Säulen stimmen die Berichte nicht mit einander überein.) Lebensmittel und andere Bedürfnisse wurden mittelst eines Seiles auf die Säulen befördert und von denselben herabgelassen. Man bestieg dieselben mittelst einer Leiter von außen. Das Gitter, welches die Styliten umschloß, ließ kanzelähnlich den obern Theil des Körpers frei, und war entweder von Holz (aus Brettern) oder gemauert. Den hl. Simeon scheint ein Gitter von Eisen umschlossen zu haben, da er sich öfter an demselben stieß und verwundete. So lebte er beständig unter freiem Himmel, Tag und Nacht betend, oft mit ausgestreckten Händen oder mit zum Boden geneigtem Haupte, so daß man zweifeln mochte, ob er wohl ein Mensch oder ein Geist in menschlicher Gestalt sei. Nach Beendigung eines langen Frühgebetes pflegte er zu predigen, zu rathen und zu segnen. War die Sonne untergegangen, so begab er sich wieder ins Gebet. Jede Woche einmal ließ er sich die heil. Communion reichen, was manchmal auch von Bischöfen geschah. Nur einmal wöchentlich nahm er Nahrung, in Wasser gesottene Linsen, zu sich. Während der 40tägigen Fasten aß und trank er gar nichts. Hiedurch sollte er auf derselben heil. Leiter wie Moses zum Throne Gottes emporsteigen. Sein rauhes Kleid aus Thierhäuten reichte bis über die Knöchel, eine Art Hut (cuculla, Mönchskappe, Kapuze) bedeckte das Haupt, um den Hals trug er eine Kette, das reiche Barthaar reichte bis tief in die Brusthöhle. Bedurfte er der Ruhe, so lehnte er sich an das Geländer. Stehend zu schlafen, fiel ihm lange Zeit schwer. In den ersten Jahren ließ er sich bei schwindender Kraft an einen Pfahl, der an der Säule angebracht war, anbinden, um nicht gezwungen zu sein, von derselben herabzusteigen. Nur Männern war der Zutritt zu ihm gestattet. Frauen wurden in den Umkreis seiner Säule nicht eingelassen. Diesem Verbote mußte sogar seine Mutter, die gekommen war, ihn zu sehen, sich unterwerfen. Seine Reden betrafen die Sünden seiner Zeit und die Nothwendigkeit der Buße, insbesondere die Heiligkeit des Eides, die Pflichten der Gerechtigkeit, die Laster des Wuchers und der Unzucht, die Besuchung der Kirchen, die Nothwendigkeit des Gebetes. Besonders kämpfte er wider den Aberglauben der Heiden, die blinde Hartnäckigkeit der Juden und die stolze Rechthaberei der Ketzer. Er wurde der sichere Hafen aller Bedrängten und Aller, welche den Versuchungen zur Sünde entgehen wollten. Die Polizei kümmerte sich nicht im geringsten weder um seine auffallende Lebensweise, noch um seine Predigten, noch um die großen Wallfahrtszüge zu seiner Säule, nicht einmal um die zwei klösterlichen Niederlassungen (Basiliken genannt) die sich aus seinen Schülern allmählich am Fusse seiner Säule ansiedelten. Vielmehr wendeten sich die Kaiser selbst an ihn um seinen Rath und um seine Fürbitte. Niemand wurde gezwungen, wegzubleiben oder zu kommen. Seine Worte hatten eine fast unwiderstehliche Kraft. »Als Heidenbekehrer« (Zingerle in W. W. K.-L. X. 151), »Prediger an die zahllos herbeiströmenden Massen, Friedensstifter bei Streitigkeiten, Anwalt der Unterdrückten, Helfer der Nothleidenden jeder Art war er unermüdlich angestrengt.« Ganze Völkerstämme: Araber, Perser, Iberier u. s. w. entsagten bei seiner Säule dem Götzendienste. Theodoret sagt hierüber: »Sie kommen in abgesonderten Haufen, bald 200, bald 300, bald 1000 an der Zahl und nachdem sie den hl. Büßer gesehen und seinen Unterricht angehört haben, zertrümmern sie ihre Götzen und lassen sich taufen. Ich selbst bin hievon Augen- und Ohrenzeuge.« Voll wachsamen Eifers sorgte er für die Sittlichkeit der umliegenden Gemeinden und für die Aufrechthaltung des wahren Glaubens. Freilich fand er auch Widerspruch und offenen Tadel. Man schimpfte ihn einen Narren, einen Heuchler, einen hochmüthigen Sonderling, einen wahnwitzigen Müssiggänger. Die Frommen dagegen gaben ihm alles nur mögliche Lob. Sie nannten ihn einen weisen Baumeister, einen geschickten Ackersmann, einen erfahrenen Steuermann, einen wachsamen Schiffer, einen siegreichen Kämpfer etc. Die Bischöfe und Aebte der Umgebung (nach Andern die ägyptischen Einsiedler) glaubten einmal, ihn einer öffentlichen Prüfung unterwerfen zu sollen. Sie ließen ihm durch einen Abgesandten den Befehl zukommen, seine Säule zu verlassen und auf den gewöhnlichen Weg der andern Diener Gottes zurückzukehren. Augenblicklich, ohne die geringste Widerrede schickte er sich an, herabzusteigen. Dieß war das verabredete Zeichen; der Abgeordnete sagte, daß man durch seinen Gehorsam die Reinheit seiner Absichten als bewiesen erachte, weßhalb er bleiben dürfe. Mehr als je war nun der Heilige überzeugt, daß diese Lebensweise ihm von Gott angewiesen war. Er fuhr also fort, in aller Demuth und Bußstrenge auf seiner Säule zu beten, zu fasten und die herbeikommenden Pilgerschaaren über den Weg in den Himmel zu belehren. Er heilte die Kranken, die ihn um Hilfe baten, durch seinen Segen, so daß sein Ruf sich in die ganze Welt verbreitete. Es fanden sich bei ihm fast jeden Tag Blinde, Lahme, Taube und Aussätzige, sowie Dämonische aus den entferntesten Gegenden ein, die er geheilt entließ. Auch abwesenden Kranken half er durch seine Fürbitte. Kinderlosen Eheleuten erflehte er den erwünschten Kindersegen. Als er einst über ein mit Oel gefülltes Gefäß den Segen sprach, fing das Oel im Gefäße an zu sieden und überzuströmen, so daß nicht Gefäße genug bei der Hand waren, um es aufzufassen. Ein jeder der Anwesenden ging reichlich versehen nach Hause und dieses gesegnete Oel bewahrte seine ihm dadurch zu Theil gewordene, heilende Kraft bis auf den letzten Tropfen. Einmal wurde ein kranker Priester zu ihm getragen. Die Träger gelangten am ersten Tage ihrer Reise bis zu dem Castell Scich. Um Mitternacht rief der Heilige, dem inzwischen hierüber besondere Erleuchtung zu Theil geworden war, einen seiner Diener zu sich, und befahl ihm, eilig ein Gefäß mit Wasser zu sich zu nehmen und nach Scich hinabzugehen, um dem Kranken im Namen Jesu Hilfe zu bringen. Dabei hatte er ihn zugleich genau unterrichtet, daß er denselben in der Vorhalle der Kirche finden werde. Bei seiner Ankunft fand der Abgesandte Alles so, wie der Heilige gesagt hatte. Der Kranke wurde mit dem gesegneten Wasser besprengt und war augenblicklich geheilt, so daß er am andern Tage ohne Hilfe zu dem Heiligen gehen und seinen Dank erstatten konnte. Auch der Staub zu seinen Füssen hatte Heilkraft, wie viele Beispiele bestätigen. Als einzige Bedingung verlangte der Heilige Glaube, Bekehrung und Buße. Aber auch in weite Ferne wirkte seine kräftige Fürbitte; mehr als einmal riefen ihn die Schiffer auf dem Meere mit Erfolg gegen die Heftigkeit der Stürme an. Ein Saracenenfürst, welcher herbeigekommen war, den Heiligen zu sehen, streckte seine Hände zu ihm empor, flehentlich bittend, er möge seinen kranken Bedienten, der ohne Schmerzen weder stehen noch liegen könne, gesund machen. Der hl. Simeon ließ den Kranken vor sich bringen und fragte ihn, ob er entschlossen sei, dem Götzendienste zu entsagen, und ob er glaube an Gott den Dreieinigen. Als der Kranke es bejahte, sprach der Heilige: »Wohlan, im Namen der drei göttlichen Personen stehe auf und trage deinen Herrn auf deinen Schultern nach Hause.« In dem nämlichen Augenblicke ward der Kranke so kräftig, daß er den Befehl wörtlich vollziehen konnte. Wenn er Jemand durch Gottes hohe Gnade geholfen hatte, sprach er: »Gehe heim und preise den Herrn, der dich gesund gemacht hat, und sage ja nicht, daß ich's gethan habe, auf daß du nicht in Strafe fallest.« Neben der Gabe der Krankenheilung verlieh ihm Gott auch die der Weissagung und der Unterscheidung der Geister. Seine Lebensgeschichte enthält Beispiele, aus welchen hervorgeht, daß er früher nie gesehene Personen erkannte und ihren Namen wußte, und daß es unmöglich war, ihn durch Heuchelei oder Verstellung zu hintergehen. Große Landplagen, wie Hungersnoth und Pest, die feindlichen Angriffe der Perser und Scythen auf das römische Reich sagte er voraus, und hielt sie durch sein Gebet zurück. Ein Erdbeben zu Antiochia, welches die ganze Stadt in Schrecken setzte, erklärte er als göttliche Strafe. Einmal sagte er das Herannahen ganzer Wolken von Heuschrecken voraus, setzte aber hinzu, daß sie keinen oder nur wenig Schaden anrichten werden. Alles dieß bestätigte der Erfolg. Er achtete so wenig auf Ehrenerweisungen wie auf üble Nachreden und Beschimpfungen, da ihm wohl bekannt war, daß sein Beruf und die Kraft, ihn zu erfüllen, nicht von ihm selbst, sondern von Gott kam. Er wirkte große Wunder, das größte war er selbst. Da Nestorius, der Urheber der gleichnamigen Ketzerei, in der Stadt Antiochia als Verbannter lebte, so war es augenscheinlich, daß der hl. Simeon von Gott berufen war, eben an dem Orte, wo die meiste Verlockung zur Ketzerei bestand, als Schutz und Hort der Rechtgläubigen aufzutreten. Wenn hiezu besondere Veranlassung gegeben war, griff er nöthigen Falls auch zur Feder. Ebenso schrieb der Heilige an die abendländische Kaiserin Eudoxia, welche der Eutychianischen Ketzerei ergeben war, und ihn um Rath und Hilfe in ihren Glaubenszweifeln gebeten hatte, daß sie nicht nöthig gehabt hätte, diese Belehrung in so weiter Ferne zu suchen, da doch ihr von Gott bestellter Lehrer Euthymius1, »der göttliche Mann«, ganz in der Nähe sei. Der Kaiser Marcian erschien persönlich vor seiner Säule. Dem Kaiser Leo I. (seit d. J. 457) schrieb er um das J. 457, daß in den Beschlüssen des Concils von Chalcedon der hl. Geist geredet habe; es sei unmöglich, daß eine so große Versammlung von Bischöfen (630) eine falsche Lehre verkündige. Aus derselben Veranlassung schrieb er auch an den Bischof Basilius von Antiochia, fest bei der wahren Lehre auszuhalten. Bücher oder Abhandlungen hat er nicht geschrieben. Als es sich darum handelte, ob den Juden zwei Synagogen, welche ihnen gewaltsam abgenommen und in christliche Kirchen umgewandelt worden waren, wieder zurückgegeben werden dürften, verneinte er dieß, weil diese Wiederherausgabe ein Sacrilegium in sich schlösse, bejahte aber die Verpflichtung, die ungerechter Weise Beschädigten auf andere Weise schadlos zu halten. Dreimal erblindete der Heilige, was er jedoch nur seinen Schülern unter dem Siegel des strengsten Stillschweigens offenbarte: »Es ist hinreichend, daß Gott es weiß, dessen Diener ich bin, und dessen Ruhm und Ehre ich einzig zu befördern mich bestrebe.« Nach 40 Tagen erhielt er jedesmal das Augenlicht wieder. Da der Heilige alle seine Verrichtungen fortsetzte, wurde dieses Leiden von Niemanden bemerkt. Besonders müssen wir noch seine unüberwindliche Geduld und sein unbegrenztes Gottvertrauen hervorheben. Deßwegen versagte er sich in seinen schweren Leiden alle ärztliche Hilfe und jede Erleichterung. Dem Kaiser Theodosius II., der für sein Leben fürchtete, schrieb er: »Du magst für mich beten. Ich habe das Vertrauen zu meinem Herr Jesus Christus, daß er seine Hand von seinem Diener nicht abziehen und es dahin kommen lassen werde, daß er von seinem Orte herabsteige. Denn Er weiß gar wohl, wie ich meine Seele Ihm ganz ergeben habe. Ich brauche keine Kräuter und Arzneimittel, auch nicht die Hilfe sterblicher Menschen. Von Ihm ist mir meine Heilung gewiß. Denn es gebietet der gütige Gott über das Gebilde seiner Hände, und Er kann es auch wieder herstellen und schützen.« (Uhlemann, l. c.). Es wird erzählt, der Satan habe einst in Gestalt eines Engels (oder wie Andere sagen in der Gestalt Christi), der in einem feurigen Wagen gesessen, ihn eingeladen, denselben zu besteigen, um so wie ein zweiter Elias in den Himmel zu fahren. Bereits habe er, durch die Erscheinung betrogen, einen Fuß ausgestreckt, um der Einladung zu folgen, als er noch zu rechter, Zeit sich mit dem Kreuze bezeichnete, worauf die Erscheinung verschwand. Um diese Regung des Stolzes zu bestrafen, sei er dann ein ganzes Jahr nur auf einem Fuße gestanden. Da seine große Demuth von allen Seiten einhellig bezeugt wird, darf man die gegen die Wahrheit dieser Erzählung erhobenen Zweifel schon aus diesem Grunde für berechtigt halten. Mit dieser Sage wollte man wahrscheinlich die Thatsache, daß er an einem Fuße eine klaffende Wunde hatte, in welcher zahlreiche Würmer wuchsen, ohne daß er je einmal darüber geklagt hätte, erklären. Eine Erweiterung dieser Sage ist, daß ein Wurm, der vom Fuße des Heiligen auf den Boden gefallen und von einem Saracenenfürsten aufgehoben worden war, in eine kostbare Perle verwandelt wurde. Gewiß ist, daß er sich selbst in seiner großen Demuth »einen elenden Wurm, eine unzeitige Frucht des Mönchslebens« nannte. Als der hl. Büßer 37 Jahre als »Säulensteher« auf diese Weise zur Ehre Gottes und zum Heile seiner Mitmenschen gelebt und gewirkt hatte, und das große Erdbeben, das seinem Ende, vermöge einer ihm zu Theil gewordenen Offenbarung vorausgehen sollte, eingetreten war, fühlte er, daß die Zeit seiner Auflösung nahe. Er kniete sich nieder, um sein Gebet zu verrichten, und starb. Es war der 2. Sept. d. J. 459, ein Mittwoch, als er, 69 Jahre alt, in die bessere Welt hinüberging. Am folgenden Freitag (oder Montag) brachte der Patriarch Martyrius von Antiochia in Begleitung von sechs Bischöfen und einer zahllosen Volksmenge seinen Leichnam, in die von ihm bisher getragenen Felle, wie er gewünscht hatte, eingehüllt, unter zahlreicher militärischer Bedeckung, nach Antiochia. Es erfolgten neuerdings wunderbare Krankenheilungen, weßhalb seine Verehrung, die schon bei seinen Lebzeiten in alle Länder, namentlich auch nach Rom gedrungen war, neuen Zuwachs erhielt und nie mehr aufhörte. Die erste Kirche unter seiner Anrufung soll schon Kaiser Leo I. erbaut haben. So gern derselbe den hl. Leib zu Constantinopel gehabt hätte, gab er gleichwohl den Bitten der Antiochener nach, welche ihn behalten wollten, damit er sie an Stelle einer Mauer durch seine Fürbitte schütze. Sein Name steht am 5. Jan. im Mart. Rom. Er wird, manchmal mit der oben erwähnten Erscheinung, auf einer Säule stehend, abgebildet. Sehr schön ist das Bildchen in der Solitudo, s. vitae P. P. Eremicolarum, wo seine Communion durch den Priester Bassus in der Mandra, im Hintergrunde die Säule, von zahlreichem Volke und vielen Zelten umgeben, dargestellt ist. (I. 261–278.)



http://www.zeno.org/Heiligenlexikon-1858. 1858.

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