Victor, S.S. (97)

Victor, S.S. (97)

97S. S. Victor et 3 Soc. M. M.. (21. al. 23. Juli). Die reiche und blühende Großstadt Marseille (Massilia) an den Rhonemündungen gehörte zu den Hauptsitzen römisch-heidnischer Macht und Herrlichkeit in Gallien. Götzendienst und Aberglaube jeder Art galt als Frömmigkeit; unbedingter Gehorsam gegen die Gesetze und Verordnungen der Kaiser als Reichstreue. Ebendeßhalb wurden die Christen als Gottlose und Verräther verfolgt. Sie standen außerhalb der Gesetze und wurden den unvernünftigen Thieren gleichgestellt, oft sogar noch schlechter behandelt, als diese. Als der Kaiser Maximian selbst dahin kam, schien für den christlichen Namen die letzte Stunde geschlagen zu haben. Damals benützte der christliche Hauptmann Victor die Stunden der Nacht, um die Wohnungen seiner Glaubensgenossen zu besuchen und ihre Herzen zur Standhaftigkeit in der Verfolgung durch den Hinweis auf die den vergänglichen Leiden nachfolgenden ewigen Freuden zu bestärken. Er übte dieses Liebeswerk nicht lange, als er schon ergriffen und vor Gericht gestellt wurde. Die Richter Asterius und Eutychius verfehlten nicht, ihm zu sagen, wie thöricht und vermessen es sei, für einen zum Tode verurtheilten Menschen den Gehorsam gegen den Kaiser außer Acht zu lassen und seine Gnade aufs Spiel zu setzen. Er entgegnete, er diene wie dem Kaiser so auch dem Könige der Ewigkeit, die angeblichen Götter seien nicht Götter, sondern böse Geister, er werde den Kampf für Christus eben so treu durchführen, als er bisher für den Kaiser gekämpft habe. Wahr sei, daß Christus als sterblicher Mensch freiwillig in den Tod gegangen sei, um das Menschengeschlecht durch diese Liebesthat wieder herzustellen, aber es sei nicht weniger wahr, daß Er am dritten Tage durch die Macht seiner göttlichen Natur wieder von den Todten auferstanden ist, und nach seiner Auffahrt in den Himmel von Gott, seinem Vater die beständig fortdauernde Herrschaft über Himmel und Erde empfangen hat. Der ganze Gerichtshof und der anwesende Volkshause schrie entsetzlich über die vermeintliche Keckheit dieser Rede, und fing an, ihn zu schelten und zu schmähen. Es sei unerhört, hieß es, daß ein Unterthan des Kaisers, den dieser geehrt und ausgezeichnet habe, noch dazu während seiner Anwesenheit in der Stadt, eine solche Sprache führe. Als man dem Kaiser hievon Kenntniß gab, gerieth er in die äußerste Wuth, und gab Befehl, den Widerspänstigen ihm sofort vorzuführen. Der Heilige aber erregte durch sein ruhiges festes Bekenntniß auch vor dem Richterstuhle des Kaisers allgemeine Verwunderung. Der Kaiser befahl, ihn mit gebundenen Händen und Füßen durch die Straßen der Stadt zu schleifen. Es geschah. Die Qual wurde vergrößert durch die Rohheit der Gottlosen, welche den heil. Martyrer dazu noch beschimpften und lästerten. So wurde er schrecklich zugerichtet wieder vor den Kaiser gebracht. Man machte ihm alle erdenklichen Vorstellungen, und vergaß nicht, besonders hervorzuheben, wie unvernünftig es sei, in der Hoffnung auf ungewisse Güter und zweifelhafte Versprechungen die sichere Gunst des Kaisers und ein ruhiges, freudenvolles Leben in so schmachvoller Weise hinzuopfern. Es wurde ihm gestattet, in längerer Rede seine Vertheidigung zu führen. »Wenn es sich,« sprach er, »um Beleidigungen wider den Kaiser und die Republik handelt, so habe ich niemals weder dem Kaiser noch der Republik zu Schaden gehandelt; niemals habe ich der Ehre des Reiches etwas entzogen oder für dessen Vertheidigung zu kämpfen unterlassen. Täglich opfere ich für das Wohl des Kaisers und des ganzen Reiches und ebenso schlachte ich täglich meinem Gott geistliche Opfer für den glücklichen Stand der Republik. Ich meine aber, daß es Allen durchaus widersinnig vorkommen wird, daß Jemand ein Ding so liebe, daß er hundert Mal Besseres demselben nachsetze. Und was erst dann, wenn man jenes Eine weder haben kann, wie man es wünscht, noch im Besitze sich seiner ohne Furcht erfreuen, und auch bei der grüßten Sorgfalt nicht für immer behalten kann? und wenn zugleich das hundertfache Bessere sogleich beim ersten Verlangen zur Hand ist, und es zu keiner Zeit, weder durch Abnahme, noch durch Gewaltthätigkeit zu verlieren? Also fordert die gesunde Vernunft und das Urtheil aller Verständigen, daß die Freundschaft der Großen, das weltliche Vergnügen, Ruhm, Ehren, Gesundheit, liebe Verwandte und alles Aehnliche, ja selbst das zeitliche Leben, was Alles weder nach Wunsch erworben, noch auf längere Zeit sicher in Besitz genommen werden kann, den unaussprechlichen und beständigen Freuden des ewigen Lebens und den Umarmungen des höchsten Urhebers aller Dinge nachzusetzen sind. Du brauchst Ihn nur zu lieben, um Ihn auch schon zu besitzen; wenn du Ihn aber besitzest, so hast du mit Ihm zugleich Alles.« Dagegen, fährt er fort, sei es offenbar sündhaft, die sogenannten Götter der Heiden zu ehren, da die Nachahmung ihrer Thaten todeswürdige Verbrechen wären, wie z.B. die Schlechtigkeiten Jupiters und seiner Schwester, der Götterkönigin Juno. Was sei es für eine Thorheit, zu glauben, daß sich göttliche Wesen Düngerhaufen und Mistgruben zu Tempeln erwählen, wie man glauben müßte, wenn die Sterculini und die Cloacinen wirkliche Gottheiten wären? daß Bilder aus Holz und Stein oder eine Darstellung aus Erz, so erhaben ihr Aussehen sein mag, wirkliche Götter darstellen, welche sich von den Mäusen und den Vögeln mit Koth beschmutzen lassen? Was seien es für Götter, welchen von ihren Verehrern keinerlei gute Thaten, sondern nur Schlechtigkeiten nachgesagt werden können und deren Dienst und Gnade wie das Alterthum so die Jetztzeit mit Uebelthaten und Unglück beflecken? Wie könnten angebliche Götter, welche wegen ihrer Lasterhaftigkeit unmöglich selig sein können, ihren Verehrern geben, was sie selbst nicht haben? Vielmehr folge aus der Verworfenheit der heidnischen Götter, daß sie Niemand verehren dürfe, wer nicht gleich ihnen ewig zu Grunde gehen wolle. Dann fährt er fort? »Wahrhaftig, überaus anbetungswürdig ist Christus, welcher uns, da wir seine Feinde waren, zuerst geliebt hat! Er hat die Betrügereien der schändlichen Götzen offenbar gemacht. Damit Er uns von denselben frei mache, ist Er Mensch geworden und als solcher erschienen, indem Er seiner Gottheit nichts entzog, wohl aber sie mit unserer Natur bekleidete. Damit Er auch uns ähnlich geworden, und obwohl der Reichste, als der Aermste zu uns gekommen. Sein Wandel als Mensch ist uns das Vorbild aller Tugend und Ehrbarkeit. Sein schuldloser Tod hat unsere Todesschuld für alle Ewigkeit vernichtet. Ihn, den mit unserer Schwachheit umhüllten Unschuldigen, hassen eure Götter oder vielmehr eure durchaus bösen Geister, welche diejenigen, welche sie getäuscht und für sich gefangen haben, zu Grunde richten. O wie reich ist die Armuth, welche ihr einwendet! Wann es ihr gefiel, hat sie bloß auf ihr Wort die Schiffe mit Fischen angefüllt und eine Schaar von 5000 Menschen mit fünf Broden gesättiget. Wie stark ist jene Schwachheit, welche unser Aller Schwachheiten geheilt hat! Wie lebensvoll die Sterblichkeit, welche so viele Todten erweckt hat! In Ihm ist nichts, was zu tadeln wäre, aber Alles in Ihm ist lobenswerth, dessen Liebe Alle aufnimmt, dessen Gericht Niemand entgeht. Was ist heiliger, als sein Leben? was gewisser, als seine Lehre? was ist nützlicher, als seine Versprechungen und was ist schrecklicher, als seine Drohungen? wo ist mehr Sicherheit, als unter seinem Schutze? mehr Lob, als bei seiner Freundschaft? was ist seliger, als seine Herrlichkeit? Wer unter euren Göttern läßt sich mit Ihm vergleichen, ist Ihm ähnlich?« Er schloß mit der Aufforderung an alle Verständigen, daß sie doch die falschen Götter, welche in Wirklichkeit Teufel seien und ihren Verehrern den Untergang bereiten, verlassen, und sich dem Einen wahren Gott, dem Schöpfer aller Dinge und dem Urheber aller Glückseligkeit zuwenden möchten. Die Richter erwiderten, daß hier nicht eine philosophische Disputation, wie er zu glauben scheine, stattfinde, sondern die Frage sei, ob er den Gesetzen des Kaisers sich unterwerfen und die beleidigten Götter versöhnen, oder ob er dieses verweigern und elend zu Grunde gehen wolle. Der Heilige antwortete: »Ihr wollet also, daß ich durch mein Beispiel beweise, was ich in Worten gesagt habe. Wohlan, ich verachte eure Götter, ich bekenne Christus! Foltert mich dafür und häufet eure Martern, so viel ihr könnet.« Es geschah. Während der Folter rief er zu Jesus um die Gabe der Geduld und Standhaftigkeit, und empfing den Trost, daß der Herr ihm erschien, das Kreuz in den Armen, sprechend: »Friede sei mit dir, lieber Victor! Handle männlich und sei stark! Ich bin im Kampfe dein kräftiger Helfer und nach dem Siege dein treuer Belohner im Himmel!« Als die Richter sahen, daß sie nichts ausrichteten, und die Henker ermüdet waren, befahl Asterius, welcher den Handel zum Austrage bringen mußte, den Heiligen unter Bewachung von drei Soldaten in Dunkelarrest zu bringen. Aber plötzlich wurde die Nacht zum hellem Tage, und es ertönten englische Gesänge. Die Wächter Alexander, Longinus und Felicianus bekehrten sich und empfingen die heil. Taufe. Auch ihnen drohte deßhalb der Tod. Aber der hl. Victor sprach ihnen so kräftig zu, daß sie mit Freuden ihre Häupter dem Richtschwerte darboten. Umsonst hatten die Heiden verlangt, daß der Heilige sie zum Dienste der Götter wieder zurückführe. Er antwortete: »Was ich selbst gebaut habe, darf ich nicht wieder niederreißen!« Es folgten neue, schreckliche Folterqualen und dreitägiges Gefängniß, was Alles der Heilige geduldig ertrug, indem er mit vielen Thränen dem Herrn sein Martyrium aufopferte. Hierauf ließ ihn der Kaiser selbst vorführen und nach vergeblichem Zureden einen Altar mit dem Bilde des Jupiter herbeischaffen. Lege Weihrauch ein, sprach er zu ihm, und versöhne den Gott, und du sollst mein Freund sein! Auf diese Rede erglühte der hl. Victor von heiligem Zorne; er stieß den Altar sammt dem Bilde um, und setzte seinen Fuß darauf, den ihm der Kaiser sofort abhauen ließ. Es war das Erstlingsopfer, das er dem Heilande von den Gliedern seines Leibes darbringen konnte. Bald hernach wurde er gewürdiget, auch das Opfer der übrigen zu bringen. Der Kaiser befahl, ihn unter die Mühlräder zu bringen und von denselben zerquetschen zu lassen. Als dieselben plötzlich stille standen, man wußte nicht wie, schien er noch etwas zu athmen, weßhalb man ihm den Kopf abschnitt. Die Körper der heil. Martyrer sollten ins Meer geworfen werden, um den Fischen als Speise zu dienen, die Schiffe erreichten aber durch göttliche Fügung das andere Ufer, so daß sie eine ehrenvolle Ruhestätte erhielten. So weit die Acten; rühren dieselben auch nicht von Augen-und Ohrenzeugen her, so sind sie doch nach dem Urtheile der Gelehrten schon im Anfange des 5. Jahrh. entstanden, und haben also hohes Alterthum anzusprechen. Die Reliquien des heil. Victor und seiner Gefährten standen zu Marseille stets in großen Ehren und im Rufe der Wunderkraft. Als Todesjahr der Heiligen war entweder das J. 290 oder 303 angenommen worden; in diesen Jahren hielt sich Maximian zu Marseille einige Zeit auf. An der Kirche St. Victor entstand später ein bedeutendes Benedictinerstift. Ein Jüngling, der an seinem Grabe betend den Geist aufgab, Deutherius (Eleutherius) genannt, wird von einigen Martyrol., nicht aber im Mart. Rom. diesen heil. Martyrern zugesellt. Auch zu Paris entstand ein Kloster s. N., welches einen Fuß des Heiligen als kostbare Reliquie verehrte, und die Uebertragungsfeier alljährlich am 23. Juli beging. Dermalen sind die hl. Reliquien alle, bis auf wenige Reste, verloren. Der hl. Victor wird als Soldat mit der Palme, im Hintergrunde eine Windmühle, öfter auch mit den drei Soldaten, welche er bekehrt hatte, oder auch wie er den Opferaltar Jupiters niederwirft, abgebildet. (V. 135–162.)



http://www.zeno.org/Heiligenlexikon-1858. 1858.

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