Otto, S. (2)

Otto, S. (2)

2S. Otto, Ep. Conf. (2. al. 3. Juli, 30. Juni, 30. Sept., 2. Oct.). Dieser hl. Otto, Bischof von Bamberg und Apostel der Pommern, war in der That was sein Name sagt, ein Hut, ein treuer Wächter über sich und Andere in allen Verhältnissen seines wechselvollen Lebens. Er wurde wahrscheinlich um das Jahr 1060 geboren. Sein Vater, schreibt Andreas, hat Berthold geheißen und ist ein Graf von Andechs gewesen; seine Mutter aber Adelheide und war aus dem Geschlechte der Grafen von Eberstein. Diese Angabe ist irrig und erst seit dem sechzehnten Jahrhunderte aufgekommen. Andere meinen mit mehr Recht, daß sein Vater Otto von Mistelbach und seine Mutter Sophia oder Adalheid geheißen habe, deren Geschlecht sie nicht namhaft machen, obwohl sie es gleichfalls für sehr alt und vornehm ausgeben. Sehr wahrscheinlich ist, daß jenes Mistelbach das heutige Müsselbach am Bodensee ist, wo auch Albuch, jetzt Buch, liegt, in dessen Kirche die Eltern des Heiligen beigesetzt wurden. Hienach ist auch die Ansicht, der Vater des Heiligen sei ein Graf von Albeck gewesen, schwankend geworden. Die Eltern waren allerdings adelig, aber arm, jedoch sehr fromm und nach Kräften freigebig. Eben deßhalb bemühten sie sich, dem Knaben eine gute und christliche Eeziehung zu geben. In den Geistes- und Gemüthsanlagen des Knaben fanden sich hiefür Anknüpfungspunkte in großer Zahl. Er zeigte nicht bloß reiche Talente, sondern auch Neigung zu tiefer und inniger Frömmigkeit. Daß er nach sorgfältiger Vorbereitung im elterlichen Hause in irgend eine Klosterschule, vielleicht nach Reichenau oder Mehrerau kam, dürfte keinem Zweifel unterliegen. Der heranblühende Jüngling war von hohem Wuchse und schöner Gestalt, in seinem schönen Antlitz leuchtete freundlicher Ernst, sein ganzes Wesen flößte Liebe und Achtung ein, denn man erkannte bald, daß er in erstaunlicher Weise den Geist der Weisheit und des Verstandes besaß. Seine Eltern starben frühzeitig, ohne den Söhnen ein reiches Erbe zu hinterlassen; doch konnte der ältere Bruder ihm einigermaßen (tenuiter) unter die Arme greifen. Seine Bildung muß aber damals schon nahezu vollendet gewesen seyn, denn er begab sich um diese Zeit nach Polen, in die Stadt Krakau, um daselbst eine Schule zu eröffnen. Die Veranlassung hiezu ist noch nicht aufgeklärt. Am natürlichsten wäre die Annahme, daß er vorher beim Abte Heinrich in Würzburg in Dienste getreten sey, welcher bald darauf als Erzbischof nach Polen berufen wurde, wenn ihr nicht zahlreiche und gewichtige Gründe entgegenständen. (Näheres bei Sulzbeck, S. 342 u. 343). Gewiß lag im Plane der Vorsehung eine derartige Verwendung des jungen Theologen in diesen Gegen den, da er hier für seinen spätern Beruf offenbar besser angeregt und gebildet wurde, als es irgendwo anders der Fall seyn konnte. Damals herrschte Wladislaw Hermann, vom J. 1079 bis 1102, in diesem Lande an der Stelle seines Bruders Boleslaw, aber auf den Königstitel verzichtend, stellte er die Ordnung wieder her, war freigebig gegen Kirche und Geistlichkeit und schützte die Gläubigen in Ausübung ihrer religiösen Pflichten. Die erste Sorge des hl. Otto war, die polnische Sprache zu erlernen, die er sich bald vollkommen aneignete. Die von ihm eröffnete Schule erhielt zahlreichen Zuspruch; die Reichen aus dem Bürgerstande, wie die Vornehmen und Adeligen des Landes übergaben ihm ihre Söhne. Daneben suchte er sich selbst in den theologischen Wissenschaften vollends auszubilden, so daß er die hl. Priesterweihe empfangen konnte. Der Ruf seiner Gelehrsamkeit und Frömmigkeit stieg immer höher, so daß nicht allein die höhern Familien des Landes seinen Rath und seine Freundschaft suchten, sondern auch die Bischöfe bei ihren Functionen ihn gern an ihrer Seite sahen. Seine Einkünfte mehrten sich, er blieb aber sparsam und theilte sein Einkommen mit den Armen und Bedürftigen. Der Segen Gottes ruhte auf Allem, was er unternahm. Auch am Hofe des Herzogs Wladislaw Hermann genoß der Heilige volles Vertrauen; er wollte ihn in seiner nächsten Umgebung besitzen und machte ihn zu seinem Caplan. Als die Herzogin Judith am 27. Dec. 1085 im Wochenbette starb, stand er ihr tröstend und berathend zur Seite. Seinem Einflusse wurde es zugeschrieben, daß der verwittwete Herzog sich in Sophie (Judith), Königin-Wittwe von Ungarn, (ihr Gemahl Salomon, von welchem sie längere Zeit getrennt lebte, war im J. 1087 ermordet worden), Schwester des Kaisers Heinrich IV. eine neue Braut erkor. Er kam als Brautwerber an den kaiserlichen Hof und die Hochzeit wurde im Jahre 1088 mit großer Pracht gefeiert. Auch später wurde er noch öfter zum Kaiser gesendet, theils um ihm Geschenke zu überbringen, theils um in wichtigen Dingen durch persönliche Besprechungen einen günstigen Erfolg zu erzielen. Um jene Zeit soll der heil. Otto in Würzburg zur Aufnahme armer Reisenden ein Spital (Pilgerhaus) gegründet oder dessen Gründung mindestens sehr befördert haben. Um das Jahr 1095 finden wir den hl. Otto am Hofe des Kaisers Heinrich IV. Von allen Seiten verlassen, hatte dieser an seine Schwester geschrieben, sie möge ihm ihren Caplan überlassen. Schweren Herzens willfahrten die kaiserliche Schwester und ihr herzoglicher Gemahl diesem Ansuchen, und der hl. Otto folgte diesem Rufe mit bangem Gemüthe. Er ging mit dem festen Entschlusse, dem Kaiser treu zu dienen, aber eben so fest der katholischen Kirche und ihrem Oberhaupte anzuhängen. Als der Kaiser von ihm verlangte, daß er mit ihm täglich die Psalmen singe, war er darüber so erfreut, daß er eine Sammlung von Psalmen, Hymnen und Gebeten zum Gebrauche des Kaisers für alle Tage des Jahres zusammenstellte. Offenbar war es sein Bemühen, den glimmenden Funken der wahren Frömmigkeit in dem Herzen seines Herrn neu anzufachen. Eines Tages überraschte er ihn mit einem neugebundenen Psalterium, da der alte Einband schon sehr abgenützt war. Von setzt an gedachte der Kaiser »auch ihn von dem Kleide der Armuth zu befreien.« Der ganze Hof, namentlich die Geistlichen, wurden durch das fromme und zugleich anspruchslose Betragen des Heiligen erbaut und angezogen. Wie gebildet er war, erhellet auch daraus, daß ihn der Kaiser zum Kanzler und zum Baumeister an der Domkirche zu Speier ernannte. Als solcher entwarf er den Plan für das Maß und die Structur der Fenster des Doms und hielt sich um jene Zeit meistens in Speier auf, wo er bei einem reichen und frommen Bürger, Namens Anselm, dessen Sohn Richard er später zu sich nahm, wohnte. Der Dombau schritt seiner Vollendung rasch entgegen; dieselbe soll im Jahre 1097 erfolgt seyn. Schon im Jahr vorher, als eben der bischöfliche Stuhl von Augsburg erlediget war, wollte ihn der Kaiser auf denselben befördern, aber der hl. Otto nahm die Würde nicht an, denn der Kaiser lag im Bann und wollte sich mit der Kirche weder versöhnen, noch auf sein angebliches Recht, die Bischofssitze zu verkaufen und die so Ernannten mit Ring und Stab, den Symbolen des geistlichen Amtes, zu belehnen, Verzicht leisten. Daher weigerte sich der hl. Otto neuerdings, als der Kaiser ihn im J. 1101 zum Bischof von Halberstadt erheben wollte, indem er seine Unwürdigkeit vorschützte, benützte aber seinen Einfluß als Kanzler, um den Kaiser zu bewegen, überall den Grundsätzen des Rechts und der Gerechtigkeit Geltung zu verschaffen, und war auf Aussöhnung der Gegensätze in Staat und Kirche ernstlich bedacht. Leider haben uns die Geschichtschreiber außer dieser allgemeinen Andeutung nichts überliefert, was dazu dienen könnte, sie mit Beispielen zu belegen. Daß der hl. Otto sich herbeilassen mußte, so lange am Hofe dieses Kaisers zu bleiben, und sogar mit ihm communicatio in sacris zu pflegen, machte ihm selbst oft große Beschwerde. Nachdem Bischof Rupert von Bamberg am 11. Juni d.J. 1102 gestorben war, ernannte der Kaiser nach sechsmonatlicher Bedenkzeit seinen Kanzler zum Bischof dieser Stadt. Die Gesandten der dortigen Kirche: der Dompropst Egilbert, der Dechant Adelbert, Propst Eberhard von St. Jakob und viele andere angesehene Männer des geistlichen und weltlichen Standes zeigten sich hierüber nicht wenig verwundert. »Wir hofften,« sprachen sie, »einen von den Herren und Fürsten des kaiserlichen Hofes als Bischof zu erhalten, der von hohem Adel und uns bekannt wäre. Von diesem aber wissen wir nicht, wer und woher er ist.« Der Kaiser entgegnete: »Auf daß ihr wissen möget, wer er ist, so sag' ich euch, daß fest beschlossen ist: ich bin sein Vater und Bamberg ist seine Mutter. Ich bezeuge vor Gott, der Alles weiß und regiert, daß ich keinen Menschen kenne, der dazu geschickter ist, als dieser. Wer ihn anrührt, der rührt meinen Augapfel an.« Jetzt waren alle einverstanden, nur der heil. Otto nicht. Er fiel auf seine Kniee, weinte bitterlich, und begehrte wieder, daß der Kaiser einen Andern erwähle, der würdiger wäre, als er. Dießmal drang er nicht mehr durch. Aber er machte unmittelbar nach seiner Belehnung mit den bischöflichen Insignien das heil. Gelübde, das bischöfliche Amt in keiner Weise zu behalten, wenn er nicht mit Einstimmung des Klerus seiner Kirche die bischöfliche Weihe und Investitur aus den Händen des Papstes selbst erhielte. Seine Erhebung auf diesen bischöflichen Sitz war für Sadt und Bisthum ein großer Segen. Beide waren sehr herabgekommen, die Stiftsgüter theilweise in fremden Händen, theilweise zersplittert, die Geistlichen entsittlicht, das Volk geärgert und in Verwirrung gebracht. Dazu kam der unglückliche Brand am 3. April des J. 1081, welcher die Domkirche bis auf die Mauern zerstörte, die fortdauernde Uneinigkeit zwischen Kaiser und Papst, welche ganz Deutschland in einer fieberhaften Spannung erhielt. Gegen Ende des Januar 1103 begab sich der heil. Otto in Begleitung der Bischöfe Herimann von Augsburg und Ennhard von Würzburg mit vielen andern Großen in sein Bisthum. Zu Ampferbach wurde er glänzend empfangen. Als der festliche Zug an dem Orte ankam, von wo aus man die Thürme des Domes erblicken konnte, stieg er vom Pferde, zog die Schuhe aus und ging ungeachtet der Februarkälte, des Schnees und Eises mit bloßen Füßen in die Stadt zu der St. Georgenkirche. Das Blut rann wegen der grimmigen Kälte von den Füßen des hl. Mannes. Nachdem er in den bischöflichen Palast eingezogen war, brachte man ihm warmes Wasser, er aber begehrte kaltes, weil er die Schädlichkeit des warmen Wassers in diesem Falle wohl kannte. Schon nach wenigen Tagen sendete er durch einen eigenen Gesandten ein Schreiben an den Papst Paschalis II., in welchem er demüthig dessen Hilfe erflehte, »weil das Fundament aller kirchlichen Würde und der Religion auf Christus, dem Felsen, und auf Petrus, seinem Jünger, und dessen Nachfolgern ruht.« Der Papst, über diese damals so seltene Anhänglichkeit und Demuth hoch erfreut, lud ihn sofort nach Rom ein, wo er ihm alsbald die bischöfliche Weihe und Gewalt ertheilen werde. Da sich die Romreise verzögerte, gab ihm der Papst den Auftrag, sich von seinem Metropoliten, dem Erzbischofe von Mainz, weihen zu lassen. Der hl. Otto that es nicht, sondern begehrte neuerdings, seinem Gelübde entsprechend, von dem Papste selbst die Weihe zu erlangen. Sein Wunsch wurde befriediget, als in den ersten Tagen des J. 1106, nachdem Kaiser Heinrich IV. von seinem Sohne Heinrich V. gezwungen worden war, der Reichsregierung zu entsagen, eine Gesandtschaft nach Rom gesendet wurde, um den Frieden zwischen Kirche und Reich zu befestigen, denn auch der hl. Otto befand sich unter diesen Gesandten. Er kam glücklich nach Italien. Heinrich IV. selbst scheint seine Reise begünstigt zu haben, obwohl er Anstalt getroffen hatte, daß die übrige Gesandtschaft gefangen genommen und zurückgehalten wurde. Der hl. Otto feierte bereits das Himmelfahrtsfest zu Rom und begab sich dann zum Papste nach Anagni. Vor ihm resignirte er feierlich die bischöfliche Würde, legte Ring und Stab zu seinen Füßen und er klärte unter vielen Thränen, er halte sich von Simonie nicht frei, indem er so lange Zeit dem Kaiser an seinem Hofe gedient und dieser das Bisthum wegen seiner Dienstleistung ihm übertragen zu haben scheine. Unter Schluchzen flehte er dann um Verzeihung seines Fehltrittes und bat um Bestrafung, obwohl er nicht mit eigenem und freiem Willen gefehlt habe. Umsonst hieß ihn der Papst die bischöflichen Insignien wieder zurücknehmen; er sei, sagte er, ein Sünder und derselben unwürdig. Die folgende Nacht und den nächsten Tag betete er ununterbrochen, und kam zu dem festen Entschlusse, auf alle Ehren und Würden beständig und vollkommen Verzicht zu leisten, und trat frohen Herzens alsbald die Heimreise an. Aber zu Sutri holten ihn päpstliche Boten ein, welche ihn wieder zum Papste riefen. Der Heilige gehorchte und empfing im Gehorsame gegen das Oberhaupt der Kirche am heil. Pfingsttage, den 13. Mai d.J. 1106, in der Domkirche zu Anagni aus den Händen des Papstes gegen seinen Willen die bischöfliche Consecration, und zwar ohne daß ihm, was eine bisher unerhörte Auszeichnung war, irgend ein Eid abgenommen worden wäre. Der Papst zeigte dem Metropoliten Ruthard von Mainz die vollzogene Weihe an, die er in Anbetracht der beschwerlichen und gefahrvollen Reise des Geweihten, auf die ausdrückliche Bitte der Bamberger Kirche und in Erwägung, daß dieselbe von ihrer Gründung an, vermöge ihrer Exemtion zu der römischen Kirche in besonders nahem Verhältnisse gestanden sei, unbeschadet der Metropolitan-Rechte des Erzbischofs von Mainz, ertheilt habe. In gleicher Weise schrieb der Papst auch an die Geistlichkeit und das Volk des Bisthums Bamberg und empfahl den Neugeweihten ihrer Verehrung und vertrauensvollen Liebe. Der hl. Otto selbst kehrte nach längerem Verweilen in Italien durch Kärnthen, wo sich viele dem Bisthume gehörige Güter befanden, zu seiner Heerde zurück. Auch er hatte übrigens, was zu Anagni geschehen war, nach Bamberg geschrieben und zum Gebete für ihn aufgefordert, um Alles durch Gott vollbringen zu können, ohne welchen er Nichts vermöge. Als der Heilige im December nach Regensburg kam, war Heinrich IV. gestorben und sein Sohn Heinrich V. hielt dort zu Weihnachten eben einen Fürstentag. Der fromme Bischof wählte, um ungestört der Betrachtung und Beschaulichkeit obliegen zu können, vielleicht auch weil er den Kaiser ihm wegen seines rückhaltslosen Anschlusses an das Oberhaupt der Kirche nicht sehr geneigt glaubte, seinen Aufenthalt außerhalb der Stadt, wo er unter zwei Nußbäumen sein Zelt aufschlug. Ein Gesicht, ähnlich jenem des Patriarchen Jakob, veranlaßte ihn, hier ein Kloster – das nachmalige Priefling (Prüfening) zu stiften. (Vgl. Ratisb. mon. I. 254, wo die Jahrzahl 1109 angegeben ist.) Wie ein Engel des Himmels wurde er im Anfang des Jahres 1107 in Bamberg empfangen. Aber warum hätte man sich seiner nicht freuen sollen, da nicht bloß Alle wußten, daß er entschlossen war, mit Aufwendung aller Kräfte, sa sogar mit Hinopferung seines Lebens die ihm anvertraute Heerde zu weiden, sondern auch sein ganzes Vorleben die beste Bürgschaft bot, daß er wie kein anderer diesen Vorsatz zu erfüllen im Stande sei. In der That hielt er sich, so viel in jenen Zeiten möglich war, von weltlichen Geschäften und Händeln fern, und bestrebte sich, dem geistlichen Leben ganz und vollkommen zu obliegen. Nicht als ob er die zeitlichen Angelegenheiten, die bischöflichen Rechte und Einkünfte, und die schuldige Obsorge für die Unterthanen im geringsten bei Seite gesetzt hätte! Er entzog vielmehr gar Nichts seiner Sorgfalt: Brücken und Straßen, Mauern und Wasserleitungen, die öffentliche Sittlichkeit und Sicherheit, Kranke, Arme und Waisen, die Cultur des Geistes wie des Landes seiner Bisthumsangehörigen lag ihm am Herzen. Bis nach Pommern, in die Gegend um Frauenberg, trug er mit dem Evangelium auch den Weinbau. Aber für sich selbst schien er kein Bedürfniß zu haben. Liebe zur Armuth in der Kleidung, äußerste Mäßigkeit in der Nahrung, große Strenge im Nachtwachen und in Anwendung von Bußwerken, Verdemüthigungen jeder Art, zu welchen er besonders seinen oftmaligen Aufenthalt im St. Michaelskloster benützte, wo er den Brüdern am Altare, in der Sakristei und am Tische diente, zeichneten ihn aus. Immer stand er fast nüchtern vom Mahle auf, und pertheilte die aufgesetzten Speisen an Kranke, Arme und Bettler. Er schämte sich nicht, um reichlichere Almosen geben zu können, selbst in geflickten Kleidern und Schuhen einherzugehen; »die Einkünfte der Kirche,« sprach er, »sind Almosen der Gläubigen, man darf sie nicht zur Eitelkeit verschwenden.« Auch den Leib nahm er in harte Zucht; er geißelte sich selbst oder ließ sich von den Hausgeistlichen in abgelegenen Kammern geißeln, daß oft das Blut über die Lenden herabfloß. Wie aber die Sonne, sagt der Biograph, alle übrigen Sterne durch ihren überwältigenden Glanz verdunkelt, so setzte seine überaus große Wohlthätigkeit und Freigebigkeit, die seinem liebeglühenden Herzen entsprang, alle andern Tugenden gleichsam in den Schatten. Er predigte und lehrte in allen Kirchen des Bisthums für Erwachsene und Kinder, und gewann durch seine rührenden Vorträge eine solche Gewalt über die Herzen, daß in seinem Bisthum schon bald ein erfreulicher Umschwung zum Bessern fühlbar wurde. Er war eifrig beflissen, die Geistlichkeit zu reformiren, ihr Liebe und Eifer zu den Wissenschaften einzuflößen, die Domschule und jene auf dem Michaelsberge wieder in bessern Stand zu bringen, und besonders die Anhänglichkeit an den römischen Stuhl zu befestigen. Wie er selbst unwandelbar, mitten unter den Kämpfen zwischen Heinrich V. und dem Papste, zum Oberhaupte der Kirche stand, ohne seine Pflichten gegen das Reichsoberhaupt zu verletzen, so wollte er es auch von den Untergebenen. Ganz besondere Sorgfalt widmete er den Klöstern; er reformirte die bestehenden und errichtete neue.8 Der Dom, welcher unter seinem Vorgänger Rupert am 3. April des J. 1081 bis auf die Mauern abgebrannt und von demselben theilweise wieder aufgebaut worden war, erhielt durch ihn seine Vollendung. Das herrliche Gotteshauswurde wahrscheinlich noch im J. 1111 nach seiner Rückkehr von Rom, wo der heil. Otto am 13. April der Kaiserkrönung beigewohnt hatte, feierlich consecrirt. Zwei Jahre vorher war durch ihn die St. Jakobskirche vollendet und eingeweiht worden. Im Bereich des Bisthums zählte man überhaupt in kurzer Zeit vierzehn von ihm erbaute neue Kirchen. Die Kirche auf dem St. Michaelsberge, welche am 3. Jan. 1117 durch ein Erdbeben großen Schaden gelitten hatte, ließ er abbrechen und durch seinen Baumeister Babo in größerm Umfange wieder aufführen, und ebenso baute er das baufällige und feuchte Kloster von Grund aus neu. Er baute ferner die Marienkirche, sowie die Capelle des hl. Bartolomäus und des hl. Oswald und übergab sie dem Kloster. Am Fuße des St. Michaelsbergs gründete er ein Spital zur Aufnahme für Arme und Fremdlinge und baute daneben die St. Aegydienkirche. Sie wurde, wie die St. Michaelskirche, am 11. Sept. 1121 eingeweiht. Der heil. Otto muß sehr regen Antheil an der Herstellung des Friedens zwischen Papst und Kaiser genommen haben, da ihn letzterer nach geschlossener Uebereinkunft auf der Rückreise von Worms mit der Stadt Kronach beschenkte. Am berühmtesten ist aber der hl. Otto durch seine apostolischen Arbeiten in Pommern geworden. Im J. 1123 erging an ihn durch den frühern Missionär-Bischof Bernhard, welchen die Pommern wegen seiner Armuth abgewiesen hatten, im Kloster St. Michael die erste Anregung zu diesem Werke. Bald darauf kam ein Brief des Polenherzogs Boleslaw, welcher dieselbe Einladung enthielt, und noch dazu volle Unterstützung an allem Nöthigen: Reisegefährten, Dolmetscher, mitwirkende Priester versprach. Der heil. Otto wurde von einem Freudenschauer ergriffen, als er den Brief las, und war sogleich entschlossen, das Werk in Angriff zu nehmen, wenn er hiezu Segen und Vollmacht vom Papste erhielte, die ihm dieser mit Freuden gewährte. Sogleich begann er die nöthigen Vorbereitungen zu treffen: er ordnete die Bisthumsangelegenheiten, stellte seinen Freund Wigand, Abt des Klosters Theres, als Verweser auf, besorgte die zum heil. Opfer und zur Spendung der Sacramente nöthigen Gefäße nebst vielen und kostbaren Seidenstoffen, Tüchern u. dgl., um den Vornehmen des Volkes entsprechende Geschenke machen zu können. Denn schon Bernhard hatte ihm gesagt, daß er mit Glanz, Reichthum und zahlreichem Gefolge erscheinen müsse, um bei diesem Volke etwas auszurichten. Als Tag der Abreise bestimmte er den 17. April d.J. 1124, obwohl eben damals der Kaiser mit den Reichsfürsten in Bamberg anwesend war und Reichstag hielt. Die Priester Ulrich von der St. Aegydienkirche, Werinher und Adalbert, dann Sefrid wurden zu seiner Begleitung ausersehen. Aber Ulrich lag an einer Krankheit hart darnieder und konnte nicht mitgehen. Man wartete bis 24. April, aber es wollte mit Ulrich nicht besser werden. In seiner rührenden Abschiedsrede im Kloster Michelfeld sagte der heil. Bischof unter Anderm: »Ich gehe nun hin zu den Heiden aus Liebe zu meinem Herrn, und lasse euch den Frieden; ach, bewahret ihn euch und bleibet stets in der Liebe.« Alle weinten und schluchzten, denn seine Entfernung kam ihnen vor wie ein Leichenbegängniß. Die Reise ging durch Böhmen und Schlesien, wo er den Herzog Boleslaw zu Gnesen besuchen wollte. Als am 20. Mai diesem seine Ankunft gemeldet wurde, ging er ihm mit entblößten Füßen zweihundert Schritt vor die Stadt hinaus entgegen und empfing den fast vierundsechzigsährigen Greis mit aller Ehrfurcht. Seine unmündigen Kinder ließ er ihm gleichfalls entgegen tragen, und bat für sie um den bischöflichen Segen. Am 27. Mai setzte der hl. Otto seine Reise nach Pommern fort. Ueber den Weg, welchen er einschlug, läßt sich nichts Sicheres angeben (Sulzbeck S. 370). An der Grenze empfing ihn der bereits getaufte Pommernherzog Wratislaw, welchem er unter Anderm einen kostbaren Mantel und einen elfenbeinernen Stock zum Geschenke machte. An einem See zwischen Tankow und Himmelstädt unterrichtete und taufte der heil. Otto die ersten Heiden, etwa dreißig Personen, die sich aus Neugierde dort eingefunden hatten. Der Umstand, daß es gerade dreißig (dreimal zehn) waren, bestärkte den Heiligen in der trostreichen Hoffnung, daß die Lehre des Christenthums von den drei göttlichen Personen und den zehn Geboten in Pommern Eingang finden würde. Ohne Unterlaß betend, zog er weiter nach Pyritz, wo er am 4. Juni Nachmittags ankam. Da dort eben ein Fest war, zu welchem die Großen des Landes versammelt waren, blieb er dieselbige Nacht im Freien und hielt erst am folgenden Tage seinen Einzug. Mit den Pontifical-Kleidern angethan, ermahnte er von einem erhöhten Platze aus mit Hilfe eines Dolmetschers zur Annahme des Evangeliums, und als er Gehör fand, setzte er den Unterricht sieben Tage lang fort. Eben so thaten seine Begleiter, dann ordnete er ein dreitägiges Fasten an, befahl den Neubekehrten, sich zu baden und weiße Kleider anzuthun, dann aber mit reumüthigem Herzen und sauberm Leibe zur Taufe zu gehen. Es wurden zu diesem Behufe drei von einander gesonderte Baptisterien errichtet. In dem einen taufte er selbst die Kinder, in den beiden andern sollten die übrigen Priester abgesondert die Männer und die Frauen taufen. Die Taufe geschah durch Untertauchung, bei jedem Täufling befand sich ein Pathe, auch trug jeder ein brennendes Wachslicht in der Hand. Durch gehörig angebrachte Vorhänge war für die Bewahrung der Schamhaftigkeit strengste Vorsorge getroffen. So wurde es hier und überall gehalten, wo der hl. Otto taufte. Im Winter wurde an erwärmten Orten und mit warmem Wasser, aber auf die nämliche Weise getauft. Sein Aufenthalt in Pyritz währte bis zum 23. Juni, welche Zeit er mit seinen Gehilfen benützte, um die Neubekehrten im Glauben noch besser zu unterrichten und zu befestigen und sie in's kirchliche Leben einzuführen. Da eine Kirche wegen Kürze der Zeit nicht gebaut werden konnte, ließ er ein Nothzelt und einen Altar darin errichten, den er zur Feier der heiligen Messe weihte. Ein Priester mit allen zum Gottesdienst nöthigen Geräthen blieb zurück, während der heil. Otto nach einer längern Abschiedsrede, in welcher er den Neubekehrten alle Geheimnisse und Pflichten des Glaubens nochmal kurz vorführte, über Stargard nach Cammin, wo die herzogliche Reidenz war, weiter zog. Die Herzogin Heila, eine fromme, christliche Frau, welche mit großer Freude die Pflanzung des Christenthums in Pyritz vernommen hatte, hatte hier so kräftig vorgearbeitet, daß man sogleich mit Unterricht und Taufe anfangen konnte. Auch der Herzog bekannte nach seiner Zurückkunst offen seinen Glauben, den er freilich bisher aus Furcht vor den Heiden nicht öffentlich bekannt, ja sogar durch mancherlei sündhafte That verläugnet hatte. Er that also Buße, entließ seine vierundzwanzig Nebenfrauen, und versprach ein frommes christliches Leben. Nach seinem Beispiele thaten die anwesenden Großen. Der hl. Otto verweilte hier fünfzig Tage, errichtete eine Kirche aus Baumstämmen und weihte in derselben einen Altar. Alles Volk fand sich an Sonn- und Feiertagen regelmäßig zum Gottesdienste ein. Das nächste Ziel seiner Reise war Julin (Wollin), damals eine große und wichtige Stadt, deren Einwohner von Handel und Seeräuberei lebten, und als roh und grausam verschrieen waren. Man beschloß deßhalb, unter dem Schutze der Nacht in die herzogliche Burg daselbst einzuziehen. Als aber die Kunde hievon sich in der Stadt verbreitete, entstand ein schrecklicher Aufruhr; das Schloß und der Thurm, in welchen der hl. Otto sich geflüchtet hatte, wurde gestürmt. Mit Mühe erlangte man von der tobenden Menge die Zusage, daß sie wenigstens unbehelliget weiter ziehen dürften. Aber auf dem Wege gerieth der Heilige öfter in Todesgefahr. Von einer Stange, und bald darauf von einem Wurfspieße, der zum Glück aus weiter Ferne geworfen war, getroffen, stürzte er von einem Stege in den Sumpf, aus welchem er mit Mühe wieder herausgezogen werden konnte. Auch die ihn begleitenden Priester erhielten mancherlei Verletzungen. Endlich kamen sie glücklich über die Divenow, deren Brücke sie hinter sich abbrachen, um einem neuen Angriff vorzubeugen. Alle, besonders aber der hl. Otto, waren über die erlittenen Mißhandlungen erfreut, und nur Sefrid trauerte, weil ihn die Heiden, da er ohnedem krank war, mit Schlägen verschont hätten. Da der Heilige von heimlichen Christen Nachricht erhielt, daß die feindselige Stimmung sich zu legen beginne, blieb er noch sieben Tage in der Nähe der Stadt, erreichte aber nichts als das Versprechen, daß man sich nach dem Beispiele der Einwohner von Stettin richten wolle. Würden sich diese bekehren, so sollten die Missionäre wieder kommen. Der heil. Otto befolgte diesen Rath. Es begleitete ihn ein Christ aus Julin, Namens Nadimir, mit seinem Sohne. Hier erlitt der eifrige Glaubensprediger zwar keine Unbild, konnte aber selbst nach zwei Monaten, während welcher er unablässig predigte, noch keine einzige Bekehrung erzielen. Auch alles Beten schien fruchtlos zu seyn, denn die Einwohner sagten, daß unter den Christen größere Laster wären, als unter ihnen. Wirklich herrschte so viel Ehrlichkeit und Redlichkeit unter den heidnischen Pommern, daß man Betrug und Diebstahl kaum kannte. (Ritter, K.-G. II. 3. Vgl. Röm. 2,17–24.) Davon gab der Heilige endlich dem Herzoge durch eine eigene Gesandtschaft, welcher auch einige Vornehme aus Stettin beigegeben wurden, Nachricht und ließ ihn fragen, ob er glaube, daß die Mission fortgesetzt werden solle. Mittlerweile setzte der hl. Bischof seine Predigt in aller Geduld und Demuth, unter Gebet und Thränen fort, besonders an Markttagen, an welchen viel Landvolk in die Stadt kam. Endlich konnte der hl. Otto zwei Knaben eines Vornehmen, Namens Domuzlaw, denen bald ihre Mutter und sämmtliche Hausgenossen und mehrere andere Kinder nachfolgten, die hl. Taufe ertheilen. Eines Tages erfuhr er, daß zwei Frauen schwer erkrankt und schon dem Tode nahe seien. Aengstlich bekümmert für ihr Seelenheil und mit festem Vertrauen auf die Güte und Allmacht Jesu Christi betrat er ihr Haus und versprach ihnen Gesundheit, wenn sie die hl. Taufe empfingen. Wirklich ging sein Versprechen in Erfüllung. Nun fehlte wenig mehr, so hätten Viele sich bekehrt. Aber es zeigte sich, daß die Stadt vorzüglich durch die Befürchtung, vom Polenherzog viele Belästigung und Beeinträchtigung ihrer Freiheiten zu erfahren, zurückgehalten wurde. Als daher die Gesandten bei ihrer Zurückkunft beruhigende Nachrichten hierüber brachten, und der Herzog den Tribut für ganz Pommern auf 300 Mark Silber jährlich herabsetzte, änderte sich alsbald die Stimmung so zu Gunsten des christlichen Glaubens, daß die Stettiner nicht bloß denselben anzunehmen sich bereit erklärten, sondern sogar mithalfen, die Götzenbilder zu zertrümmern und ihre Tempel abzubrechen. Jetzt machte das Christenthum reißende Fortschritte, besonders als der heil. Otto ihr Anerbieten, die Tempelschätze in Empfang zu nehmen, mit den Worten zurückwies: »Wir wollen uns von euch durchaus nicht bereichern, denn solche und bessere Dinge haben wir zu Hause im Ueberfluß.« Nur die drei zusammenhängenden versilberten Köpfe des Triglav nahm er mit sich, nachdem er den übrigen Theil der Statue zertrümmert hatte, und übersendete sie später an Papst Honorius II. Eine andere, lebende Gottheit, nämlich ein schwarzes, überaus feuriges Roß, welches Niemand besteigen durfte, und zur Wahrsagerei bei beginnenden Kriegen benützt wurde, verkaufte der hl. Otto in ein fremdes Land, weil das Thier mehr zum Ziehen als zum Wahrsagen geeignet sei. Der Götzenpriester, welchem die Pflege des Rosses anvertraut gewesen war, blieb verbost und war durchaus nicht zu bewegen, dem heidnischen Aberglauben zu entsagen. Aber plötzlich traf ihn die Hand des Herrn: sein Körper schwoll eines Tages unversehens auf und berstete unter den heftigsten Schmerzen. Dieser Todesfall verbreitete einen solchen Schrecken unter der Bevölkerung, daß Niemand mehr den Worten des Glaubenspredigers widerstand, und man die Taufe beginnen konnte. Sie wurde ebenso wie zu Pyritz und Cammin vollzogen. Der hl. Otto blieb noch bis gegen das Ende des Novembers in Stettin und suchte die neu begründete Kirche zu kräftigen. Auf dem Hauptplatze ließ er zu Ehren des hl. Adalbert eine Kirche erbauen, setzte einen eigenen Priester bei derselben ein und übergab ihm alle zum Gottesdienste nöthigen kirchlichen Kleider und Geräthschaften. Auch außer dem Stadtthore gründete er zu Ehren der hl. Apostel Petrus und Paulus eine Kirche, die an derselben Stelle noch vorhanden ist. Da ein sehr kalter Winter hereinbrach, hatte der polnische Herzog sowohl dem Bischof als seinen Geistlichen und ganzem Gefolge warme Winterkleider übersendet. Am 26. Nopember nahm der hl. Bischof von den Stettinern herzlichen Abschied und predigte zu Garz (Gradicia, Gridiz) an der Oder und zu Lubzin (Lubinum) am Dammsee, wo sämmtliche Einwohs ner die heil. Taufe empfingen. An beiden Orten wurde eine ordentliche Seelsorge mit regelmäßigem Gottesdienste eingerichtet. Nun eilte der Heilige nach Julin (Wollin). Er wurde herzlich und mit Freudenthränen auff genommen. Die Einwohner waren von Scham und Reue erfüllt, da sie den Mann Gottes bei seiner Anwesenheit so übel behandelt hatten, zeigten aber setzt desto größeren Eifer. Die Zahl der Getauften stieg weit höher als auf ben bisherigen Missions stationen. Außerordentlich waren die Anstrengungen des greisen Bischofs mit Predigt, Taufe, Einrichtung des Gottesdienstes und der kirchlichen Ordnung. Auch hier wurden zwei Kirchen erbaut, eine im Innern der Stadt zu Ehren der hhl. Adalbert und Wenceslaus und eine außerhalb der Mauern zu Ehren des hl. Petrus. Während seines zweimonatlichen Aufenthaltes zu Julin, wahrscheinlich schon am 9. Januar, predigte und taufte er zu Zirkwitz, wo gleichfalls heutzutage noch ein Ottobrunnen ist, an welchem der Heilige getauft haben soll, dann zu Clodona (Dordona, wie Einige annehmen das heutige Kletikow, eher aber das jetzige Dorf Dado am Rega unweit Greifenberg, Bernhard, S. 53), wo er eine schöne und große Kirche zu Ehren des heiligen Kreuzes erbauen ließ, und begab sich dann über eine ungenannte im Polenkriege zerstörte Stadt (vielleicht das heutige Naugarten), deren übriggebliebene Einwohner er zum Christenthum bekehrte und beschenkte, nach Colberg (Coloberga), wo das Christenthum vor hundert Jahren schon einmal in der Blüthe gewesen, aber so gänzlich in Vergessenheit gekommen war, daß der hl. Otto viele Mühe hatte, es wieder einzuführen. Hier erbaute oder erneuerte er eine Kirche zur seligsten Gottesmutter. Der letzte Ort, in welchem er das Christenthum einführte, war Belgard (Belgradia, zu Deutsch Weissenburg), wo sich gleichfalls alle Einwohner taufen ließen. Die dortige Kirche weihte der heil. Bischof, wie zum Abschlusse seiner Missionsthätigkeit, der Verehrung aller Heiligen. Hier verlor der Heilige seinen treuen Diener Herimann, der in die Persante fiel und ertrank. Ehe er heimzog, errichtete der heil. Bischof zu Julin einen Bischofssitz, erhob die Kirche des hl. Adalbert zur Kathedralkirche und weihte den Priester Adalbert zum ersten Bischofe. (Im J. 1170 wurde dieser Sitz nach Cammin verlegt.) Die Zahl der Neubekehrten war auf 22,165 gestiegen, als der hl. Otto am 2. Februar 1125 die Heimreise über Gnesen antrat. Vorher erneuerte er in einer längern Denkschrift (s. Ritter, K.-G. l. c.) das Verbot des Kindermordes, der Vielweiberei, des Begrabens der Todten in Wäldern und Aeckern, des Aufhängens eines Stabes über dem Grabe, der Duldung und des Besuches der Wahrsager, des Genusses unreiner und geopferter Speisen und des Umganges mit den Götzendienern, weil ss strafbar sei, aus einer Schale zu trinken, die ein Heide mit seinen Lippen berührt habe. Am Osterfeste hielt er seinen Einzug in Bamberg; die Freude des Volkes und des Klerus schien größer nicht seyn zu können, wenn Christus selbst erst vom Grabe erstanden wäre. Mit größter Feierlichkeit wurde das heil. Opfer gefeiert und in der Festpredigt erzählte der heil. Apostel die Großthaten, welche Gott in der Bekehrung des Pommern-Volkes durch ihn gewirkt hatte. In dem nämlichen Jahre trat aber ein großes Sterben und eine schreckliche Hungersnoth ein. Der hl. Bischof that mit größter Liebe und Hingabe was er konnte, um die Leiden des Volkes zu mildern. Ueberall, in den ärmsten Hütten, in den Krankenhäusern und auf dem Gottesacker war er als tröstender und helfender Engel zugegen. Als der Sommer eine gute Ernte versprach, ließ er zu Jakobi eine große Zahl Sicheln unter die Armen vertheilen und sprach: »Sehet, meine Kinder, die Ernte ist reif, die Tage der Noth sind vorüber.« Jeder Arme erhielt eine Sichel und ein Geldstück, um davon während der Arbeit leben zu können. Ohne sich um die allgemeinen Reichs-Angelegenheiten mehr als nöthig zu kümmern, widmete er sich seinem anvertrauten Sprengel mit gewissenhafter Sorgfalt. Auch um seine Kinder in Pommern erkundigte er sich oft, schickte ihnen Geschenke für ihre Kirchen, betete für sie und schrieb Klöstern und geistlichen Genossenschaften besondere Gebete vor, welche sie für dieselben zu verrichten hätten. Um diese Zeit war es, als er zu Pollenstein plötzlich in der Nacht aufstand und sein Psalmenbuch verlangte, denn er müsse für seinen Bruder beten, der gestorben sei. In der That erschien am andern Morgen ein Bote mit der Todesnachricht. Aber noch einmal wollte der heil. Bischof seine Diöcese verlassen, um im Norden als Missionär zu wirken. Die beiden größten Städte, auf deren Bekehrung der heil. Otto die meiste Mühe verwendet hatte, fielen zunächst aus Anlaß des Sterbens und der Theuerung, welche Uebel auch die dortige Bevölkerung schwer bedrängten, und von den heimlichen Götzendienern und ihrem Anhang als Strafe für den verlassenen Cult ausgegeben wurden, wieder ab. Um die nämliche Zeit ereignete sich aber ein Wunder, welches mit diesem Abfall und der nachfolgenden zweiten Bekehrung zu innig verwoben ist, als daß es mit Stillschweigen übergangen werden könnte. Ein angesehener und reicher Bürger Stettins, mit Namen Wirtschach, welcher die Seeräuberei betrieb, war von dänischen Seeräubern gefangen genommen, an Händen, Füßen und am Halse mit Ketten belastet und in den Kerker geworfen worden. Jeden Augenblick den Tod erwartend, erinnerte er sich des heiligen Otto, der ihn aus der Taufe gehoben und gelobte heilig, dieses Seeräuberleben ganz zu verlassen und wahrhaft christlich zu leben, wenn er aus seinen Ketten befreit würde. Hierauf schlief er entkräftet ein. Sogleich sah er den heil. Otto im bischöflichen Gewande vor sich stehen und mit dem Stabe seine Lenden berühren. Wirtschach sprach: »O heiliger Vater, Diener des wahren Gottes, wer hat dich so unverhofft an diese Küste gebracht?« »Deinetwegen,« antwortete der hl. Bischof, »bin ich gekommen; steh' sogleich auf und folge mir.« Dann machte der heil. Otto das Kreuzzeichen, und alle Ketten fielen zur Erde. Mit den Worten: »Sieh, Christus, an den du geglaubt hast, hat dich von den Banden befreit. Kehre zurück nach Stettin und sage den Bürgern, daß sie sogleich Buße thun sollen.« Wirtschach sah sich frei und gelangte auf einem Boote, das er zur Erinnerung an seine Rettung am Stadtthore aufhängte, nach Stettin. Wir werden diesem Wirtschach bald wieder begegnen. Uebrigens bedrohten auch die politischen Verhältnisse, namentlich die feindselige Stellung, welche die Pommern zu Polen einnadmen, die frische Saat in der empfindlichsten Weise. Der Herzog Wratislaw und die Geistlichkeit in Pommern schrieb um schleunige Wiederkunst. Der hl. Otto erbat und erhielt also von dem Kaiser Lothar II. und dem Papste Honorius II. neuerdings die Erlaubniß, zu Missionszwecken sein Bisthum auf einige Zeit verlassen zu dürfen. Diese zweite Missionsreise nach Pommern trat der Heilige am grünen Donnerstag, 31. März 1127 (nicht 1128) an, nachdem er vorher in feierlichster Weise den Gottesdienst gehalten und das hl. Chrisma geweiht hatte. Vom Altare weg, noch nüchtern, im vollen Ornate, zog er unter Vortragung des Kreuzes, von zahlreicher Priesterschaft begleitet, unter dem Schluchzen und Weinen des gläubigen Volkes aus der Stadt. Er nahm, um Niemanden lästig zu fallen, und die Neubekehrten beschenken zu können, viel Geld und Kostbarkeiten mit sich. Diesesmal nahm er seinen Weg durch Sachsen, und kam am ersten Tage bis zu einem der Bamberger Kirche gehörigen Landsitze (Growze), wo er übernachtete und am Charfreitag den feierlichen Gottesdienst hielt. Am Charsamstag erreichte er die Stadt Kirchberg bei Jena und feierte da das hohe Osterfest. Am Ostermontag begab er sich in das von ihm gestiftete Kloster Reinersdorf an der Unstrutt, weihte es am folgenden Tage zur Ehre des hl. Johannes des Täufers feierlich ein und empfahl sein neues Unternehmen diesem Heiligen. Von da begab er sich mit seinem Gefolge nach Merseburg, wo Kaiser Lothar II. Ostern gefeiert hatte. Hier versprach ihm ein wendischer Graf, der unter sächsischer Oberhoheit über Havelberg und dessen Umgebung gebot, sicheres Geleite durch sein Gebiet. Zu Halle, welches damals wegen seines ausgebreiteten Handels berühmt war, machte er neue Einkäufe zu Geschenken, welche er zu Schiff nach Havelberg schaffen ließ. Zu Magdeburg sah er auf kurze Zeit den hl. Norbert, von welchem er den Eindruck mit sich nahm, als ob sein Unternehmen nicht gern gesehen würde, indem er ihn schon am andern Tage nach Havelberg entließ. Als der heil. Otto in die Nähe dieser Stadt kam, sah er zu seinem größten Schmerze ringsum Fahnen aufgestellt, weil das Volk zur Ehre des Kriegsgottes Gerovit ein Fest hielt. Graf Witikind, welchem er deßhalb Vorwürfe machte, entschuldigte sich mit der Unbeliebtheit des Erzbischofs von Magdeburg, dem zum Trotz dieß geschehe. In der That versicherte die Menge dem hl. Otto, unter einem andern Erzbischofe gern sich zur Taufe herbeilassen zu wollen. Doch verweilte er hier nicht länger als nöthig war, um sein Gepäck von den Schiffen auf Wägen bringen zu lassen. Das von Witikind versprochene Geleite erhielt er nicht, dennoch machte er ihm eine bedeutende Geldsumme und dessen Gemahlin ein kostbar verziertes Psalmenbuch zum Geschenke. Anfangs Mai brach der hl. Otto ohne Geleit, nur auf den Schutz Gottes vertrauend, nach Leutitien, dem heutigen Mecklenburg-Strelitz auf. Man gelangte nach fünf Tagen an den Mürizsee, und von da nach Demmin (Timina). Hierher kam zu eben dieser Zeit der Herzog Wratislaw mit viel Fußvolk und Reiterei, um die Lutitier, welche die Stadt überfallen wollten, zurückzutreiben. Sie wurden geschlagen, und der Herzog brachte viele Beute und zahlreiche Gefangene mit sich. Der hl. Otto nahm sich der letztern mit vieler Liebe an, erleichterte ihr hartes Loos, kaufte jene, die bereits Christen waren, völlig frei und entließ sie wieder in ihre Heimat. Nun wurde eine Landesversammlung nach Usedom auf das nahe Pfingstfest ausgeschrieben, welche Stadt die von ihm zurückgelassenen Missionspriester schon beinahe ganz für das Christenthum gewonnen hatten. Als die Großen des Landes hier zusammenkamen, stellte der Herzog Wratislaw ihnen den Heiligen mit empfehlenden Worten vor, worauf dieser selbst eine so eindringliche Predigt hielt, daß alle Anwesenden einstimmig die Annahme des Glaubens versprachen. Jene, die schon getauft aber abgefallen waren, worunter Ratibor, des Herzogs Bruder, und Viele aus Wollin und Stettin bekannten reumüthig ihre Schuld und erhielten Verzeihung. Die ganze Pfingstwoche verfloß unter fortwährendem Katechisiren und Taufen, und die Versammlung schloß erst an der Octave des Pfingstfestes, nachdem alle Adeligen und Großen sammt ihrem Gefolge der heiligen Kirche Gottes einverleibt waren. Die vornehmsten unter ihnen waren: Graf Mitzlaw von Gützkow sammt seinen Söhnen, Mirograf und Bardus aus Lutitien mit ihren Kindern, die Obersten von Demmin, Wolgast, Großwin, Pasewalk, Premslau, Treptow und mehrere Ungenannte. Nun wollte der Heilige nach Wolgast (Hologosta) ziehen und schickte als Wegbereiter zwei Priester, Ulrich von St. Aegid in Bamberg und Albinus, einen Polen, welcher der Landessprache mächtig war, voraus. Diese fanden die Stadt durch den Betrug eines heidnischen Priesters so erregt und sich selbst am Leben bedroht, daß sie Mühe hatten, sich bis zum dritten Tage zu verbergen. An diesem Tage kam der Heilige mit dem Herzog, der ihn beschützte, und predigte und lehrte da so lange, bis er die ganze Stadt bekehrte und taufte. Und er zerstörte ihre Götter, unter welchen Barovit der vornehmste war, und ihre Tempel. Zum Priester gab er ihnen einen gewissen Johannes, während er andere an andere Orte schickte, um dort zu bekehren und zu taufen. Zu Wolgast wurde zugleich auch der Bau einer christlichen Kirche begonnen. Nach Verfluß der zweiten Juniwoche nahm der heil. Otto unter heißen Segenswünschen von den Neubekehrten Abschied und begab sich nach Gützkow (Gozgaugia, Chozegowa) an der Peene. Hier hatte der schon genannte Graf Mitzlaw dem Evangelium bereits einen günstigen Boden bereitet; der heil. Otto brachte die Einwohner nicht bloß zur Annahme des Glaubens, sondern bewog sie sogar, mit eigenen Händen einen erst kürzlich mit vielem Aufwande erbauten schönen Tempel zu zerstören, nachdem sie umsonst dessen Umwandlung in eine christliche Kirche von ihm begehrt hatten. Unter der Gestalt unheimlicher Fliegenschwärme, welche fast das Tageslicht verdunkelten, flohen die Dämonen aus den Tempelmauern. Man fing aber sogleich an, eine christliche Kirche zu erbauen. Bei der Einweihung erbat und erhielt der hl. Otto für alle Gefangenen die Freiheit. Da war in der That »fröhliche Kirchweihe«, denn alle Bürger folgten dem Beispiele ihres Stadtobersten und ließen sich taufen, und entsagten aller Gewalttäthigkeit und Ungerechtigkeit. Der heil. Otto kehrte von Gützkow wieder nach Usedom zurück. Bald darauf verbreitete sich in Pommern die Nachricht, der Herzog Boleslaw von Polen nahe mit einem großen Heere, um die Einwohner für ihren Abfall zu züchtigen. Der hl. Otto vermittelte in eigener Person Frieden und Freundschaft, so daß große Freude im ganzen Lande war. Eine Tagreise von Usedom war aber eine Insel gelegen, die man damals Verania (Vennia) nannte; die Einwohner hießen Verani, Rani und Rugiani, woraus später der Name Rügen entstand. Auch dahin wäre der hl. Otto um des Evangeliums willen gern gezogen. Er wollte sich heimlich dahin begeben, als er sah, daß man ihn abhalten wollte, weil die Einwohner sehr grausam wären und seines Lebens nicht schonen würden. Der hl. Otto sprach: »Und was würde geschehen, wenn wir allesammt um des Namens Christi willen hierselbst stürben. Ich sage euch, es würden durch unser Blut Viele zum Glauben kommen, und das ganze Land bekehrt werden. Ach, unter den Vielen wird nicht Einer seyn, der mit seinem Tode vom ewigen Leben Zeugniß geben wird!« Da faßte der schon genannte Ulrich Muth und setzte sich mit etlichen Gefährten zu Schiff. Aber siehe, dreimal setzte er sich bei heiterem Wetter in das Schiff, und drei Mal wurde er wieder von der Gewalt der Wellen nach dem Ufer zurückgetrieben, denn es erhob sich ein gewaltiger Sturm, der sieben Tage anhielt, so daß der heil. Otto dieß als einen Wink des Himmels ansah, von diesem Vorhaben abzustehen. Nun aber nahm er sich vor, nach Stettin zu gehen, obwohl überall bekannt war, daß die Einwohner ihn ermorden wollten, wenn er wieder käme. Als ihn die Seinigen abhielten, sprach er: »Jeder mag über sein Leben bestimmen; ihr seid frei, aber auch ich bin es; lasset mir also meinen freien Willen,« und verharrte dann bis zum Abend im Gebete. Dann ließ er die Thüren schließen und bereitete sich zur Flucht. Nachdem er den Kelch, das Meßbuch und was sonst zur Feier der hl. Messe nöthig ist, zu sich genommen, begab er sich in der stockfinstern Nacht zu Fuß an das Meer. Am andern Morgen, als Niemand den hl. Bischof fand, gerieth Alles in Bestürzung. Man holte ihn gerade noch ein, da er eben im Begriffe war, in das Schiff zu steigen. Als der Heilige die Verfolger gewahrte, wurde er sehr betrübt und betete: »O mein Herr Jesus, Sohn Gottes und der Jungfrau, willst du mein sehnsüchtiges Verlangen nicht stillen? O mache doch, daß diese mit mir ziehen, oder mich wenigstens nicht hindern, dich mit meinem Tode zu preisen.« Aber die, welche ihn suchten, kamen zu ihm heran, und warfen sich ihm zu Füßen und weinten lant. Auch der hl. Otto mußte weinen, und es war große Betrübniß unter ihnen allen. Er aber sprach zu ihnen: »Wozu seid ihr gekommen? Kehret wieder heim, und lasset mich allein weiter ziehen.« Aber seine Getreuen sprachen zu ihm: »Dieß sei ferne; wir wollen nicht von dir lassen; wir wollen mit dir umkehren. Willst du aber weiter ziehen, so wollen auch wir mit dir gehen, sei es zum Tod oder zum Leben.« Als der heilige Otto sah, daß sie fest im Sinne hatten mit ihm zu gehen, so kehrte er um mit ihnen. Am folgenden Tage schifften sie sich ein. Als sie nahe zur Stadt kamen, erfuhr der Heilige, daß ihm und den Seinigen die größte Gefahr drohe, und betrat unter diesen Umständen nicht sogleich die Stadt, sondern nahm in der Kirche St. Peter, die außerhalb derselben auf einem freien Platze stand, seine Wohnung. Bald hörte er wüsten Lärm und großes Geschrei vor der Kirche. Er zog also seine bischöflichen Kleider an, ergriff das Kreuz mit den heil. Reliquien und empfahl, betend und Psalmen singend, sich und die Seinigen dem Schutze Gottes. Da die tobende Menge den lieblichen Gesang hörte, verließ sie, wie von einer höhern Macht getrieben, den Ort. Der hl. Otto aber blieb, betend und fastend, diesen und den folgenden Tag noch in dieser Kirche. Am andern Morgen kam jener Wirthschach (Witstack), dessen wunderbare Befreiung aus dänischer Gefangenschaft wir oben erzählt haben, und lud ihn ein, in die Stadt zu kommen; er mit seinen Freunden würde ihm nach Kräften zu Hilfe kommen. Am 31. Juli, nach der Feier des heil. Opfers, hielt der Heilige, mit den hohenpriesterlichen Kleidern angethan, unter Vortragung des Kreuzes, feierlichen Einzug. Die Geistlichkeit und Wirthschach mit vielen Gläubigen begleiteten ihn auf den Hauptplatz der Stadt. Er fing an, eine Predigt zu halten, die Wirthschach verdolmetschte. Wie er also redete, stürzte ein Götzenpriester von ungewöhnlicher Größe und Stärke durch die Versammlung und forderte Alle zur Rache wider den Heiligen auf. »Sehet,« sprach er, »hier ist euer Feind und der Feind eurer Götter, wollen wir diese ungestraft verachten lassen? Heute noch müssen diese da sterben.« Alle Heiden und Abtrünnigen folgten diesem Rufe, aber da sie die Spieße aufhoben, erstarrten ihnen alsbald Hände und Arme, und wurden nicht eher gesund, als bis sie sich bekehrten und taufen ließen. Darauf gingen der heil. Otto und die Seinigen in die St. Adalbertskirche, neben deren Hauptaltar ein Götzenbild, den Triglav vorstellend, errichtet war. Wieder suchten Einige ihn auf dem Wege zu überfallen. Umsonst bat ihn nun Wirthschach die Stadt zu verlassen, ehe er durch die wüthenden Heiden um's Leben käme. »Dazu bin ich eben gekommen,« antwortete der Diener Gottes. Der hl. Bischof entfernte den Götzenaltar und befahl, die Kirche auf seine Kosten wieder herzustellen. Auch dießmal wurden die Feinde, wie von einem übernatürlichen Glanze, der von seinen Kleidern ausstrahlte, abgehalten, ihm ein Leid zu thun. Nach vierzehn Tagen, etwa am 14. August, hielten die Rathsherren der Stadt eine Versammlung, welche vom frühen Morgen bis Mitternacht dauerte, und kamen durch Gottes Gnade zu dem Entschluß, das Christenthum anzunehmen. Als der heil. Bischof am andern Morgen auf dem Marktplatz predigte, erklärten sich Alle einmüthig für die Annahme des Evangeliums. Dennoch war nicht alle Gefahr vorüber. Es befand sich in der Stadt ein Nußbaum, den die Stettiner heilig hielten, und deßhalb gebot der hl. Otto, ihn umzuhauen. Als es geschehen sollte, schleuderte der Eigenthümer des Baumes seine Axt nach dem Kopfe des Heiligen; dieser beugte sein Haupt seitwärts und die Art fuhr so fest und tief in einen Balken der Brücke, neben welcher sie standen, daß der Schleuderer sie nicht mehr herauszuziehen vermochte. Der Bischof Adalbert sprach zum heil. Otto: »Siehe, das ist der Schild des Gebetes der Brüder und der Schutz des hl. Erzengels Michael.« In der That wurde auf dem Michaelsberge zu Bamberg täglich um seine glückliche Rückkehr gebetet. Wunderbar vom Tode gerettet, gab er jetzt den Bitten der Bürger nach, und ließ den Nußbaum stehen, weil sie ihm eidlich versprachen, nie mehr mit demselben Aberglauben zu treiben. Als er die Stadt verließ, hatte der Same des christlichen Glaubens feste Wurzeln gefaßt. Eines Tages sah er auf der Straße einen Haufen Kinder, die sich durch Spielen unterhielten. Er fragte sie, ob sie auch getauft wären. Als sich die Kinder verriethen, gebot er den Getauften, nicht mehr mit den Ungetauften zu spielen, und alsbald begehrten auch die andern Kinder getauft zu werden. Sein letztes Werk in Stettin war die Uebernahme einer Vermittlung beim Herzog Wratislaw, den die Bürger beleidigt hatten, und dessen Strafe sie fürchteten. Der Heilige nahm einige angesehene Bürger mit sich, und schlug den Weg nach Julin ein. Als er sich auf der Oder einschiffte, wurde ein neuer Angriff auf sein Leben versucht. Zwei Götzenpriester, die Anstifter des Frevels, ereilte ein unglücklicher Tod. In Julin fand der heil. Bischof gute Aufnahme. Auch dort ermahnte er die Abgefallenen zur Buße und die noch Ungetauften zur Annahme des Glaubens, beides mit dem besten Erfolge. Mehrere wunderbare Heilungen, worunter die einer blinden Frau und eines mondsüchtigen Knaben, erhöhten seinen Ruf. Zu Cammin, wo der Herzog residirte, vollendete er sein Friedenswerk, und ging dann wieder nach Julin, wo in ihm neuerdings der Gedanke, nach Rügen zu gehen, erwachte. Doch konnte er denselben, weil bereits der Erzbischof von Lund diese Insel zur Christianisirung zugetheilt erhalten hatte, nicht in Ausführung bringen. Gern wäre er noch länger in Pommern geblieben, um Dorf für Dorf zu durchreisen; aber er er hielt dringende Briefe von Bamberg, welche seine Heimkehr beschleunigten. Auch der Kaiser Lothar II. drängte, selbst unter der Drohung, ihm die bischöflichen Einkünfte zurückzubehalten. Das Bisthum hatte während seiner Abwesenheit wicklich in zeitlichen Dingen großen Schaden gelitten. So beschloß der heil. Otto zu Anfang November seine Missionsthätigkeit in Pommern zu beendigen. Er besuchte noch die meisten von ihm bekehrten Städte, bestärkte die Neubekehrten im christlichen Glauben und nahm überall den rührendsten Abschied. Zu Gnesen verweilte er acht Tage beim Herzog Boleslaw, welchem er über seine Erfahrungen und Hoffnungen trostreiche Mittheilung machte. In der That: mit reicher Ernte beladen, konnte er nun heimkehren; er hatte in Thränen, Entsagung, Mühseligkeiten jeder Art, in Gefahren zu Wasser und zu Land, in vielsachem, heißem Gebete das Wort des Herrn ausgestreut, und es brachte darum so reichliche Frucht, weil er in keiner Weise und nie das Seinige suchte, sondern allezeit das was Jesu Christi ist: »Er sollte erkannt, angebetet, geliebt werden mit Ausschluß jedes andern Götzen« – darnach allein trachtete er, und dieß ist gewiß der geheimnißvolle Schlüssel seiner Triumphe. Um sich hatte er eine Schaar treuer, aufopferungsvoller, todesmuthiger Priester, die mit ihm so eng und unauflöslich im Glauben und in der Liebe vereinigt waren, wie er selbst mit dem apostolischen Stuhle verbunden war. Am 20. December 1127 zog er unter den Jubelgesängen des Volkes und der Geistlichkeit in die Domkirche zu Bamberg ein. Tausende von unsterblichen Seelen hatte er dem Rachen der Hölle entrissen und sie gelehrt, im Lichte des Glaubens und in der Gnade Christi, welche ihnen durch die heil. Taufe geschenkt worden war, zu wandeln. Dafür dankte er dem Herrn jetzt mit innigster Freude. Er fuhr aber fort, seinem Bisthum Hirt und Vater zu seyn bis an sein Ende. Besonders heben wir hervor seine Treue und Andacht in Verrichtung der canonischen Tagzeiten und beim hl. Meßopfer, seine Liebe zur Armuth und zu den Armen, und den stets fortdauernden festen Willen, seiner Heerde ein leuchtender Spiegel jeder christlichen Tugend zu seyn. Er konnte ihr aber nur deßhalb so viel geben, weil er sich selbst beinahe Alles genommen hatte: den Willen im Gehorsam, die Eigenliebe in der täglichen Aufopferung der Seinigen, die Zeit in unausgesetztem Beten, Betrachten, Predigen und Arbeiten, das Vermögen und die Einkünfte in seinen zahlreichen Spenden für die Armen, Kranken, Fremdlinge, Kirchen und Klöster. Wie heldenmüthig aber seine Liebe war, zeigt uns besser als jede andere Schilderung der folgende Zug aus seinem Leben. Bei seinem täglichen Besuche des Armenspitals war es ihm, als ob er Leichengeruch verspüre. »Mir scheint,« sprach er zu dem ihn begleitenden Diener, »daß hier in der Nähe ein Todter liegen müsse.« Wirklich zeigte sich bei näherm Nachsuchen, daß in einem Gebüsch die halb verfaulte Leiche einer armen, verhungerten Frau lag. Boll tiefsten Mitleids schrieb der heil. Bischof sich die Schuld zu und fing an zu beten. Dann befahl er dem Diener, daß er ihm behilflich seyn solle, die Leiche in den Gottesacker zu bringen. Diesen wollte der Ekel davon abhalten, die Leiche zu berühren, und erst als er sah, wie der Heilige sich allein abmühte, faßte er Muth beizuhelfen: »Ich will die Gestorbene tragen,« sagte der hl. Bischof, »die ich in ihrem Leben hätte ernähren sollen.« Ungeachtet seiner vielen Arbeiten und großen Abtödtungen erfreute sich der hl. Mann beinahe immer einer guten Gesundheit. Nur im Jahre 1130 war er eine Zeit lang ernstlich krank. Vier Jahre später hatte Lipold, ein frommer Mönch von St. Michaelsberg, ein Gesicht. Er sah gegen Aufgang einen hohen, wunderschönen Berg, und viele Menschen, welche beschäftiget waren, kostbares Baumaterial, besonders viele Edelsteine, auf dessen Gipfel zu schaffen. Ein Greis, welchen er darüber befragte, gab ihm die Auskunft: »Wir haben überaus viele Wohlthaten vom heil. Otto empfangen und deßhalb bauen wir ihm auf der Spitze dieses Berges eine kostbare Wohnung.« Lipold fragte: »Und wann wird dieses Haus vollendet seyn?« Der Greis gebot ihm Stillschweigen und antwortete: »Nach fünf Jahren.« Wirklich starb der Heilige am 30. Juni 1139, um die erste Stunde nach Mitternacht, im neunundsiebenzigsten Jahre seines Lebens, nachdem er sich durch Vertheilung seines ganzen Vermögens und den Empfang der heil. Sacramente auf einen seligen Tod bereitet hatte. Die Leiche wurde, wie er verordnet hatte, auf dem St. Michaelsberge beigesetzt. Bischof Embrico von Würzburg hielt die Beerdigung, den Gottesdienst und die Trauerrede im Beiseyn einer zahllosen Menschenmenge. Von da an geschahen fortwährende Wunder auf seine Fürbitte, die bis zur Stunde nicht aufgehört haben. Im Jahre 1189 erfolgte seine Heiligsprechung. Am 30. September des nämlichen Jahres wurde die feierliche Translation gehalten. Sein Grabmal unter dem Chore hinter dem Hochaltar, mit drei lateinischen abgekürzten Inschriften in deutschen Buchstaben, ist kunstreich gebaut. In der Mitte zeigt dasselbe eine Aushöhlung, einer Thüröffnung ähnlich; durch sie krochen ehemals die Andächtigen, um Befreiung von Zahnweh und Rückenschmerzen zu erlangen. Auf alten Abbildungen findet er sich im bischöflichen Ornate, mit dem Pallium geschmückt, in der einen Hand das Kreuz, in der andern den Bischofsstab. Zugleich trägt er als Kirchenerbauer und Heidenapostel eine Kirche, die einem ehemaligen Heidentempel ähnlich sieht, im rechten Arme. Andere Bildnisse zeigen ein zertrümmertes Götzenbild zu seinen Füßen. In noch andern trägt er Pfeile oder schmiedet Nägel aus Pfeilen, weil er die ihm wider seine Feinde geschenkten Pfeile zu Nägeln für das Kirchendach auf dem Michaelsberge umschmieden ließ. Möchte sein Andenken, welches auch die jetzt protestantischen Pommern noch in Ehren halten, diesen die Vereinigung mit der heiligen katholischen Kirche in's Herz geben und erleichtern! Bei der Jubelfeier im J. 1824 richtete ein Pommer'scher Geistlicher, Ernst Bernard, die schöne Mahnung an seine Landsleute: »Lasset uns unseres Otto stets in Liebe eingedenk seyn und ihn ehren aus aufrichtigem, dankbarem Herzen; doch allein darum, daß Gott der Herr ihm hat den heil. Geist gegeben, ihn zum Apostel des Evangeliums von Christus unter den Heiden berufen und in seinem Reiche große Dinge durch ihn ausgerichtet.« So ist es recht, und so hätte es allezeit seyn und bleiben sollen, dann würde nicht eine traurige Spaltung im Glauben schon so lange den deutschen Norden vom Süden trennen. Freilich hat derselbe Autor diese seine Mahnung selbst wenig beachtet, indem er an dem Orte, wo er davon handelt, »in welchen Artikeln christlichen Glaubens er beide, Groß und Klein, unterrichtet,« bedeutende Kürzungen und wesentliche Auslassungen, also eine Unterschlagung der heiligsten Dinge, sogar Fälschungen der gröbsten Art, sich zu Schulden kommen ließ, wobei sein Gewissen unmöglich ruhig bleiben konnte. So zählt Bernard nur drei Sacramente, während der hl. Otto ausdrücklich und wiederholt die katholische Siebenzahl gelehrt hat. Die Ordnung, in welcher der Heilige sie aufzählt, und ganz in der nämlichen Weise auslegt, wie die katholische Kirche jetzt noch und seit den Tagen ihrer Gründung sie auslegt und ausgelegt hat, ist diese: die Taufe, die Firmung, die Salbung der Kranken, die Eucharistie, die Buße, die Ehe und die Priesterweihe. Dazu wird bei Bernard, Alles um das protestantische Volk über den wahren Inhalt der Lehre des heil. Otto im Irrthum zu belassen, noch die Ordnung verkehrt und vom Opfer der hl. Messe, das der heil. Otto an vierter Stelle so stark hervorgehoben hat, gar Nichts gesagt. Wahrhaftig, eine sonderbare Verehrung des Heiligen, die damit anfängt, seine Lehre zu verstümmeln und zu verfälschen. Die protestantischen Pommern, welche am Ottobrunnen zu Pyritz beten, wo König Friedrich Wilhelm III. und dessen Söhne am 15. Juni des Jubeljahres ein schönes Denkmal errichtet haben, werden aber doch dereinst zur Erkenntniß kommen, daß ihr dermaliges Bekenntniß mit demjenigen, das der hl. Otto ihre Ahnen gelehrt hat, nicht harmonirt. Anfänglich wurden zwei Feste des Heiligen, der 30. Juni als Sterbetag und der 30. September als Uebertragungstag begangen. Im Mart. Rom. steht sein Name auf den 2. Juli, während im Bisthum Würzburg der 2. Oct., in Pommern der 3. Juli seiner Erinnerung geweiht ist. Das Grab des Heiligen wurde allmählich ein Wallfahrtsort. Außer dem Leibe des Heiligen werden in Bamberg noch die Insel, sein Meßgewand und sein Gehstock aufbewahrt. Letzterer ist aus Fichtenholz mit einer Krücke aus Gemsenhörnern. Oben um den Ring findet sich die bezeichnende Umschrift: Gracia. Dei. svm. it. gvot. svm. (Durch Gottes Gnade bin ich was ich bin.) Auch an mehrere der von ihm gestifteten Klöster kamen Reliquien des Heiligen, namentlich nach Banz, Michelfeld, Prüfling und Schwarzach. Im Jahre 1587 erhielt das Profeßhaus der Jesuiten in Lissabon einen Arm des Heiligen. Die dermalige kathol. Hauptkirche Pommerns, zu Stargard, erhielt erst im J. 1865 eine größere Reliquie, welche für die Rückkehr jenes Landes zur katholischen Kirche gewiß von größter Bedeutung ist. Ohne Zweifel werden wir seiner Fürbitte die Missionen auch in unserer Zeit mit dem besten Erfolge empfehlen. Zu seinen Reliquien darf man auch 38 Homilien zählen, welche von ihm noch vorhanden sind. Zum Schlusse müssen wir noch anführen, daß wir dieses Lebensbild größtentheils dem Buche von Sulzbeck: »Leben des heil. Otto, Regensburg 1865« entlehnt haben. Sehr dürftig und theilweise unrichtig ist die Darstellung bei Butler und in den Legenden, welche dieses Werk hauptsächlich als Quelle benützt haben. Das schon gewürdigte »Ottobüchlein von E. Bernard«, Stettin 1824, verdient nur als Curiosität noch Beachtung. Außerdem nennen wir Kannegießer, Bekehrungsgeschichte der Pommern, Klempin, die Biographien des Bischofs Sito und deren Verfasser, Rion, Leben und Thaten des hl. Otto (Bamberg, 1833) und besonders den Berliner St. Bonifacius-Kalender, Jahrg. 1865 und 1866. (I. 349–465.)



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