Hildegundis, S. (1)

Hildegundis, S. (1)

1S. Hildegundis, V. (20. April). »Nicht Alles, was von dieser Heiligen berichtet wird, verdient unsere Nachahmung, obgleich wir ihrem ganzen Lebenslaufe unsere Bewunderung nicht versagen können etc.« Indem wir diese bei Butler (XIX. 470) sich findenden Worte adoptiren, bemerken wir, daß das Leben der hl. Hildegund, welches von einem frommen Priester geschrieben wurde, der die Heilige kannte und in der letzten Zeit ihr geistlicher Führer war, bei den Bollandisten ohne Widerspruch Aufnahme gefunden hat, und daß auch Cäsarius von Heisterbach davon Erwähnung macht. Nach dieser Lebensbeschreibung kam die hl. Hildegund mit einer Zwillingsschwester, Namens Agnes16, auf das Gebet ihrer wohlhabenden und frommen Eltern, welche nach Butler adelig gewesen seyn mögen und zu Neuß (Novesium, Nussia) im Kölnischen lebten, aber lange ohne ehelichen Segen blieben, zur Welt. Das Geburtsjahr ist zwar nirgends angegeben; doch werden wir von der Wahrheit nicht sehr ferne seyn, wenn wir annehmen, daß sie um das Jahr 1170 geboren wurde. Der Vater gab die beiden Mädchen in ihrer ganz frühen Jugend in ein Kloster ihrer Vaterstadt zur Erziehung. Während er mit dem Entschlusse sich trug, eine Wallfahrt nach Jerusalem zu machen, starb seine Frau im Rufe der Heiligkeit. Er entschloß sich nun, seine Tochter Hildegund mitzunehmen, die damals etwa 12 Jahre alt seyn mochte, wie Jesus, als er mit seinen Eltern nach Jerusalem zog. Damit sie sicherer reiseten, hatte er ihr die Haare geschoren, sie männlich gekleidet und ihr den Namen Joseph gegeben. So schlossen sie sich mit einem Diener einem eben abgehenden Wallfahrtszuge an und kamen glücklich auf das Meer. Da starb der Vater und wurde im Meere begraben. Indessen gelangte sie doch, die Schifffahrt fortsetzend, mit dem Diener, welchem der sterbende Vater sie empfohlen hatte, nach Jerusalem. Dort sah sie das Grab des Herrn und gelangte dann nach St. Jean d'Acre (Acco) zurück, wo die Schiffe zu landen pflegten. Hier beging Nachts, da sie schlief, der treulose Knecht an ihr das Verbrechen, daß er ihr alle Habseligkeiten stahl und sich davon machte. Schon am andern Tage kam aber Jemand, der sie tröstete und mit sich nach Jerusalem zurückführte. Dort wurde sie ins Haus der Tempelherren aufgenommen und konnte nun während eines Jahres die heiligen Stätten nach Herzenslust sehen. Da kam ein naher Anverwandter von ihr nach Jerusalem und fragte nach ihrem Vater. Er erkannte aber die verkleidete Hildegund nicht, sondern machte dem »Joseph« das Anerbieten, ihn nach der Heimat zurückzubringen. Sie waren nicht mehr weit von dem Kölnischen Gebiete entfernt, als auch dieser Anverwandte starb, nachdem er dem »Joseph« seine Baarschaft vermacht hatte. Die Jungfrau aber wendete sich Köln zu, um irgendwo bei rechtschaffenen Leuten ein Unterkommen zu finden. Der junge Pilger, der sie zu seyn schien, fand um das Jahr 1185 Aufnahme bei einem Kanoniker, der ein großes Haus in der Stadt besaß. Dieser hatte mit dem Erzbischof Philipp von Heinsberg eben einen Streit und wollte daher nach Rom reisen, um ihn dort schlichten zu lassen. Da »Joseph« des Weges und der Sprache kundig war, bat er ihn, sein Begleiter zu werden. Glücklich kommen sie nach Mainz, ziehen durch Schwaben und gelangen endlich nach Zusmarshausen, einem sechs Stunden westlich von Augsburg gelegenen Marktflecken, wo sie übernachten, um mit der nächsten Morgendämmerung unbemerkt in Augsburg einzuwandern. Der Herr selbst nahm ein Pferd, »Joseph« aber ging zu Fuß, um desto weniger auffallend zu seyn. Während er nun in dem nahen Walde dahinschritt, wirft ihm plötzlich ein nachgefolgter Unbekannter der in verwichener Nacht in dem Orte gestohlen hatte, seinen Sack hin, mit dem Bemerken, daß er in Bälde wieder komme. »Joseph« nimmt ohne Arg den Sack, wird aber von den Bestohlenen, welche dem Diebe nachgeeilt waren, als Thäter ergriffen und ungeachtet seiner Unschuldsbetheuerung zum Tode verurtheilt. Nur so viel Gnade erlangt er, noch die heil. Sacramente empfangen zu dürfen. Der Priester befragt nun den »Joseph« um die Thatsache, erfährt den ganzen Hergang, läßt sich dann den Gauner beschreiben, und es lenkt sich sein Verdacht sogleich auf einen ihm bekannten nichtsnutzigen Verschwender, auf welchen er sogleich fahnden läßt. Der Dieb wird auch wirklich ergriffen und ungeachtet seines Läugnens gehängt, da die angewandte Feuerprobe gegen ihn entscheidet. »Joseph« wird als unschuldig entlassen. Der Priester spendet ihm noch ein kleines Geldgeschenk und seinen Segen. Im Walde aber überwältigen ihn die Verwandten des Gehenkten und knüpfen ihn an einem Baume auf. Da kam nun, wie die Lebensbeschreibung weiter erzählt, ein Engel, der die hl. Hildegund befreite und ihr sagte, »sie werde nach Rom und dann nach Besorgung ihrer Angelegenheit nach Speyer kommen, ein guter Bruder aber werde sie nach Schönau zu den Cisterciensern führen, wo sie das Ordenskleid und die Tonsur bekommen, aber ehe ihr Probejahr verstossen sei, in den Himmel eingehen werde.« Und sogleich hörte sie Gesänge himmlischen Wohllautes. Sie fragte, was dieß bedeute. Der Engel aber sprach zu ihr: »Deine Schwester Agnes, die im Kloster verschied, geleiten meine Gefährten in die ewige Seligkeit.« Hierauf kam die hl. Hildegund mit Hilfe des Engels nach Verona, wo sie den Kanoniker wieder fand, der große Freude an ihrem Wiedersehen hatte. Sie reisten nun weiter nach Rom und von dort nach Speyer, dessen Bischof Rabodo vom päpstlichen Stuhle als Schiedsrichter delegirt wurde. Da sie aber diesen nicht trafen, reiste der Kanoniker nach Köln, »Joseph« dagegen blieb in Speyer und wohnte bei einer frommen Reclusin, Namens Melchtildis, besuchte jedoch dabei die Schule bei St. Moriz. Als sich die Nachricht davon verbreitet hatte, kam ein Laienbruder, Berthold mit Namen, der einst in der Welt ein Rittersmann gewesen, und fragte nach dem studirenden Jünglinge. Als er ihn traf, beredete er ihn mit freundlichen und beweglichen Worten zum Eintritte in das Cistercienser-Kloster Schönau (Schonaugia) bei Heidelberg. Nach längerem Weigern verstand sich Joseph (Hildegund) dazu und erhielt auch die Aufnahme, ohne daß man ihn kannte. In Schönau blieb nun »Joseph«, manche Versuchungen von Seite des bösen Feindes, der ihn zum Austritte aus dem Kloster bewegen wollte, bestehend und selbst auch die schwerern Arbeiten nach Möglichkeit vollziehend, so daß man deßhalb keinen Argwohn fassen konnte. Doch konnte der Noviz. »Joseph« das Probejahr nicht vollenden; es stellte sich gegen die Fastenzeit Kränklichkeit und am Ostermittwoch die Auflösung ein. So starb die hl. Hildegund am 20. April 1188 als Noviz »Joseph«, und erst nach ihrem Tode entdeckte man ihr Geschlecht. Als man hernach die gewöhnliche Todesanzeige an die übrigen Klöster machte, mit der Bitte um das Gebet für die Verstorbene und um etwaige Aufschlüsse, kam von Neuß her, wo sie erzogen worden war, die Nachricht, daß sie die von ihrem Vater vor einigen Jahren ins heilige Land mitgenommene Hildegund sei. Ueber ihre Verehrung besteht kein Zweifel. Auch bei Butler ist sie zu den »Heiligen« gezählt. Bei Migne u. A. wird sie »selig« genannt, und beigefügt, daß die Orden der Cistercienser und Benedictiner ihren Festtag alljährlich am 20. April begehen. Ihr Leben hat einige Aehnlichkeit mit S. Euphrosyna1 (S. 116). (II. 780–790.)



http://www.zeno.org/Heiligenlexikon-1858. 1858.

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