- Angela, S. (2)
2S. Angela, V. (6. Juli). Ehe der gelehrte Bollandist Joh. Pinius an die kritischen Bemerkungen über das »Leben« der hl. »Angela von Böhmen« geht, drückt er den Wunsch aus, daß es ihm möglich seyn möchte, alles für wahr und authentisch zu halten, was in diesem ihrem »Leben« enthalten ist. Allein dieß ist ihm so wenig möglich, daß er mit seinem großen Vorfahrer Papebroch zur Ueberzeugung kommt, es habe gar keine Angela von Böhmen, die eine Tochter des Königs Raymund von Böhmen gewesen und dem Orden der Karmeliter angehört, gegeben, und diese hl. Angela sei muthmaßlich in Sicilien geboren und habe dort ein einsiedlerisches Leben geführt. Der gelehrte Hagiolog spricht sich darüber nicht bestimmt aus, er gibt nur die Beweise für und gegen die Ansicht der Karmeliter, die Alles für wahr halten, was in jenem Leben steht; aber die Gegenbeweise scheinen die Beweise für die karmelitische Annahme zu überwiegen, und zwar so sehr, daß man versucht seyn möchte, der muthmaßlichen Meinung Papebrochs beizustimmen. Nach dieser Vorausbemerkung geben wir in Kürze die Lebensumstände der hl. »Angela von Böhmen«, wie sie gewöhnlich genannt wird, und bemerken nur noch, daß dieß ihr Leben von einem Verfasser herrührt, der nach dem Jahre 1410 gelebt hat, während diese hl. Angela nach den Einen um das Jahr 1190, nach den Andern um das Jahr 1230 geblüht haben soll. – Die hl. Angela, heißt es daselbst, war in Prag geboren und die Tochter des Königs von Böhmen, den Einige Raymund, Andere Wladislaus II. nennen. Sie war eben so schön von Leibesgestalt als ausgezeichnet an geistigen Gaben, weßhalb die Eltern ihr eine sorgfältige Erziehung geben ließen und sie in einem Kloster zu Prag unterbrachten. Bei einer Erscheinung von ihrem Engel belehrt, daß der Vater in Bälde zu ihr in's Kloster kommen und sie mit dem Königssohn von Ungarn vermählen wolle, nahm sie die Flucht aus dem Kloster, eilte nach Konstantinopel und von da nach Jerusalem zu den hhl. Stätten, wo sie um Aufnahme in das Kloster der Karmeliterinnen nachsuchte, wie sie vom Engel belehrt worden war. Sie fand hier nicht nur freudige Aufnahme von Seite der Priorin, die in einem nächtlichen Gesichte sie gesehen hatte, sondern sie wurde auch nach dem Tode der Oberin an ihre Stelle gewählt, vorzüglich auf Zuthun des Patriarchen Johannes, der bei der hl. Messe eine Erscheinung hatte, in der sie ihm als die tauglichste angezeigt worden war. Nachdem sie 35 Jahre dem Hause als hellleuchtendes Muster aller Tugenden vorgestanden war, und die Sarazenen heranrückten, um Jerusalem den Lateinern zu entreißen, wurde sie von der seligsten Jungfrau, die ihr erschien, aufgefordert, die hl. Stadt zu verlassen und in ihr Vaterland zurückzukehren. In Prag angelangt, lebte sie in der Einsamkeit, bis sie der Herr zu sich heimholte und sie in die Schaar seiner hhl. Jungfrauen aufnahm. Diese Geschichte hat so viele Erscheinungen und plötzliche Wendungen, daß man schon um derentwillen mit Pinius versucht ist, ihr den Glauben zu versagen und sie in das Gebiet der Sagen zu verweisen.
http://www.zeno.org/Heiligenlexikon-1858. 1858.