Lidwigis, B.

Lidwigis, B.

B. Lidwigis, (14. Apr.), gewöhnlicher Lidwina, auch Lydwigis, Lydwich, Lydwina, Lydwyt, Lidia, Lydia, eine fromme leidende Jungfrau zu Schiedam in Holland, war die Tochter eines gewissen Petrus, der obwohl von adelichem Geschlechte stammend, doch in einer solchen Armuth sich befand, daß er die Dienste eines Nachtwächters zu übernehmen gezwungen, übrigens ein sehr rechtschaffener Mann war. Seine Frau Petronilla, die ihm außer dieser Tochter noch 8 Sühne geboren hatte, war ebenfalls sehr fromm, besonders aber sein Vater Johannes, der ein Alter von 90 Jahren erreichte. Das wunderbare Leben unserer sel. Lidwina ist öfter beschrieben worden und zwar vorzüglich von dem frommen Franciscaner-Observanten Johannes802 Brugmann, welcher es zuerst bald nach ihrem Tode nach verschieden Erzählungen und Aufschreibungen, so wie nach den Unterredungen mit ihrem Beichtvater Johannes Walther von Leyden kurz verfaßte, dann ausführlicher nach einer holländischen Beschreibung ihres Verwandten Johannes Gerlach, die er in's Lateinische übersetzte und mit andern Documenten vermehrte, welche größere Arbeit von dem allbekannten Thomas Hamerken (Malleolus) von Kempen in einen Auszug gebracht wurde, bei den Bollandisten aber am 14. April (II. 270–303) als Prior Vita steht, und endelichim J. 1456 nach mehreren ausführlichen schriftlichen Notizen ihres Beichtvaters, welche Vita zuerst im J. 1498 zu Schiedam gedruckt wurde und bei den Bollandisten (pag. 303–363) in drei Theilen als Vita posterior steht. Nach diesen Lebensbeschreibungen, die dann auch von Surius bearbeitet wurden und in mehreren Sprachen erschienen, wurde die sel. Lidwina am 18. März 1380, auf welchen damals der Palmsonntag fiel, während in der Kirche die Passion gesungen wurde, zu Schiedam, einer bei Rotterdam am Einflusse der Schie in die Maas gelegenen Stadt der Provinz Südholland, geboren. In der heil. Taufe erhielt sie den Namen Lidwina154 oder Lydwya, was nach Brugmann ebenso wie ihre Geburt während der Passion auf die vielen Leiden hindeutete, welche sie während ihres Lebens für lebende und gestorbene Glieder der Kirche an ihrem Leibe zu ersetzen hatte (Col. 1, 24). Schon als kleines Wickelkind hatte sie viele Leiden zu erdulden, indem unter schrecklichen Schmerzen mehrere Steinchen von ihr abgingen etc. Von ihren frommen Eltern in aller Frömmigkeit erzogen, ging ihr ganzes Verlangen nach dem Wohlgefallen Gottes, das sie sich durch ein frommes Leben zu erwerben suchte. Da sie von außerordentlicher Schönheit war, wurde sie schon im 12. Jahre ihres Lebens zur Ehe begehrt. Sie aber wies alle Anträge zurück; denn ihr zartes, keusches, jungfräuliches Herz entbrannte nur für Jesus Christus, ihren himmlischen Bräutigam, und für die seligste Jungfrau, die sie von Kindheit an auf das Zärtlichste verehrte. Nun bat sie den lieben Gott, daß er ihr die so gefährliche Gabe der Schönheit nehmen möchte, und Er erhörte auch ihre Bitte. Als sie im 15. Lebensjahre sich befand und eben von einer Krankheit sich erholt hatte, wurde sie am Lichtmeßtage den 2. Febr. 1395 von einigen Freundinnen eingeladen, mit ihnen auf das Eis zu gehen und mit Schlittschuhlaufen sich zu unterhalten, wie das in jenen Gegenden gebräuchlich ist. Nur ungern ließ sie sich dazu bewegen; aber sie ging doch und zwar, wie die Vita posterior sagt, blos um zuzuschauen, während sie nach der Vita prior selbst mit Schlittschuhen (soleae ligneae sufferratae) versehen auf dem Eise sich befand. Da geschah es denn, daß sie von einer Freundin, die im schnellen Laufe auf dem Eise daher kam und sich nicht mehr halten konnte, umgefahren wurde und so heftig auf einen Haufen Eisschollen fiel, daß sie eine kleine Rippe der rechten Seite brach, wodurch sie in ein bleibendes Siechthum versetzt wurde, welches sie bis zum Ende ihres Lebens (also 38 Jahre lang) mit bewunderungs würdiger Geduld ertrug. Anfangs entstand ein Apostem, welches kein Arzt heilen konnte, und als dieses endlich von selbst aufbrach, wurde sie so schwach, daß man ihren Tod nahe glaubte. Nun kamen noch viele andere Krankheiten hinzu, so daß sie sich kaum mehr bewegen konnte. Dabei nahm ihr Magen keine Speise mehr zu sich, und höchstens konnte sie nur ein wenig Wasser behalten. Anfangs konnte sie mit großer Mühe noch hie und da in die Kirche gebracht werden, um durch die heil. Communion sich zu stärken; aber nach 3 Jahren wurde sie so elend, daß sie das Bett nicht mehr verlassen konnte und 33 Jahre lang den Boden nicht mehr berührte. In der ersten Zeit genoß sie manchmal ein wenig Brod mit Buttermilch (lac sorbellum) oder süße Milch etc. etc., aber 19 Jahre lang gar nichts mehr155, und 17 Jahre lang lag sie auf dem Rücken und konnte nur den Kopf und den linken Arm bewegen. Dabei verlor sie viel Blut, hatte 7 Jahre lang ein heftiges 3tägiges Fieber, welches sie quälte, und in ihrem Körper Würmer, die aus ihren stark eiternden Wunden hervor kamen. Die geschicktesten Aerzte besuchten sie, und unter diesen auch der damals berühmte Dr. Godefridus ab Haga, mit dem Beinamen »Sonderdank«156; aber Niemand konnte ihr helfen, und man erkannte endlich, daß hier eine höhere Hand thätig sei, da sie bei allen diesen vielen entsetzlichen Leiden doch immer heiter und gottergeben war. Neunzehn Jahre vor ihrem Tode bekam sie auch noch die Wassersucht, während welcher Zeit sie weder Speise noch Trank noch Schlaf genoß. Dabei hatte sie auch noch öfters Blutbrechen, so wie arge Kopf-, Zahn- und Steinschmerzen etc. – Im J. 1403, im 8. Jahre ihrer Krankheit, starb ihre Mutter, für welche sie auch noch die Buße übernahm, einen Bußgürtel (cingulum cilicinum) zu tragen. Was sie von ihr geerbt hatte, theilte sie unter die Armen aus; sie selbst aber, die anfangs in Federbetten gelegen war, lag längere Zeit auf Stroh, ja auch auf bloßen Brettern, was ihr besonders bei der großen Kälte im J. 1408 sehr schmerzlich fiel. Bei all ihrer Armuth unterstützte sie aber doch viele Arme mit dem Almosen, welches gute Leute ihr gaben; nur ihr Vater, welcher auch die Armuth liebte, wollte davon nichts nehmen, sondern lebte in großer Dürftigkeit, bis endlich der Herzog Wilhelm von Bayern, Graf von Holland, mit seiner Gemahlin Margaretha bei einem Besuche der Stadt Schiedam von dieser Armuth Kenntniß erhielt und ihm eine kleine jährliche Unterstützung reichen ließ, so daß er nun den Nachtwächterdienst aufgeben und die Kirchen fleißig besuchen konnte, was er auch bis zu seinem Tode, dessen Zeit übrigens nicht angegeben ist, redlich that. – Je größer aber die Leiden der sel. Lidwina waren, desto größer waren auch ihre Tröstungen. In den ersten drei Jahren ihrer Krankheit fiel ihr dieselbe wohl sehr schwer, und sie wünschte die Gelegenheit. Als aber einmal ihr Beichtvater Johannes Pot, der sie damals zweimal im Jahre zu communiciren pflegte, ihr den Rath ertheilte, daß sie ihren Willen dem göttlichen Willen unterordnen und in der Betrachtung des Leidens Jesu sich üben solle, da fand sie nach und nach in dieser Uebung einen solchen Trost, daß sie sagte, wenn sie durch ein Ave Maria ihre Gesundheit erlangen könnte, so würde sie es nicht thun oder wünschen. Sie theilte die Leidensgeschichte des Herrn nach den 7 kanonischen Stunden in 7 Theile, die sie dann Tag und Nacht in bestimmten Zeiten betrachtete, bei welchen Uebungen sie mit solcher süßen Freude erfüllt wurde, daß nun nicht mehr sie selbst zu leiden schien, sondern Der, Dessen Leiden sie betrachtete. Jetzt empfing sie auch öfter die heil. Communion, durch welche ihr ebenfalls himmlische Tröstungen zu Theil wurden, und durch diese zwei Mittel (Communion und Betrachtung) erlangte sie einen so hohen Grad von Vollkommenheit, daß nun nicht mehr sie, sondern Christus in ihr zu leben schien. Dabei wurde sie durch öftere Erscheinungen von Engeln und dann auch mit Ekstasen begnadigt, und sie versicherte selbst einen frommen Priester, welcher sie besuchte, daß sie fast jede Nacht zu den Himmlischen entrückt werde, wodurch sie so gestärkt sich fühle, daß ihr auch die größten Leiden als Süßigkeiten vorkommen. Diese Entzückungen fanden 24 Jahre lang täglich statt, und ihr Geist ward, während ihr Leib fast leblos dalag, in die verschiedensten Gegenden, besonders auch in das heil. Land entrückt, wo der Heiland einst lebte, litt und starb. Bisweilen sah man sie in der Nähe ihres Krankenbettes in freier Luft über dem Boden ihrer Zelle schwebend, und ihre Wohnung, wie auch ihr Angesicht, von einem solch' himmlischen Lichtglanze umschlossen, daß der Sohn ihres Bruders, der sie bediente, entfliehen wollte. Ihre Wohnung, wie auch ihr mit Geschwüren und Würmern überfüllter Leib war von balsamischen Wohlgerüchen durchdrungen. Einmal wurde sie in den Himmel versetzt, wo ihr Haupt von der Gottesmutter mit einem duftenden Blumenkranz geschmückt wurde, mit dem sie dann durch ihren Beichtvater das Marienbild der abgebrannten Kirche ihres Ortes bekränzen ließ. Auch erhielt sie mehrere Offenbarungen über den Zustand der Verstorbenen. Eines Tages erschien ihr Christus in Gestalt eines gekreuzigten, mit 5 Wunden geschmückten Knaben, der sich auf ihre Bitte, irgend ein Zeichen ihr zurückzulassen, in eine Hostie verwandelte, die mit einem Strahlendiadem umgeben war und, wie das Bildniß des Gekreuzigten, 5 blutige Wundmale hatte. Nach der Vita posterior (pag. 331 ff.) war sie auch selbst stigmatisirt, d.h. mit den Wundmalen des Herrn versehen. – Damit aber die himmlische Krone der Dienerin Gottes vollkommen werde, kamen zu den körperlichen auch noch andere Leiden. Hatte sie früher schon von dem Pfarrer des Ortes, der ihr die heil. Communion öfter sehr unfreundlich verweigerte, viel zu leiden gehabt, so kam im J. 1525 noch ein anderes äußeres Leiden. Als nämlich in diesem Jahre der Herzog Philipp von Burgund bei dem Einzuge in Holland auch nach Schiedam kam, desuchten einige Vorwitzige aus seinem Gefolge unsere sel. Lidwina und verursachten ihr viele Trübsale, die sie aber ebenfalls mit Starkmuth erduldete. Gegen das Ende ihres Lebens wurde sie noch von der Pest angesteckt, an welcher damals viele Menschen in Schiedam starben; auch die Steinschmerzen machten ihr wieder sehr viele Beschwerden. Dafür wurde ihr aber die Freude zu Theil, daß sie am Osterfeste das »Alleluja« im Himmel singen hörte, und ihre baldige Auflösung ihr kund gegeben wurde. Am Osterdienstag bat sie ihren Beichtvater Johannes, der sie am Morgen besuchte, er möchte veranlassen, daß an diesem Tage kein Besuch zu ihr komme, indem sie allein seyn wolle, mit Ausnahme ihres Neffen Baldewin (Balduin), der sie bediente. Nun hatte sie von 7 Uhr Morgens bis 4 Uhr Abends wenigstens 20mal ein heftiges Erbrechen und wurde dabei so geängstigt, daß sie nach ihrem Beichtvater verlangte, und der Neffe fort lief, um ihn zu holen. Als sie zurück kamen, war sie schon todt, und so ihr Wunsch erfüllt worden, daß sie allein sterben dürfe. Dieses geschah am 14. April 1433, nachdem sie 53 Jahre lang gelebt und 38 Jahre lang gelitten hatte. Am Freitage darauf wurde sie im Friedhofe der Kirche zum hl. Johannes dem Täufer in Schiedam zur Erde bestattet. – Wie Gott der Herr die fromme Dulderin schon bei ihren Lebzeiten durch viele Gebetserhörungen ausgezeichnet hatte, so verherrlichte Er Seine treue Dienerin auch nach ihrem Tode durch viele Wunder, und auch Thomas von Kempen, ihr Landsmann und Zeitgenosse, führt drei derselben an, von welchen er Augenzeuge gewesen157. Man er richtete ihr schon im folgenden Jahre 1434 in der Pfarrkirche von Schiedam, die seitdem ihren Namen führt, ein Grabmal von Marmor, um welches herum in Wandgemälden ihre Lebensgeschichte dargestellt wurde. Das Haus ihres Vaters wurde in ein Kloster der grauen Schwestern vom 3. Orden des hl. Franciscus verwandelt. Die dabei befindliche Kapelle wurde aber im J. 1572 von den Calvinisten zerstört, und das Kloster in ein Waisenhaus verwandelt. Die Gebeine der sel. Lidwina brachte man nach Brüssel, wo sie im Collegiatstifte der hl. Gudula ehrenvoll aufbewahrt wurden; die Infantin Isabella versetzte die Hälfte davon in die von ihr gestiftete Kirche der Carmeliterinnen; dermalen aber befinden sie sich in der Hauptkirche von Schiedam. Die sel. Lidwina wird abgebildet, die Haare mit Rosen umkränzt, in der einen Hand ein Cruzifix, in der andern einen blühenden Zweig tragend, im wallenden Gewande, bald in ganzer Statur, bald als Brustbild, bald einen Engel ihr zur Seite, bald allein, jedoch so, daß Kleidung und Haltung keine bedeutende Abweichung zeigen. Die Bollandisten haben (p. 365) auch einen Hymnus zu Ehren der sel. Lidwina, die von ihnen, wie gesagt, am 14. April behandelt wird, und zwar unter dem Namen Liwigis, weßwegen auch wir sie unterdiesem Namen aufführten. Im Mart. Rom. ist sie nicht enthalten (II. 267–368).



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