- Medardus, S. (1)
1S. Medardus, Ep. (8. Juni al. 9. Sept.). Dieser hl. Medardus, Bischof von Noyon (Noviomum) und Tournay (Tornacum), war der Sohn eines fränkischen Freien, Namens Nectardus; seine Mutter war römischer Abstammung und hieß Protagir. Zu Salency (Salentiacum) in der Picardie erblickte er um d.J. 457 das Licht der Welt. Schon als Knabe gab sich seine zukünftige Größe zu erkennen. Eines Tags gab er ein Kleid, das ihm seine Mutter gemacht hatte, einem Blinden, der ihn um eine Gabe bat. Oefter auch entzog er sich Speisen und gab sie den Armen. Auf diese Weise übte er gottgefällige Enthaltung in einem Alter, wo man kaum weiß, was es heißt, seine Begierden unterdrücken (Butler, VII. 532). Seinem ältern Mitschüler Eleutherius sagte er einst im Scherze voraus, daß er Bischof werden müsse.190 In der That wurde Eleutherius um d.J. 487 Bischof von Tournay (H.-L. I. 26). In dieser Stadt vollendete der hl. Medardus seine zu Vermand (Veromandia, Vermandum, auch Augusta Verumandorum) begonnenen Studien. Der Bischof Alomer von Vermand weihte ihn zum Priester und empfahl ihn wegen seiner Frömmigkeit und seines Eifers zu seinem Nachfolger. Er bestieg also den bischöflichen Stuhl von Vermand um d.J. 530. Man nimmt gewöhnlich an, er sei vom hl. Remigius, Bischof von Rheims, zwei Jahre vor dessen Tod consecrirt worden. Um jene Zeit war die Picardie, insbesondere aber die Gegend um Vermand, die jetzt noch Vermandois heißt, zahllosen feindlichen Einfällen von Seite der angrenzenden heidnischen Ripuarier etc. ausgesetzt. Er übertrug also den bischöflichen Sitz nach dem besser gelegenen und befestigten Noyon. Der Ort ist nach Westen und Osten mit Felsenabhängen umgeben, und konnte nach den offenen Seiten durch geringe Mannschaft gegen einen plötzlichen Ueberfall leicht vertheidigt werden. Er mußte aber auch (im J. 532) das Bisthum Tournay annehmen, obwohl er sich nach Kräften hiegegen sträubte. Die Bisthümer Noyon und Tournay blieben von da an fünf Jahrhunderte lang vereiniget. König Chlotar I. († 561) begünstigte die Wahl. Dieselbe war sehr glücklich. Der hl. Medardus war, wie seine Biographie sagt, während der fünfzehn Jahre, die er seinem hl. Amte vorstand, ein kostbarer Hoherpriester, mit wahrhaft himmlischem Wandel, dem zum Martyrium nur der Peiniger seines Leibes fehlte. Besonders schmerzlich waren ihm schwere Verleumdungen die gegen ihn ausgestreut wurden. Er siegte über sie durch seine Tugenden und erhielt zum Lohne die Krone des Lebens. Er verrichtete Wunder von mancherlei Art: einem Blinden gab er das Gesicht, einem Weindiebe, der nicht vom Platze gehen konnte, die Freiheit. Er war freigebig im Almosen, berühmt an Tugenden und hatte den Geist der Weissagung. Viele Heiden führte er durch seine Predigt und die Heiligkeit seines Wandels in die Kirche Gottes ein, und brachte sie zu reinern Sitten. Die hl. Königin Radegundis erhielt von ihm den Schleier. Als er in sehr hohem Alter (protenta longaevitate defessus) starb, beiläufig im J. 545 (gewiß nicht im J. 556, wie das Propr. Tornac. v. J. 1731 las), erschienen himmlische Lichter, die im Angesichte Aller ungefähr drei Stunden lang seinen Hintritt verherrlichten. Aus seinem Munde flog eine Taube zwei andern vom Himmel kommenden entgegen. Er wurde im Dome von Tournay beigesetzt. Sein Name steht beinahe in allen lateinischen Martyrologien. Seine Thaten sind durch Venantius Fortunatus, Gregor von Tours u. A. der Nachwelt überliefert worden. Reliquien von ihm wurden in viele Städte übertragen, z.B. und zwar zunächst auf Befehl Chlotars I., welcher den hl. Schrein selbst auf seinen Schultern trug, nach Soissons, wo bei dieser Gelegenheit viele Wunder geschahen (8. Juni), nach Dijon (9. Sept.), nach Jodoigne (Geldonacum) bei Löwen, nach Cöln, Trier, Paris, Prag u. a. O. Ueber das Rosenfest, das zu Salency, das dem hl. Medardus gehörte, bis auf den heutigen Tag gefeiert und als eine Stiftung des Heiligen angesehen wird, mit der Bestimmung, daß jährlich am 8. Juni dem tugendhaftesten Mädchen des Dorfes ein Rosenkranz aufgesetzt und ein Geldgeschenk (ungefähr 50 Thaler) erhalten sollte, findet sich bei Butler (VII. 529. Anm.) eine sehr anziehende Schilderung. Wie er zu der Ehre eines »Heupatrons« gekommen ist, erzählt Radbodus, welcher im eilften Jahrhunderte Bischof von Tournay war: an einem Regentage nahm den Heiligen als er noch ein Knabe war, ein Adler mit ausgebreiteten Flügeln unter seinen Schutz, so daß er trocken blieb. Er ist überhaupt Patron der Fruchtbarkeit, ins besondere des Weinstocks. Bekanntlich hat man es nicht gerne, wenn es an seinem Festtage regnet; es regnet sonst, nach der Bauernregel, vierzig Tage. Die Größe dieses Heiligen und das Vertrauen der Gläubigen zu ihm zeigt sich auch in der Mannigfaltigkeit der ihn darstellenden Bildnisse. Man sieht ihn nämlich: 1) als Bischof, ein Buch in der Hand tragend, und neben sich einen Ochsen; 2) deßgleichen um Aufhören des Regens betend; 3) mit einem über seinem Haupte schwebenden Adler, manchmal auch einem andern Vogel; 4) mit einer Schafheerde; 5) mit seinen Religiosen sprechend; 6) Almosen spendend; 7) mit drei weißen Tauben über sich, von welchen zwei vom Himmel herabschweben, eine aber hinaufsteigt (eine Erinnerung an sein Begräbniß); 8) weil er in einer Grenzstreitigkeit zwischen zwei Edelleuten einen Stein als Mark setzte und mit seinem Fuße besiegelte, wird er auch dargestellt, wie er diese Handlung vollzieht; 9) die Gelübde der hl. Radegundis aufnehmend. Noch andere Motive bietet unsere kurze Darstellung seines Lebens. (II. 72–105).
http://www.zeno.org/Heiligenlexikon-1858. 1858.