Rhabanus, S.

Rhabanus, S.

S. Rhabanus, Archiep. Mogunt. (4. Febr.) Der heil. Rhabanus (Hrabanus, Rahanus) mit dem Familiennamen Magnentius und dem Zunamen Maurus16 wurde zu Mainz nicht in Fulda17, aus einem alten und angesehenen fränkischen Geschlechte geboren. Er ist also weder ein Schotte noch ein Engländer, wie früher von Einigen geglaubt wurde. Das Geburtsjahr ist nicht ganz sicher; Trithemius und Andere, welche diesem Schriftsteller folgen, nennen den 2. Febr. 788, Henschenius 785, Mabillon 776, und Kunstmann ist geneigt, bis auf d. J. 774 zurückzugehen. Seine Eltern hießen nach Trithemius Rudhard und Adelgunde; nicht glaubhaft ist, wie Kunstmann nachgewiesen hat, daß sie Walram und Walrade geheißen haben. Sonst ist über seine Familienverhältnisse Nichts bekannt; nur daß er einen vor ihm verstorbenen Bruder hatte, welcher Tutin hieß, ist aus dessen vom hl. Rhabanus gefertigten Grabschrift zu entnehmen. Seine erste Erziehung besorgten die Eltern. Er wurde frühzeitig im Lesen und Schreiben, aber auch in der Erkenntniß Jesu Christi und der Befolgung seiner Gebote unterrichtet und geübt. Wenn Vater und Mutter in die Kirche und zu den Sacramenten gingen, durften die beiden Kinder jedesmal mitgehen. Der kleine Rhabanus war an Geist und Körper so wohl ausgerüstet, daß er zu den schönsten Hoffnungen berechtigte. Um d. J. 785, als er etwa 9 Jahre zählte, brachten ihn seine Eltern am Tage des hl. Benedictus. 21. März, nach Fulda, (Fulda, Vuldaha, gegründet i. J. 744), wo damals der Abt Baugolf (780–802) dem aufblühenden Stifte mit Weisheit und Frömmigkeit vorstand, mit dem Gelöbnisse, niemals auf irgend eine Weise dazu mitzuwirken oder beizustimmen, daß er das Kloster wieder verlasse, und der Knabe gab hiezu in kindlicher Frömmigkeit und Ergebung seine Zustimmung. Hier empfing der hl. Rhabanus seine weitere Erziehung und Ausbildung. Mit den Jahren wuchs auch seine Lernbegierde, und wir wissen von ihm selbst, daß er die Vorträge seiner Lehrer mit dem sorgfältigsten Fleiße aufs Papier brachte. Eine so gründliche und vielseitige Gelehrsamkeit, wie sie Zeitgenossen und Spätere an ihm bewunderten, wird nur durch planmäßiges und anhaltendes Studium erworben. Um seine Bildung zu vollenden, wurde er um d. J. 803 oder etwas früher, da Alcuin schon am 19. Mai 804 gestorben ist, mit seinem Mitbruder und Mitschüler Hatto vom Abte Ratgar zu Alcuin nach Tours gesendet, wo er ein Jahr verweilte. An ihm gewann er nicht bloß einen vortrefflichen Lehrer, sondern auch einen zweiten Vater, dessen Worte und Beispiele er sich tief ins Gedächtniß und ins Herz einprägte. Die Ermahnungen, welche er ihm später noch gab, sind uns ein erwünschter Nachklang aus der Lehrzeit des heil. Rhabanus und so rührend, daß wir uns die Freude nicht versagen können, Einiges davon herzusetzen: »O mein theuerster Sohn,« schrieb er ihm, »übe dich in der Liebe Gottes; dein Lebensschmuck sei die Verrichtung der Kirchendienste; besuche fleißig die Vigilien und Gebetsstunden; säume nicht, Tag und Nacht dem Studium eifrig zu obliegen; suche Christus auf und führe Ihn in dein Herz, damit Er da wohne und Leiter deines Lebens sei; liebe Ihn als deinen Erlöser, als deinen Herrn, von welchem jede gute Gabe kommt, und halte seine Gebote. Was du aber vom Herrn empfangen und der göttliche Geist dir mitgetheilt hat, das verbreite mit Eifer und lehre es auch Andere. Sei den Armen und Dürftigen ein Vater, demüthig in Dienstleistungen und großmüthig in Wohlthaten, damit ihr Segen über dich komme.« Wie der heil. Benedictus seinem liebsten Jünger, so gab Alcuin seinem liebsten Schüler den Zunamen Maurus. Der Aufenthalt in Tours war und blieb dem Heiligen sein ganzes Leben in theurer Erinnerung. Wie gewissenhaft er die hier ihm dargebotene Gnade aufgenommen und bewahrt hat, beweist seine nachherige unermüdete Thätigkeit, seine tiefe und innige Frömmigkeit. Der fromme Alcuin hatte nicht unterlassen, seinen Schüler immer wieder zu erinnern, was das Hauptziel seiner Unterweisungen sei, nämlich daß er immer und überall für Gott lebe und in diesem Leben sein Glück finde (ut felix vivas semper ubique Deo). So konnte das Herz des jungen Mönchs über den Büchern nicht austrocknen. Zu Fulda befand sich damals sich eine eine reiche, durch Carl d. Gr. begründete, durch den Sammel-und Copirfleiß der Mönche ansehnlich vergrößerte und erst kürzlich durch Bücherschätze aus dem Kloster Melz noch vermehrte Bibliothek, welche der Heilige eifrig benützte. Aus seinen eigenen zahlreichen Schriften ersieht man, was er am liebsten betrieb. An erster Stelle stand das Studium der heil. Schriften. Um für das Verständniß und die richtige Auslegung derselben eine sichere und feste Grundlage zu haben, erwarb er sich nicht bloß eine damals und auch jetzt noch seltene Kenntniß in der griechischen, hebräischen und syrischen Sprache, sondern er sammelte auch mit unverdrossenem Fleiße die Erklärungen und Aussprüche der heil. Väter, die er mit großem Geschick aneinander reihte und zu einem schönen und abgerundeten Ganzen gestaltete. So wurde er ein Schrifterklärer, wie der hl. Petrus ihn will, der nicht seine Privatmeinung in die biblischen Aussprüche hineinlegt, sondern sie in demselben Geist erklärt, der in der Kirche waltet und die heil. Schriftsteller geleitet hat. Hieran anschließend, behandelte er mit besonderm Eifer die gottesdienstlichen Handlungen und Gebräuche, sowie die Geschichte der Heiligen. Ungefähr ums J. 799, nach der Berechnung Mabillons, erhielt er die Diaconatsweihe und wurde hierauf »Magister«, d. h. man übergab ihm die Leitung der Klosterschule. In dieser Zeit vollendete er sein Erstlingswerk: »Lobsprüche zu Ehren des hl. Kreuzes« (de laudibus S. Crucis) in künstlichen Versen, die herwärts und rückwärts gelesen werden konnten, und auch durch die Kreuzform, die er ihnen gab, ihren Inhalt kennzeichneten. Sein Mitbruder Hatto hatte ihm bei dieser Arbeit hilfreichen Beistand geleistet. Was er bei Anfertigung dieses Werkes betrachtet hatte, sollte er nach dem Rathschlusse der göttlichen Vorsehung bald an sich selbst erproben. Er hatte eine längere Kreuzschule durchzumachen. Das Kloster und dessen Unterthanen wurden i. J. 805 von einer Hungersnoth heimgesucht, auf welche eine pestartige Krankheit folgte. Noch schwerer fiel es ihm aufs Herz, daß er längere Zeit selbst auf seine Bücher und Studien verzichten, und statt mit der Feder mit Bausteinen schreiben sollte, da der strenge und baulustige Abt Ratgar an alle Mönche die Forderung stellte, bei seinen Kirchen- und Klosterbauten wie sie immer konnten beizuhelfen, und alle hiezu Unfähigen oder Widerspänstigen ohne Nachsicht aus dem Kloster verbannte. Dieß begegnete wahrscheinlich auch dem hl. Rhabanus, denn um jene Zeit soll er eine Wallfahrt ins gelobte Land gemacht haben. Nach seiner Zurückkunft erhielt er i. J. 815 durch den Erzbischof Heistolf von Mainz die Priesterweihe. Er dankte ihm dafür mit der Widmung mehrerer seiner Werke und mit einem Sendschreiben, in welchem er das Versprechen, seinem Lehramte allzeit freudig untergeben zu bleiben, wiederholte (tuo magisterio semper me libens subdam). Unter dem Abte Eigil (Aegilus) wurde ihm nämlich das Lehramt wieder übertragen und er behielt es von jetzt an ohne Unterbrechung. Als Lehrer der angehenden Theologen schrieb er die erste von einem Deutschen herrührende Pastoraltheologie. Obwohl er aber so zu sagen beständig über den Büchern war, und neben den Unterrichtsstunden die zur Uebung der Schüler eingeführten Disputationen und seine eigenen schriftstellerischen Arbeiten fast alle seine Zeit in Anspruch nahmen, unterließ er nicht die geringste Uebung, die seine Ordensregel ihm vorschrieb. Im Chorgebet und in der Betrachtung stärkte und sammelte er seine Geisteskräfte zu neuen Arbeiten. Auch die Lesung der heil. Schrift und der heil. Väter, seine Lieblingsbeschäftigung, unterbrach er mit Freuden, so oft der Gehorsam es verlangte; er studirte überhaupt nur so viel, als die unzähligen Aufenthalte des Klosterdienstes es erlaubten (quantum prae innumeris monasticae servitutis retinaculis licuit). Dafür lag aber auf Allem, was er that, so zu sagen sichtbar der Segen Gottes. Im Jahre 822 wurde er Abt. Auch als solcher behielt er, ungeachtet vieler anderweitiger Geschäfte, den Unterricht der Geistlichen bei und wirkte zugleich belehrend und sittigend auf das ihm untergebene Volk. Dasselbe destand aus eingeborenen Franken, aus gewaltsam als Gefangene in diese Gegenden verpflanzten Sachsen (Nordalbingen) und freiwillig eingewanderten Slaven (Wenden). Muthvoll und kräftig trat er in seinen Predigten dem Aberglauben, dem Umgang mit Heiden, der Sonntagsentheiligung, dem Geiz und andern Lastern entgegen. Es sei nicht genug, wiederholte er oft und eindringlich, dem Namen nach Christ zu sein, man müsse Christus auch wirklich nachfolgen. Seine kluge Lehrweise und volksthümliche, keineswegs gesuchte, dem behandelten Gegenstande und der Zuhörerschaft gleich angemessene, öfter streng tadelnde Beredtsamkeit ist aus den 64 Homilien, die von ihm noch erhalten sind, ersichtlich. Es ist unmöglich zu sagen, welche Tugend bei ihm am meisten hervorragte, denn er war Meister und Vorbild in allen. Bei Allem, was er that und unternahm, litt und ertrug, stand dem heil. Manne das Bild Jesu vor Augen. Seine Demuth war so groß, daß er sich gerne ein »nutzloses und träges Männchen« (vilem et inertem homunculum), ja wohl auch »den elendesten Menschen,« einen »großen Sünder« nannte. So wenig berührten die Lobeserhebungen, die ihm von allen Seiten entgegen kamen, seine nur für Gottes Ehre begeisterte Seele! An sich dachte er nur, um sich die ernste Erwägung vorzulegen, daß wer fünf Talente bekommen habe, aus denselben wieder fünf andere gewinnen müsse. Eine besonders zarte Verehrung trug er gegen die Heiligen, sammelte mit vielem Fleiße deren Reliquien und verherrlichte sie in zahlreichen Gedichten. »Suchet Fürsprecher,« sprach er gerne zu den Seinigen, »damit sie euch zu Hilfe kommen!« Er gestand offen und frei, keine höhere Würde zu kennen, denn als Mönch ein Knecht Gottes zu sein, dem die Liebe in Allem mit Freuden diene. Unter einem so großen Manne war es ganz natürlich, daß der Name des Klosters Fulda durch das ganze fränkische Reich und darüber hinaus berühmt wurde, daß er i. J. 823 dem neu errichteten Kloster Neu-Corvey in der Person Liutbert's von Fulda einen Abt und mehrere Mönche geben, und i. J. 831 das Kloster Hirschau mit Mönchen aus Fulda besetzen konnte. Obwohl Trithemius mit Recht behauptet, daß »vor ihm kein deutscher Lehrer eine so hohe Stufe der Bildung erreichte,« vergaß er nicht, daß es auch in andern Ländern Gelehrte gebe und holte sich die Schätze des Wissens wo er sie fand. Noch weniger konnte er auf religiösem und kirchlichem Gebiete ein stolzes Pochen auf Nationalität ertragen. Die Apostel und Propheten, sagte er, sind von Geburt Juden gewesen, aber ihr Zeugniß ist trotzdem von Römern und Griechen angenommen worden. Daher war er dem apostolischen Stuhle so treu und kindlich ergeben, daß die Magdeburger Centuriatoren ihm den Ehrentitel eines »päpstlichen Sklaven« geben konnten. Der Papst war ihm »der Lehrer,« »die hehre Liebe des Volkes,« »das Haupt der Kirche,« »der erste Patriarch des ganzen Erdkreises,« »die Sonne der Erde, das Licht der Welt, das dem Volke den Weg zum ewigen Lichte zeigt,« »der auf die Erde gesetzte Träger der Himmelsschlüssel, der Stellvertreter des Apostelfürsten Petrus.« Noch befindet sich zu Fulda eine große kostbar gefaßte Kreuzpartekel, welche der Papst Sergius II. im J. 844 als Beweis seines Wohlgefallens an dem Buche »vom Lobe des hl. Kreuzes« ihm überschickt haben soll. In dogmatischen Fragen stellte er sich auf den sichern Boden der Aussprüche der heil. Väter und jede Abweichung von der überlieferten Lehrweise war und blieb ihm verdächtig. Sein Gebet war: »Leite mich, Herr, so lang ich lebe, auf dem Wege des wahren katholischen Glaubens.« Schon den Schein der Ketzerei konnte er nicht ertragen. »Jeder Häresiarch«, sagte er, »ist ein Antichrist.« Verdächtig schien ihm jeder, der neue und neu klingende Lehrsätze aufstellte (novitatis enim praesumtio mater est haereticae pravitatis). Deßwegen lag ihm auch die Verbreitung des römisch-katholischen Glaubens - einen andern kannte er nicht – sehr am Herzen. Sein Aufenthalt in der Bulgarei um d. J. 825 kann keinen andern Zweck gehabt haben, obwohl Näheres über seine Thätigkeit daselbst nicht bekannt ist. Er schickte i. J. 832 an den Bischof Simon von Schweden ein frommes Aufmunterungsschreiben für seine apostolischen Arbeiten, und Geschenke, z. B. Meß- und Chorbücher, Meßgewänder, Kirchengeräthe und Glocken für die von ihm bereits erbauten Kirchen. Und wie oft und brünstig wird er in dieser Meinung gebetet und das heil. Opfer dargebracht haben! Neben fast unzähligen klösterlichen, wissenschaftlichen und geistlichen Beschäftigungen war er überall thätig, wo seine Beihilfe nöthig war oder gewünscht wurde. Wir finden ihn i. J. 829 auf der Synode zu Mainz und auf dem Reichstage zu Worms; i. J. 831 reiste er nach Prüm, um mit dem dortigen Abte Marquard einen Gütertausch abzuschließen; i. J. 835 ist er auf der Versammlung in Diedenhofen (Thionville) und im J. 841 in Aachen u. s. f. Man wollte den Rath eines so weisen und frommen Mannes nirgends entbehren. Dazu kamen viele rein zeitliche Geschäfte; die Verwaltung der Klostergüter, ihre Vertheidigung gegen unrechtmäßige Angriffe, die Ernährung und Kleidung einer so großen Zahl Mönche – in Fulda selbst waren zu seiner Zeit 250 –, die Bebauung der Ländereien des Klosters kosteten viele Zeit und machten ihm viele Sorge. Er beendigte den Klosterbau, welchen Eigil unvollendet gelassen hatte; er ließ auf allen Besttzungen des Klosters größere Kirchen errichten, stellte sie unter die Obhut von Seelsorgern, und erbaute außerdem mehr als dreißig kleinere Kirchen (oratoria). Für die Verzierung und künstlerische Ausschmückung der Gotteshäuser hatte er einen Theil seiner eigenen Einkünfte angewiesen. Metall- und Steinarbeiten und kostbare Tapeten mit bunten Farben sind hiebei besonders erwähnt. Dabei pflegte der hl. Abt vorzüglich die würdevolle Augstattung der Reliquienschreine und Altäre zu berücksichtigen. Auf dem Petersberge errichtete er ein neues Kloster und setzte Mönche von Fulda dahin. Hieher wurde von ihm auch der Leib der heil. Lioba übertragen. Ebenso schickte er Mönche von Fulda nach Solenhofen und Celle im Tullifeld. Die Klosterbibliothek bereicherte er der Art, daß er schreiben durfte: »Alles was Gott an heil. Schriften und frommen Reden von der Burg des Himmels auf den Erdkreis gesendet hat, ist dort zu finden, und ebenso Alles, was die Weisheit der Welt zu verschiedenen Zeiten in die Welt gebracht hat.« Wie aber gegen Ratgar die Baulust, so erregte gegen den hl. Rhabanus der Betrieb der Studien und die strenge Ordenszucht Unzufriedenheit und großen Widerspruch. Ob diese Verhältnisse allein oder auch die politische Lage ihn zur Abdankung genöthiget haben, lassen wir dahin gestellt. Er war und blieb dem Kaiser Ludwig dem Frommen, gegen welchen die eigenen Söhne die Waffen ergriffen hatten, in Leid und Freud zugethan und er geben. Seine dem Kaiser gewidmete Schrift »über die den Eltern schuldige Ehrfurcht,« sollte den Frieden vermitteln. Ebenso verhielt er sich nach dem Tode Ludwigs des Frommen i. J. 840 gegen seinen Sohn und Nachfolger Lothar. Auch als dieser von Ludwig dem Deutschen bekriegt und geschlagen wurde, hielt er zum Kaiser. Sieg oder Niederlage im Kriege, schrieb er, können eine Rechtsfrage nicht entscheiden. Erst mit dem Vertrage zu Verdun i. J. 843 wurde Ludwig der Deutsche rechtmäßiger König, und auch vom hl. Rhabanus als solcher anerkannt. Diese Anerkennung erfolgte allerdings so spät, daß er vom Kaiser für jetzt wenig Gunst zu hoffen hatte. Es mag daher wohl sein, daß er, um von seinem Kloster die Folgen dieser Ungunst abzuwenden, seine Abdankung bewerkstelligte. Nach dem Wortlaute einiger Chroniken zu schließen, hätte ihn der Kaiser sogar gewaltsam abgesetzt.18 Mit Sicherheit darf aber angenommen werden, daß der heil. Abt gerade damals sehnlich wünschte, der für ihn längst zu schwer gewordenen Bürde entlediget zu werden. Manchen Tag mußte er zu jener Zeit wegen Krankheit zu Bett liegen und konnte nur wenig Stunden den Geschäften widmen. In einem Briefe an den Kaiser (Kunstmann, S. 223) schrieb er: »Ich muß viel öfter auf meinem Bettlein liegen, als ich am Pulte meditiren oder lehren kann.« Er übergab deßhalb im April d. J. 842 die Würde an seinen Schüler und Freund Hatto (Bonosus), indem er die Stimmen der Brüder auf diesen lenkte. Nach seiner Abdankung begab er sich zuerst zu seinem Freunde Haymo, der in Fulda seine Studien gemacht und vor zwei Jahren den bischöflichen Stuhl zu Halberstadt bestiegen hatte. Von anderer Seite wird dieses in Abrede gestellt und nur zugegeben, daß Bischof Haymo für seinen Lebensunterhalt gesorgt habe, während er in tiefster Zurückgezogenheit vier Jahre auf dem Petersberge lebte. Irrig ist auch, wie wenigstens Kunstmann behauptet, daß er am Hofe Ludwigs des Deutschen gelebt habe. Erst im J. 845 finden wir sichere Beweise der geschehenen Wiederaussöhnung. In dieser Zeit verfaßte er um d.J. 845 zur Verehrung der Heiligen das noch unter seinem Namen bekannte Martyrologium. (Nach Spengler entstand dasselbe erst i. J. 801.) Im J. 847 wurde er Erzbischof von Mainz. Obwohl der Heilige damals schon 71 Jahr alt war, gab es beim Klerus und Volke keine Stimme, die dieser Wahl widersprochen hätte. Er verließ also die stille Einsamkeit der klösterlichen Zelle und empfing am 26. (24.) Juni des genannten Jahres die bischöfliche Weihe. Von jetzt an wohnte er theils im bischöflichen Hause bei der Domkirche, theils im Kloster St. Alban oder bei St. Victor außerhalb der Stadt, am liebsten aber verweilte er in seiner Villa zu Winkel. Er behielt auch als Erzbischof seine bisherige Lebensweise bei. Weder aß er Fleisch, noch trank er Wein, obwohl die körperliche Schwäche mit dem Alter stets zunahm. Es schien, als habe er sich vorgenommen, mit dem Eifer eines Neubekehrten zu wirken. In der That hatte er ein weit ausgedehntes, mit Unkraut aller Art überwachsenes Arbeitsfeld vor sich liegen. Schon drei Monate nach seiner Weihe hielt er in der St. Albanskirche auf den Befehl des Königs Ludwig die mit dem Reichstag dem Herkommen gemäß verbundene Synode. Unter anderm wurde hier bestimmt: »Was zum Glauben gehört, soll von den Priestern oft gelesen und wohl verstanden werden, damit sie es dem Volke predigen können« (c. 2.); »wer gegen den König, die kirchlichen Würden, die Obrigkeiten des Staates Verschwörungen, aufrührerische Einverständnisse und Widersetzlichkeiten macht, soll von der Gemeinschaft der Katholiken ausgeschlossen werden« (c. 5); »sowohl aus den Einkünften jeder Kirche, als auch aus den freiwilligen Gaben der Gläubigen sollen, wie längst schon mit gutem Grunde verordnet ist, vier Theile gemacht werden, von welchen der erste dem Bischof, der andere den Geistlichen, der dritte dem Armen, der vierte den Bedürfnissen der Kirche zugewendet wird« (c. 10.). Andere Beschlüsse sind gegen Mönche gerichtet, welche das Gelübde der Armuth verletzen, gegen Klosterfrauen, die ihre Clausur nicht beobachten, gegen Verwandtenmörder und Kindsmörderinnen, endlich gegen Priester und Beichtväter, welche Kranke und Sterbende mit zu großen Bußen belästigen. Ein eigener Canon (31) beschäftiget sich mit der Erneuerung und Kräftigung der Bußdisciplin im Allgemeinen. Man habe sich hinsichtlich der Beichtenden zunächst nach den auf Grund der hl. Schrift und der kirchlichen Gewohnheit erlassenen hinlänglich bekannten alten Vorschriften zu richten. Kein Priester dürfe für schwere Sünden ohne eigene schwere Verantwortung leichte Bußen auflegen. Oeffentliche Sünder sollen auch öffentliche Buße thun, nur bei geheimen Sünden genüge die geheime Buße. Auch sei darauf zu sehen, daß die Büßer die vorgeschriebene Bußzeit vollständig inne halten und fortan nicht bloß von bösen Werken, sondern auch von schädlichem Wohlgefallen sich fern halten, und mit Beiseitelassung des Bösen das Gute vollziehen, dem Frieden nachstreben und ihn erlangen. Wie streng der heil. Rhabanus bei Ausführung dieser Beschlüsse verfuhr, sieht man daraus, daß sich noch im nämlichen Jahre einige Kleriker und weltliche Herren gegen sein Leben verschworen. Die Sache kam aber an den Tag und der Heilige verzieh ihnen in großmüthigster Weise. Auf einer zweiten von ihm gehaltenen Synode, welche eine allgemeine deutsche war (W. W. K.-L. XII. 754), und i. J. 852 (851) stattfand, waren unter seinem Vorsitze die sämmtlichen fränkischen, sächsischen, alemannischen und bayrischen Bischöfe gegenwärtig. Die Beschlüsse waren vielfach denen der vorigen Synode gleichartig. Auch wurde die Sache Salomons, Bischofs von Konstanz, und das Wahlrecht der Mönche von Rheinau verhandelt und eine Ehe die im vierten Grade der Verwandtschaft geschlossen war, für nichtig erklärt. Auch die Irrthümer, welche der Mönch Gottschalk über die Gnade und die Prädestination verbreitet halte, kamen hier zur Verhandlung. Der hl. Rhabanus war ihm bereits in mehreren Schriften entgegengetreten und erhielt von der Synode den Auftrag, es neuerdings zu thun. Wenn der Stolz selbst wirklich Gelehrten den Glauben nehmen kann, so ist es bei »Halbgelehrten,« was nach dem Zeugnisse des heil. Erzbischofs Gottschalk war, noch weniger zu verwundern. Letzterer übergab eine Schrift, in welcher er sich zu rechtfertigen und seinen Gegner, den hl. Rhabanus, zu widerlegen bemühte. Es gelang ihm nicht. Die Synode ließ den Erzbischof Hincmar von Rheims bitten, dem Gottschalk die weitere Verbreitung seiner trügerischen Lehre nicht zu gestatten. Schon als Abt war er mit Gottschalk in Konflikt gekommen, weil dieser die Giltigkeit seiner Klostergelübde zu bestreiten wagte, aber mit Unrecht hat man hieraus geschlossen, er habe gegen Gottschalk mit Bitterkeit und Feindseligkeit verfahren. Allerdings betrachtete er ihn als Ketzer, dem man keine Gelegenheit zum Schreiben noch zum Sprechen mit Jemanden geben dürfe, bis sein Sinn zur katholischen Lehre wieder zurückgekehrt sei, aber er verlangte zugleich, daß in dieser Meinung für ihn gebetet werde. Doch waren selbst Männer wie der hl. Remigius4 (s. d.) von Lyon hierüber anderer Ansicht. Auf der dritten Synode, welche im folgenden Jahr zu Frankfurt in Gegenwart des Königs Ludwig gehalten wurde, handelte es sich hauptsächlich um die Rechte des Bischofs von Osnabrück über das Kloster Herford. Für alle seine Unternehmungen und Anordnungen erhielt er vom König Ludwig dem Deutschen die kräftigste Förderung und Unterstützung. Mehrere seiner Werke hat ihm der hl. Erzbischof theils aus eigenem Antriebe, theils auf ausdrückliche Aufforderung des Königs überreicht. Der unermüdliche Mann hörte nicht auf zu predigen, zu arbeiten, zu schreiben, bis zu seinem Ende. Wir dürfen nicht vergessen, daß ein großer Theil seiner Sorgen den Armen gehörte. Schon als Abt hatte er verordnet, daß jedesmal so oft ein Bruder stürbe, der ihm zukommende Antheil an Speise und Trank dreißig Tage lang den Dürftigen verabreicht werden solle. So fühlte und handelte er auch als Erzbischof für die Armen. Auf seiner Villa zu Winkel, wo er sich gewöhnlich aufhielt, speiste er während der schrecklichen Hungersnoth d. J. 800 außer denen, die den täglichen Unterhalt von ihm bezogen, dreihundert Arme. Er reiste mit tauglichen Priestern im Sprengel umher, hielt Lehr- und Bußpredigten und versöhnte die Reumüthigen mit Gott. Insbesondere wird aus dem J. 852 die Einweihung der neuen, vom König Ludwig erbauten Kirche zu Hersfeld berichtet. Die zeitlichen Angelegenheiten des Bisthums konnte er persönlich nicht selbst besorgen, legte sie aber in taugliche Hände. Wir haben schon bemerkt, daß er in den letzten Jahren, was bei seinem hohen Alter und seiner strengen unermüdet thätigen Lebensweise nicht zu verwundern ist, öfter krank und bettliegerig war. Der hl. Rhabanus starb am 6. Febr. d. J. 857 auf seiner Villa zu Winkel. Die näheren Umstände seines Todes sind nicht auf uns gekommen. Trithemius erzählt, ein Engel Gottes habe ihm seine bevorstehende Auflösung verkündet. Alsbald stärkte er sich mit den hl. Sterbsacramenten auf den Weg in die Ewigkeit und verfügte über seine Bücher, wahrscheinlich sein einziger Besitz, die er theils nach Fulda, theils dem Kloster St. Alban schenkte. Während er betend den Geist aufgab, hörte man den Engelsgesang: »Dieser Gerechte wird bei den Menschen in Ehren bleiben, und wird jetzt zur Freude der Engel geführt.« Die von ihm selbst herrührende Grabschrift mit einem kurzen Inhalt seines Lebens ist noch erhalten. Seine Verehrung als Heiliger ist durch alle Jahrhunderte bezeugt, und vom päpstlichen Stuhle bestätiget. Seine irdischen Reste genossen lange Zeit hindurch die Verehrung des gläubigen Volkes. Sie ruhten in der Martinskapelle des St. Albansklosters. Im J. 1515 kamen die Reliquien durch den Erzbischof Albrecht von Brandenburg nach Halle, wo er gewöhnlich Residenz hielt. Sie wurden daselbst in der Morizkirche in einem übersilberten Sarge beigesetzt, in den nachfolgenden Kirchenstürmen aber sind sie ganz in Vergessenheit gerathen, so daß man bis zur Stunde nichts mehr von ihnen weiß. Auch zu Fulda, wohin sein Gehirn und die Eingeweide gebracht worden waren, ist nichts mehr davon vorhanden. Eine porträtähnliche Abbildung des Heiligen befindet sich in Kunstmann's Monographie. In dem Mainzer und im Limburger Proprium stand der hl. Rhabanus seit dem Anfang des 17. Jahrh. als Kirchenlehrer. Jetzt erinnert nur mehr die Oration an diesen Ehrentitel. Wenn auch derselbe beim öffentlichen Gottesdienste ohne die Gutheißung der Gesammtkirche und ihres Oberhauptes unzulässig ist, so hindert doch nichts, daß der einzelne Christ ihn mit demselben verherrliche. Er hat ihn tausendmal verdient. Die Allseitigkeit seiner Bildung, die Kenntniß der kirchlichen Schriftsteller, der heil. Väter und der Klassiker, und die Gewandtheit, womit er in allen Gegenständen des menschlichen Wissen zu schreiben verstand, erwarben ihm schon bei Lebzeiten den Beinamen: »Rüstkammer der Wissenschaft« (armarium scientiae). Unter den über ihn erschienenen Schriften nennen wir: Bach, Rabanus M., der Schöpfer des deutschen Schulwesens, Fulda 1835. Kunstmann, Hrab. Magnentius Maurus, Mainz 1841, und Spengler, Leben des hl. Rhabanus Maurus. Regensb. 1806. Die beiden letzten Schriften sind in obiger Skizze vorzugsweise benutzt.



http://www.zeno.org/Heiligenlexikon-1858. 1858.

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