Seraphinus, S. (1)

Seraphinus, S. (1)

1S. Seraphinus, Conf. (12. Oct. al. 26. Sept., 20. Nov.) Dieser hl. Capucinerbruder war zu Monte Granaro bei Fermo im Picenischen (nicht zu Palermo) geboren und wurde in der hl. Taufe Felix genannt. Von feinen armen Eltern, Hieronymus und Theodora erhielt er eine fromme Erziehung. Diese bewirkte, daß ihre arme Wohnung durch den gottesfürchtigen Knaben zu einem schönen Gottestempel umgefchaffen wurde. Er sah nichts um sich und vor sich, als Armuth, Entbehrung und schwere Arbeit, aber er wünschte sich nichts Besseres. In feiner Seele lag der Paradiesesgarten des göttlichen Friedens. Daß er diesen zu pflegen und zu bebauen habe, sagte dem wenig begabten Knaben eine innere Stimme. Sein Vater verdingte ihn frühzeitig zum Viehhüten. Dieß that feiner Frömmigkeit keinen Abtrag, denn er fand so manchen freien Augenblick, in welchem er beten konnte. Seine fromme Mutter hatte ihn gelehrt, beständigen Verkehr mit Gott zu führen. Er zählte ungefähr siebenzehn Jahre als sein Vater starb. Zu dieser Zeit war er schon gewohnt, drei Tage in der Woche zu fasten. Sein älterer Bruder Silentius ließ ihn deßhalb öfter hart an, schmähte und schlug ihn. Er trieb nämlich mit feinem Bruder gemeinsam das Maurerhandwerk. Da lernte er zu Loro, nicht weit von feiner Heimat in dem Haufe eines Wohlthäters der Capuciner diesen Orden kennen. Zugleich war ihm der Ernst des Lebens, die Strenge des göttlichen Gerichtes hier durch geistliche Lesung näher als je an die Seele getreten. Hiedurch war sein Beruf entschieden. Er bat zu Tolentino um die Aufnahme in den Orden und erhielt sie. Daß er die Regel streng befolgte, ist selbftverständlich. Er that aber mehr; er enthielt sich ganz des Fleisehes und der Fische, und beschränkte sich auf etwas Suppe oder Brei, den er oft mit Asche bestreute. Stalt des ganzen Brodes, das vorgesetzt zu werden pflegte, nahm er nur das halbe. Bei einer Hungersnoth genoß er nur den vierten Theil, um das Uebrige den Armen zu geben. Tag und Nacht trug er ein rauhes Cilicium und geißelte sich täglich bis auf's Blut. Hiedurch erlangte er auch die seltene Gnade, daß er nie gegen unreine Versuchungen zu kämpfen hatte, nicht einmal gegen böse Gedanken. Seine Ruhe nahm er öfter auf dem Boden, als auf dem Strohsake, und schlief überhaupt nur wenige Stunden. Während die Brüder sich Abends zur Ruhe begaben, weilte er noch betend bis neun Uhr. Erst dann überließ auch er sich dem Schlafe, bis zur Mitternacht die Glocke in die Mette rief. Nach der Mette setzte er Gebet und Betrachtung fort bis es tagte. Man fand ihn da oft der Sinne beraubt und in Berzückung. Wenn ihm der Obere die schlechteste Zelle des Klosters anwies, den abgetragensten Habit zu tragen gebot, war er außer sich vor Freude. Was seine Obern ihm befahlen, that er, ohne zu fragen warum, sogleich und pünktlich. Selbst von seinen gewohnten und lieb gewonnenen Strengheiten ließ er, wann und so oft die Obern es wollten. Als ihm der Guardian von Ascoli, um seinen Gehorsam zu prüfen, befahl, einen neuen Habit zum Terminiren anzulegen, that er es unverweilt, obwohl er das ärmste Kleid als das für ihn passendste hielt. Verachtet, beschimpft, ausgelacht zu werden, galt ihm als die größte Ehre, für welche er denen, die es thaten, aufrichtigen Herzens und oft fußfällig Dank erstattete. Für einen Guardian, der ihn übermäßig mit Schmähungen und Strafen belastet hatte, betete er mit so großer Inbrunst, daß der Heiland ihm dafür besonderes Lob ertheilte und in seinen Leiden ihn tröstete. Alles was ihm in die Augen fiel, in oder außer dem Kloster, war ihm Anlaß zum Aufschwunge zu Gott, den er über Alles liebte und liebend überall suchte und fand. Stunden lang weilte er vor dem heil Sacramente, das er beinahe täglich empfangen durfte, in der Betrachtung. Die heil. Mutter Gottes und den hl. Nährvater Joseph verehrte er ganz besonders und empfahl diese Verehrung Allen, besonders den Kindern, als segensreich und verdienstlich. Er selbst hatte ja als Kind nirgends lieber und inbrünstiger gebetet, als in der heil. Kapelle zu Loretto. Auch die Verehrung der Engel und Heiligen übte er mehr als andere Christen, weil auch seine Liebe zu Gott größer war. Um dieser Liebe willen gab er als Portner freigebig und reichlich was ihm zu Gebote stand. Als ihm einmal ein Quardian einen eigenen Theil im Garten anwies, um nach Herzenslust Kräuter und Gemüse für die Armen zu bauen, segnete Gott dessen Wachsthum auf solche Weise, daß man keinen Abgang bemerkte, so viel der Heilige auch weggab. Seine Liebe erstreckte sich auf Alle, die durch das Band der Natur mit uns verbunden sind, und vermöge dieser Ausdehnung der Liebe gab er sich Allen in der Art hin, daß er mit den Weinenden weinte, mit den Fröhlichen fröhlich war, daß er die Lasten Aller auf sich nahm, um nach dem Beispiele des hl. Paulus Allen Alles zu werden, und Alle für Christus zu gewinnen. Für Ihn in den Ländern der Ungläubigen sterben zu dürfen, wäre seine größte Freude gewesen. Obwohl er weder predigte noch Bücher schrieb, indem er zu beidem nicht die geringste Anlage besaß, wirkte er durch den Glanz seiner Tugenden wie ein großer Missionär auf das Volk in der Nähe, und durch seine Gebete und Abtödtungen in die weiteste Ferne. Nichts fiel ihm schwerer auf die Seele, als wenn er von Beleidigungen Gottes hörte, denn er hatte auch vor geringen Sünden den größten Abscheu. Er hat niemals eigentliche Studien gemacht, aber was er aus den heil. Schriften oder den Lehren der heil. Väter gehört hatte, vergaß er nicht mehr, sondern behielt und erwog es in seinem Herzen. Auf diese Weise gewann er eine Schriftkenntniß, welche nicht selten sogar Theologen in Verwunderung setzte. Daher konnte er auch, wenn die Obern es befahlen, begeisterte Anreden an seine Mitbrüder halten; z. B. über die Worte des hohen Liedes: »Mein Geliebter ist mein, und ich bin sein,« über die Liebe Gottes zu den Menschen u. dgl. Sein Mund sprach dann aus der Fülle des Herzens mit solcher Gewalt, daß die Zuhörer sich verwunderten und in Thränen zerflossen. Wie klug sein Verfahren mit Geisteskranken oder solchen, die es zu werden schienen, war, zeigt folgender Fall. Eine vornehme Dame hatte sich in den Kopf gesetzt, sie müsse eine Reise durch die Welt machen und dürfe nichts mehr essen, bevor sie diesen Plan ins Werk gesetzt habe Schon hatte sie einige Tage nichts mehr zu sich genommen. Alles war rathlos. Da berief man den Bruder Seraphin. Auch er versuchte es anfänglich, sie durch Zureden zum Essen zu bewegen, sah aber bald, daß er hiedurch nicht zum Ziele komme. Da versuchte er andere Wege. Er ging auf ihren Wunsch, die Welt zu bereisen, ein und bot sich zum Begleiter an. Die Dame stimmte augenblicklich zu und ließ sofort auf Anordnung des Bruders die Vorbereitungen zur Abreise treffen. Während dieß geschah, sagte Seraphin: »Weil die Reise lange dauern wird, und wir beide noch nüchtern sind, müssen wir vorher schon ein ergiebiges Mahl zu uns nehmen.« Die Frau, welche ihrem Herzenswunsch sich so nahe sah, stimmte augenblicklich ein. Beide Reisenden ließen es sich gut schmecken. Aber mit der genommenen Mahlzeit war auch der gesunde Verstand in den kranken Geist zurückgekehrt. Es bedurfte keiner Reise mehr. Aber der Heilige besaß mehr als Klugheit. Er hatte die Gabe, in die Herzen und in die Zukunft zu sehen. Seine mit dem allwissenden Gott durch die innigste Liebe vereinigte Seele hatte die Grenzen des irdischen Wissens durchbrochen. Mehr als einmal machte er hievon zum Heile und Troste, manchmal auch zum Schrecken seiner Mitmenschen den ausgiebigsten Gebrauch. Auch die Wundergabe war ihm verliehen. Zu Ascoli, wo er die längste Zeit seines Lebens zubrachte, nannte man ihn deßhalb »den himmlischen Mann,« »den Tröster,«. welcher der Stadt von Gott gesandt sei. Das heil. Kreuzzeichen, von seiner Hand über Kranke und Leidende gezeichnet, hatte die heilsamsten Wirkungen. Wie der hl. Franciscus stand der hl. Seraphin im vertrautesten Verkehr mit der vernunftlosen Natur, mit den Blumen, den Vögeln und Fischen. Als der Diener Gottes sein siebenzigstes Lebensjahr erreicht hatte, gab ihm Gott zu erkennen, daß sein Ende nahe sei. Er bat um die Sterbsacramente. Der Arzt sah keine Gefahr, weßhalb er Mühe hatte, die heil. Communion empfangen zu dürfen. An dem nämlichen Tage, Nachmittags 3 Uhr bat er um die heil. Oelung. Da der Arzt auch jetzt noch keine Gefahr sah, wurde ihm die Bilte abgeschlagen. Da sagte er: »Was Ihr jetzt bequem thun könntet, werdet Ihr bald in Eile vollbringen.« Er betete hierauf, in seinem Bette knieend, bis 4 Uhr. Da blickte er zum Himmel und sagte: »O Herr Jesu, wenn ich rede, so glaubt man mir nicht, rede du selbst!« Kaum hatte er dieses gesprochen, so wurde er von Todesblässe befallen und alle Zeichen des nahen Todes gaben sich zu erkennen. Mit größter Eile gab man ihm. jetzt die heil. Oelung und bald nachher entschlief er noch am nämlichen Tage sanft und ruhig im Herrn. Es war der 12. October d. J. 1604. Bei Hueber steht er zum 20. Nov.; im Seraph. Martyrol. auch am 26. Sept. Schon sein Begräbniß war so feierlich wie das eines Heiligen. An dem Orte seiner Ruhe geschahen zahlreiche Wunder. Schon im J. 1610 erlaubte deßhalb der Papst Paul V., eine brennende Lampe bei seinem Grabe aufzuhängen. Im J. 1719 bestätigte Papst Clemens XI. den bisherigen Cultus und im J. 1767 erfolgte durch Clemens XIII. die feierliche Canonisation. (VI. 128–160 u. Lech.)



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