Lazarus, S. (8)

Lazarus, S. (8)

8S. Lazarus, (17. Dec.), der Bruder der hhl. Schwestern Martha und Maria, den Jesus vom Tode auferweckte, und welcher später als erster Bischof von Marseille bezeichnet wird, ist bei den Bollandisten öfter erwähnt. Sie haben ihn am 16. Febr. (II. 855), wo er mit seinen zwei Schwestern in einem handschriftlichen Aachener Martyrologium vorkommt; dann am 14. März (II. 343), wo er in einem alten Breviere der franz. Diöcese Quimper (Coriosopitum) mit 9 Lectionen steht; ferner am 16. März (II. 418), an welchem Tage die Erweckung des Lazarus im Martyrologium des Felicius verzeichnet ist, während dieselbe in den griech. Menäen am 17. März (II. 507) erwähnt wird. Am 18. März (II. 614) steht er in einem Manuscript von Brüssel; am 7. April (J. 656) wird nach dem Martyrologium von Saussayus zu Marseille die Auffindung seines heil. Leibes gefeiert, und am 4. Mai (J. 438) in Konstantinopel die Erinnerung an die Beisetzung der ehrwürdigen Reliquien desselben, unter dem frommen Kaiser Leo VI. in dem von diesem zu Ehren des hl. Lazarus erbauten Kloster, und zugleich die Einweihung der Kirche desselben. Am 30. Aug. (VI. 544) steht im Florarium die Erinnerung an die Beisetzung des hl. Lazarus in Marseille, bei Grevenus und Ferrarius aber am 31. Aug. (VI. 650), und in einem, in den Jahren 1633 und 1662 gedruckten Proprium der Heiligen der Kirche von Marseille ist wirklich am 31. Aug. das geschrieben. Dagegen steht in den griech. Menäenam 17. Oct. (VIII. 6), daß an diesem Tage die von Kaiser Leo VI. in Chiti (Cytium) auf der Insel Cypern aufgefundenen Reliquien des hl. Lazarus nach Konstantinopel gebracht worden seien. Nach Andern seien die Reliquien des hl. Lazarus und der hl. Maria Magdalena, seiner Schwester, von Ephesus nach Konstantinopel gebracht worden. – Ueber dieses Alles wollen sich die Bollandisten näher aussprechen am 17. Dec., an welchem Tage nach dem Mart. Rom. »zu Marseille (Massilia) in Gallien das Gedächtniß des hl. Bischofs Lazarus« gefeiert wird, »welchen der Herr nach dem Evangelium von den Todten auferweckt hat«. An diesem Tage steht sein Name auch im Elenchus, während übrigens die Bollandisten auch am 22. Juli (V. 187 ff.) als am Feste der hl. Maria Magdalena Einiges von ihm erwähnen. – Wir wollen nun das Leben des hl. Lazarus nach Butler, wo er am 29. Juli (X. 103 ff.) mit seinen hhl. Schwestern Martha und Maria vorkommt, so wie nach W.W. (VI. 385) und Andern kurz geben: Lazarus wohnte mit seinen beiden Schwestern in dem Flecken Bethanien53, eine Wegstunde südöstlich von Jerusalem, am östlichen Abhange des Oelberges. Man glaubt, daß Martha älter gewesen sei, als Maria und Lazarus, und daß dieselbe das Hauswesen geführt habe. Aus der Geschichte seiner Auferweckung scheint hervorzugehen, daß diese Familie eine der ausgezeichnetsten des Landes gewesen sei, indem viele Juden gekommen waren, um die beiden Schwestern über den Tod ihres Bruders zu trösten. Nach den Visionen der gottseligen Dülmener Klosterfrau Anna Kath. Emmerich wäre Jesus schon frühzeitig mit dieser Familie bekannt gewesen; auch sei Lazarus öfter mit Ihm gereist, habe die Kosten der Hochzeit zu Kana getragen, alle Auslagen für Seine Reisen und Almosen besorgt54 etc. Jedenfalls muß Jesus sehr vertraut mit ihm gewesen seyn, da Er ihn »Freund« nennt (Joh. 11, 11), und der Evangelist ausdrücklich sagt, daß Er ihn und die ganze Familie liebte (Joh. 1, 5). Nach dem Evangelium treffen wir Jesum im Hause des Lazarus zum ersten Male um die Zeit des Lauberhüttenfestes im ersten Jahre Seiner öffentlichen Wirksamkeit, wo Er die vielgeschäftige Martha ihrer Schwester Maria gegenüber, die zu Seinen Füssen auf die Worte des Heiles merkte, liebevoll zurecht wies (Luk. 10,38 ff.). Wahrscheinlich verweilte Er dort auch bei dem darauf folgenden Besuche der Tempelweihe. Während sich Jesus nach diesem Feste in Süd-Peräa zu Bethanien jenseits des Jordans (Joh. 10,40) aufhielt, war Lazarus erkrankt, und da war es, daß seine Schwestern Ihm sagen ließen: »Herr, sieh, der, den Du liebst, ist krank« (Joh. 11,3). Aber der Herr, der Seine Geliebten prüfen und zugleich Gottes Herrlichkeit mächtig erscheinen lassen wollte, ging nicht gleich, sondern blieb noch zwei Tage an diesem Orte, bis Er dann sagte: »Lazarus, unser Freund, schläft«, und es endlich gerade heraus ecklärte, daß er gestorben sei, daß Er aber nun hingehen und ihn auferwecken wolle. Als Jesus nach Bethanien kam, lag Lazarus schon vier Tage im Grabe, da die Juden seit der babylonischen Gefangenschaft ihre Todten gleich nach ihrem Hinscheiden begruben. Als die beiden Schwestern Jesum sahen, sagten sie zu Ihm: »Herr, wenn Du hier gewesen wärest, wäre mein Bruder nicht gestorben«. Auch von den anwesenden Juden, welche Jesum weinen sahen und daraus Seine große Liebe zu Lazarus erkannten, äußerten Einige: »Konnte denn der, welcher die Augen des Blindgebornen geöffnet hat, nicht machen, daß dieser nicht stürbe?« Das war gewiß ein schöner Anfang des Glaubens. Aber zum vollen Glauben konnten sie es doch nicht bringen; denn obgleich Martha meinte, auch jetzt noch werde Gott Ihm geben, was Er von Ihm begehre, und obwohl ihr Jesus hierauf versprach, daß ihr Bruder auferstehen werde; so konnte sie doch an ein sofortiges Auferstehen, wie es Jesus versprochen, nicht glauben, weil ja ihr Bruder schon vier Tage im Grabe liege, sondern sie verstand eben Sein Versprechen von der Auferstehung am jüngsten Tage. Aber der Herr wollte jetzt Seine Macht als Ueberwinder des Todes schon vor Seiner eigenen Auferstehung zeigen. Er ließ daher den Stein vom Grabe wegnehmen, und nach einem Gebete zu Seinem himmlischen Vater rief er mit lauter Stimme: »Lazarus, komm heraus«. Und Lazarus kam sogleich lebend aus dem Grabe hervor, und selbst Viele von den anwesenden Juden, welche Zeugen von diesem Wunder waren, glaubten an Ihn, während Andere zu den Pharisäern gingen und ihnen sagten, was sie gesehen (Joh. 11, 46). Dieses wunderbare Ereigniß gab nun Veranlassung, daß die Hohenpriester und Pharisäer im hohen Rathe ernstlich beschlossen, Jesum zu tödten. Daher zog Er sich nach Ephrem, einer 2 Meilen nordöstlich von Jerusalem gelegenen Stadt, zurück, wo Er bis zum letzten Osterfeste verweilte. Sechs Tage vor diesem Feste (am Freitage vor dem Palmsonntage) kam Er wieder nach Bethanien zu seinen Freunden. Man bereitete ihm dort ein Abendmahl, bei welchem Martha diente, auch Lazarus zugegen war und Maria über Jesu Füsse die kostbare Salbe ausgoß, welche Judas Iskarioth vorgeblich lieber für die Armen verkauft haben möchte (Joh. 12, 1–8). Nach Matth. 26, 6 ff. und Mark. 14, 3–9 scheint dieses Abendmahl nicht bei Lazarus, sondern im Hause Simons des Aussätzigen55 stattgefunden zu haben. Am Samstage blieb Jesus in Bethanien, und es kamen aus Jerusalem viele Juden dahin. »Da nun«, sagt der Evangelist (Joh. 12, 9–11) weiter, »eine große Menge Juden erfuhr, daß Er da sei, kamen sie nicht allein um Jesu willen, sondern auch um den Lazarus zu sehen, den Er von den Todten auferweckt hatte. Die Hohenpriester aber gingen mit dem Gedanken um, auch den Lazarus zu tödten, weil viele Juden um seinetwillen hingingen und an Jesus glaubten«. Hierauf (am Sonntage früh) folgt dann der feierliche Einzug Jesu in Jerusalem etc.; aber vom Lazarus geschieht keine weitere Erwähnung mehr im Evangelium. Dagegen hat sich aber die Tradition desselben bemächtigt, wie wir schon oben angedeutet haben. Nach dem hl. Epiphanius wäre Lazarus bei seiner Auferweckung 30 Jahre alt gewesen und habe dann noch 30 Jahre lang gelebt. Nach der Behauptung der Griechen sei er zu Chiti (Cytium) auf der Insel Cypern gestorben, und sein Grab neben der Stadtmauer von den Gläubigen verehrt worden. Auch seien auf der ganzen Insel mehrere Kirchen ihm zu Ehren gebaut worden. Kaiser Leo VI. habe ihm zu Ehren in Konstantinopel eine Kirche sammt Kloster gebaut und um das J. 890 seine Gebeine von Cypern dahin bringen lassen. Nach Andern hätten die Juden nach dem Tode Jesu unsern hl. Lazarus und seine beiden Schwestern, so wie den hl. Joseph von Arimathäa und einige Andere (man nennt die hl. Maria Jacobi, die hl. Salome und den hl. Maximinus) auf ein Schiff ohne Mast, Segel und Ruder gesetzt und den Wellen des Meeres überlassen; diese hätten sie wohlbehalten nach Marseille (Massilia) in Gallien getragen, wo der hl. Lazarus das Evangelium gepredigt habe, dann 50 Jahre Bischof gewesen und endlich gemartert worden sei56. Die Wahrheit dieser Tradition wurde von Launoy bestritten, von der Pariser Sorbonne aber vertheidigt und dadurch das Mart. Rom. bestätigt. Auch in der neueren Zeit wurde nach W.W. (VI. 771) das vielfach bezweifelte Apostolat des hl. Lazarus in Marseille von einem gelehrten Sulpicianer vertheidigt. Nach Butler (X. 114) und Migne rühmt sich die Kirche von Marseille, die ihn als ihren ersten Bischof ansieht, das Haupt des hl. Lazarus zu besitzen, und die zu Autun (Augustodunum) seinem Namen geweihte Kirche gibt vor, sie sei im Besitze der übrigen Reliquien des Heiligen, was wohl von einem kleineren oder größeren Theile derselben zu verstehen seyn mag. †



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