Ursula (18)

Ursula (18)

18Ursula, M. (18. Sept.). In einer Urkunde aus dem J. 1475 wird uns vom sel. Martyrtode des unschuldigen Kindes Ursula Folgendes erzählt. Sie war die Tochter des Thomas Pöck, eines Bürgers der Stadt Lienz in Tirol, welcher daselbst in der »Judengasse« wohnte. Am hl. Charfreitag des J. 1442 oder 1443 kamen fremde Juden nach Lienz auf Besuch, welche dieses nun. 41/2 Jahre alte Mädchen durch List an sich zu bringen wußten und grausam ermordeten. Die bekümmerten Eltern sandten Leute aus, dasselbe zu suchen, doch für den Augenblick vergeblich. Endlich kam man den anwesenden Juden auf die Spur, welche das Kind aus Haß gegen Christum am heiligen Charfreitage getödtet hatten. Um ihre Uebelthat zu verbergen, warfen sie den entseelten Leichnam in's Wasser, wo man ihn nachher fand. Als Vater und Mutter des Kindes die Leiche sogleich als die ihres Kindes erkannten, wurden die Juden ergriffen, und über ihre böse That verhört. Anfänglich leugneten sie dieselbe, zuletzt aber gestanden sie, daß sie das Kind am Charfreitage getödtet hätten. Bei diesem Verhöre wurden die Juden gefragt, wie sie das Kind in ihre Gewalt bekommen hätten? Darauf gaben sie zur Antwort: Ein Christenweib, Namens Margareth Praitschedt, habe ihnen das Kind um Geld überliefert. Darauf wurde auch dieses Weib in's Verhör genommen und gefragt, wie sie hinter das Kind gekommen sei? Worauf sie sagte: Sie habe das Kind auf der Gasse gefunden, habe ihm freundliche Worte gegeben und es dann diesen Juden ausgeliefert. Als man die Sachen als wahr befunden, wurde die Untersuchung geschlossen. Hierauf fällte die Frau Gräfin Margareth in Abwesenheit ihres Herrn, Grafen Heinrich von Görz, welche hier zu Lienz' damals ihren Sitz hatten, nachdem selbe am Montage vor Christi Himmelfahrt obigen Jahres nochmals über die Mörder einen Rechttag zusammenberufen hatte, das Urtheil über die Uebelthäter. Dem zufolge wurde der eine Jude Namens Samuel, der die erste Hand zur Ermordung des Kindes angelegt hatte, zum Rade verurtheilt; er wurde auf's Rad gesetzt und dazu ein Hund angehängt. Der ältere Jude, der Joseph hieß, wurde zum Strange verurtheilt, auch ihm wurde an den Füßen ein Hund angehängt. Die oben genannte Praitschedl und zwei alte Judenweiber wurden zum Feuertode verurtheilt, indem alle drei mit dem Rücken gegen einander gebunden im Feuer verbrannt wurden. Weitere vier Jüdinnen und ein Judenknabe, berichtet die Urkunde weiter, begehrten die hl. Taufe und wurden begnadigt. Inhaltlich dieser Urkunde war also das unschuldige Kind Ursula Pöck am Charfreitage des J. 1442 oder 1443 von den Juden getödtet worden – wie sie es bei Christenkindern auch an andern Orten gethan haben. So wurden in der zweiten Hälfte des 15. Jahrh. in unserem Vaterlande Tirol auch noch zwei oder drei andere Kinder Opfer des unmenschlichen Fanatismus, womit viele Juden damals erfüllt waren. So das sel. Kind Andreas von Rinn (Siehe I. Bd. Heil. - Lexicon S. 198) im J. 1462; zu Trient das unschuldige Kind Simeon7 im J. 1475. Endlich wurde im J. 1744 zu Montiggl, einer Filiale der Pfarre St. Pauls in Südtirol, ebenfalls von den Juden gemartert, der Knabe Franz Thomas Locherer, 9 Jahre alt. – Auch sonst ist die Ermordung der Ursula Pöck beglaubiget. Auf dem Friedhofe der Stadtpfarrei zu Lienz war nämlich ehedem an der nördlichen Seite der Kirche beim dritten Strebepfeiler ein altes Gemälde auf Holz zu sehen, welches in der Mitte die Mutter Gottes, rechts die heil. Helena und links den heil. Leonhard zeigte. Unter diesem Bilde befand sich wörtlich folgende Inschrift: »Anno Domini: 1452 am Mittwoch vor St. Achatien Tag ward das gemähl vollbracht. Hat lassen machen Thomas Pöck zum Gedächtniß seiner Tochter Ursula, das die Juden am Charfreitag gemartert haben, und ligt hier begraben. Erneuert ist das Gemähl Gott dem Allmächtigen und Maria seiner glorwürdigen Muetter und diesem unschuldigen Kindl zu Ehren im Jahre als man zählte 1619.« Diese Tafel wurde 1722 in die Sacristei der Pfarrkirche übertragen, wo sie aber gegenwärtig nicht mehr ist; dafür ist eine neue mit gleichem Inhalt im Friedhofe aufgestellt. – Die Grabstätte des sel. Kindes lag also hart an der Kirchenmauer und war in sofern von den andern Gräbern abgesondert, als sie mit einem hölzernen Gitter umgeben war, woran sich auch ein Betschemmel befand. Unterm 23. Jän. 1739 berichtete der Stadtpfarrer von Lienz, Carl Nicolaus v. Hiltprand, an das fürsterzbisch. Consistorium zu Salzburg, (denn Lienz gehörte dazumal zu Salzburg, nun aber zur Diözese Brixen) »daß manchmal von andächtigen Leuten und Kindern das Grab besucht werde.« Eben die bis dahin nicht abgestorbene Verehrung war die Ursache, daß das kgl. Damenstift zu Hall, als damalige Gerichtsherrschaft von Lienz, den Herrschaftsverwalter daselbst und Schloßhauptmann auf Bruck Josef v. Tschusi mit Erlaß vom 11. Oct. 1738 zum Bevollmächtigten ernannte, um eine kirchliche Untersuchung über das Grab, den Leib und die Verehrung des unschuldigen Kindes Ursula Pöck einzuleiten. Auf Ersuchschreiben dieses Bevollmächtigten ertheilte das fürsterzbisch. Consistorium dem Stadtpfarrer von Lienz, Carl Nikolaus v. Hiltprand, unterm 13. Febr. 1759 den Auftrag, »daß er zwar im Geheimen, jedoch im Beisein eines notarii publici und zweier Zeugen das Grab des von den Juden am hl. Charfreitage 1442 auf eine grausame Weis gemarterten 41/2jährigen Kindes Namens Ursula Pöck, eröffnen lasse, all dasjenige, was in solchem, sowohl an dem etwa vorhandenen Grabschriften und Gebeine oder anderwegs Merkwürdiges sich finden möchte, vom gedachten Notar ordentlich und umständlich beschreiben, sodann ein Instrumentum publicum hierüber verfassen lassen und solches mit seinem Berichte und beigefügten Gutachten zur weitern Resolution nach Salzburg schicken solle.« In Folge dieses Auftrages berief oben bemeldeter Pfarrer den Geschichtsforscher und apostolischen Notar Anton Roschmann auf den 8. Juni nach Lienz, und an diesem Tage wurden vor dem geistl. und weltl. Commissär in Gegenwart von vier geschworenen Zeugen, nämlich: Pfarrer Paul von Söll, Victor Josef Siegmund, Ortsrichter Jos. Kranz und Dr. Medic Fr. Meichelbeck, das Grab eröffnet, was man als zweckdienlich gefunden untersucht und geprüft und darüber das im Original vorliegende Notariatsinstrument mit allen Förmlichkeiten aufgenommen und angefertiget. Man entdeckte im Grabe 16 größere und kleinere Stücke von einem Kopfe und 9 andere Gebeine. Sämmtliche befanden sich beisammen im Winkel des Pfeilers, und wurden als die Gebeine eines Kindes erkannt. Man brachte sie daher in ein Behältniß (Schachtel), legte das Siegel darauf, und verwahrte sie in der Pfarr-Sakristei. Gegenwärtig befinden sie sich im gewölbten Pfarrarchive des Pfarrhofes zu Lienz. Die bezüglichen Akten wurden dann nach Salzburg geschickt, und hiemit endete der ganze Prozeß, dessen weitere Verfolgung vielleicht unterblieben ist, weil man die Identität der Gebeine nicht hätte beweisen können. Man zeigt noch gegenwärtig den Keller im Hause des Erasmus Lottersberger in der »Judengasse« zu Lienz, wo die gräßliche That vollbracht wurde und Schreiber dieses hat diesen Keller selbst erst vor Kurzem sich eröffnen lassen, und besitzt eine Abbildung dieses Kellers auf einem Glasgemälde. Der Unterzeichnete hat bei Anfertigung dieses Berichtes die »Beiträge zur Geschichte der Kirche v. Brixen und Säben von Franz Ant. Sinnacher« benutzt; wie auch besonders die »urkundliche Darstellung über das Martyrium des unschuldigen Kindes Ursula Pöck v. Lienz (1442 oder 1443) von Georg Tinkhauser.« – Da die Matrikelbücher der Pfarrei Lienz erst mit dem J. 1601 beginnen, konnte ich leider über den Tod und die Eltern des sel. Kindes aus denselben nichts entnehmen30.



http://www.zeno.org/Heiligenlexikon-1858. 1858.

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