Bruno, S. (1)

Bruno, S. (1)

1S. Bruno, Conf. et Ord. Carthusianorum Fundator (6. Oct.). Nach Wachter entweder aus dem Isländischen bruna, oder aus dem Angelsächs. bryme, welche beide die Bedeutung von glänzend, berühmt haben; daher Bruno = der Berühmte.- Der hl. Bekenner Bruno, der Stifter des Ordens der Carthäuser, erblickte das Licht der Welt zu Köln am Rhein – nicht in der letzten Hälfte, noch am Anfange des 11. Jahrhunderts, wie die Einen und die Andern wollen, sondern entweder im Jahre 1030 oder zwischen dem J. 1030 und 1040. Butler nimmt das Jahr 1035 seiner Geburt an. Wenn aber der nämliche Schriftsteller sagt, er sei aus der altadeligen kölnischen Familie »von der harten Faust« (Hartefaustorum) entsprossen; so ist zwar seine adelige Geburt ausgemacht, allein sehr ungewiß, ob er von der »von der harten Faust« abgestammt sei, wie die Bollandisten dieß weitläufig darthun. Schon in seinen ersten Jahren verrieth unser Heiliger nichts von den Schwächen der Kindheit, vielmehr bemerkte man an ihm Etwas, was diesem Alter fremd und weit über dasselbe erhaben war. Unter den Augen seiner frommen Eltern aufwachsend, besuchte er die Schule des hl. Cunibert zu Köln, worin er treffliche Fortschritte machte. Ueberhaupt verrieth er von seiner frühesten Jugend an einen überaus scharfen Verstand und berechtigte schon damals zuden glänzendsten Hoffnungen. Wenn indeß Butler nach Andern meint, er sei vom hl. Bischof Hanno zum Canonicus an seiner Kirche ernannt worden; so ist zu bemerken, daß dieß wegen seiner Jugend nicht recht wohl seyn kann, indem er seine Vaterstadt fast noch als Knabe verließ und nach Rheims sich begab, um in den Wissenschaften sich noch mehr auszubilden. Er durchwanderte alle Fächer, welche daselbst gelehrt wurden, und war für seine Zeit ein guter Dichter; besonders ragte er hervor in der Philosophie, die er nach der Meinung der Bollandisten zu Tours unter Berengar hörte, so wie auch in der Theologie, so daß ihm seine Zeitgenossen den Namen eines Poeten, eines Philosophen und Theologen beilegten. Als Herimann, Canonicus und Scholaster zu Rheims, die Welt verließ, um sich ganz allein dem Studium der wahren Weisheit zu widmen, wurde der hl. Bruno, der mittlerweile von Tours nach Rheims gekommen war und vielleicht Unterricht daselbst ertheilte, vom Erzbischof Gervasius an dessen Stelle erwählt. Der Heilige rechtfertigte die Wahl des Erzbischofs durch seine außerordentliche Klugheit und seinausgebreitetes Wissen, so daß sein Ruf in die entferntesten Länder Europa's gelangte. Lange Zeitglänzte er auf den Lehrstühlen zu Rheims, und der Verfasser seines Lebens versichert, daß er auch die Stütze jener ausgebreiteten Diöcese war, woraus hervorzugehen scheint, daß ein Theil der geistlichen Angelegenheiten auf seine Schulter gelegt worden war. Schon seit einiger Zeit hatte Bruno den Entschluß gefaßt, die Welt zu verlassen, und dieser Entschluß scheint zur Reise gelangt zu seyn durch das viele Unangenehme, welches er von Seite des Erzbischofs Manasses, welcher dem hl. Gervasius nachfolgte, zu erfahren hatte. Indeß wird der Eintritt des Heiligen in den Ordensstand gewöhnlich einer höchst schauerlichen Begebenheit zugeschrieben, welche zu Paris sich zugetragen haben und von der Bruno Zeuge gewesen seyn soll. Als nämlich einst der Leichnam eines berühmten Lehrers zur Beerdigung getragen werden sollte, habe derselbe, während die Tagzeiten für die Ruhe seiner Seele gesungen wurden, aus dem Sarge sich aufgerichtet und mit fürchterlicher Stimme (nach einer andern Leseart in drei auf einanderfolgenden Tagen) gerufen: »Ich bin durch das gerechte Urtheil Gottes angeklagt;« dann: »Ich bin gerichtet« und endlich: »Ich bin verdammt.« Dieß habe auf den hl. Bruno solchen Eindruck gemacht, daß er augenblicklich die Welt verlassen und in strengster Buße sein Leben zugebracht habe. Was nun die Wahrheit dieser Erzählung, die erst bei Schriftstellern des 13. Jahrhunderts sich findet, betrifft, so wird sie vielfach (besonders von den Carthäusern) behauptet, vielfach aber auch angestritten und geradezu für eine Fabel gehalten, und dieß von den gewichtigsten Männern, wie z.B. Mabillon. Gewiß ist, daß diese Geschichte einmal ins römische Brevier aufgenommen war, aber von Papst Urban VIII. aus demselben wieder ausgeschieden wurde; ob, wie Einige behaupten, aus Grund ihrer Falschheit, oder wie Andere annehmen, der Abkürzung des Officiums wegen und weil man im Brevier auf die veranlassenden Ursachen der Lebensänderung des Heiligen keine Rücksicht nehmen wollte, ist nicht mit Bestimmtheit anzugeben; es dürfte aber der Grund der Ausmärzung wohl darin liegen, weil man die Sache selbst nicht für gewiß gehalten hat, und gewichtige aus der Geschichte entnommene Gründe entgegen standen. Butler, der französischen Schriftstellern folgt, hält sie geradezu für eine Fabel; die Bollandisten führen das pro und contra an, und überlassen das Urtheil dem Leser, wobei sie übrigens doch die Ansicht durchblicken lassen, jener schauerliche Vorgang könnte, sofern er nur vor Wenigen sich begeben,27 wahrscheinlich seyn. Wir haben die Auseinandersetzung bei den Bollandisten aufmerksam gelesen, können uns aber von der Ansicht nicht lossagen, daß die ganze Geschichte, soweit sie den hl. Bruno betrifft, höchst unwahrscheinlich sei – schon darum, weil die Voraussetzung, welche ihr zu Grunde liegt, daß nämlich der Heilige in Paris den Studien obgelegen, und daß er daselbst eine Lehrkanzel versehen habe, keineswegs verbürgt ist, wenn gleich das römische Brevier diese Ansicht festhält und sich für sein Studium in Paris und sein Lehramt daselbst ausspricht; dann weil es historisch nachweisbar ist, daß der Heilige nicht von Paris, wie die Vertheidiger jenes Wunders annehmen, sondern von Rheims aus in die Einsamkeit getreten, und zwar nicht gleich in die Wildniß von Chartreuse, sondern nach Saisse-Fontaine, im Bisthum Langres, wo er mit Einigen seiner Genossen eine Zeitlang in eifrigem Streben nach Vollkommenheit lebte. – Nachdem der hl. Bruno seinen Entschluß zur Ausführung gebracht und Gesinnungsgenossen gefunden hatte, besprach er sich mit diesen über die zu wählende Lebensregel und zog deßhalb auch den hl. Abt Robert von Molesme, einen durch seine Tugenden und Erfahrungen berühmten Mann, zu Rathe, der ihn an den Bischof Hugo von Grenoble wies, weil er der geeignetste Mann wäre, ihm die Ausführung seines gottseligen Planes zu erleichtern. Sogleich machte er sich auf den Weg und kam mit sechs Genossen – nämlich 1) Landuin, der ihm als Prior in der Carthause nachfolgte, 2) Stephan von Bourg und 3) Stephan von Die, beide Kanoniker zu St. Ruf im Delphinate, 4) Hugo, mit dem Beinamen »Kaplan«, weil er der einzige Priester an der neuen Anstalt war, 5) Andreas und 6) Guerin, beide Laien – um die Mitte des Sommers 1084 in Grenoble an, und erhielt sofort vom Bischof Hugo die Wildniß Chartreuse, vier Stunden von der Stadt, an einem ganz abgelegenen Orte zum Aufenthalte. Bei Ordenschriftstellern und auch im römischen Brevier findet sich die Nachricht, der hl. Bischof Hugo habe ihren Wünschen um so lieber willfahrt, als er erkannt habe, sie seyen diejenigen, welche er in der vorigen Nacht im Schlafe wie sieben Sterne vor ihm hergehend gesehen habe; allein diese Nachricht ist nicht verbürgt. Bruno und seine Gefährten bauten zuerst ein Bethaus und kleine Zellen (etwa wie die alten Lauren in Palästina waren), in denen anfänglich je zwei wohnten, von denen aber in der Folge Jeder die seine hatte. Es würde schwer seyn, die außerordentliche Lebensweise des hl. Bruno und seiner Gefährten zu schildern. Nach Guibert von Nogent (in vita Brunonis) brachten sie wöchentlich sechs Tage einsam in ihren Zellen zu und waren blos an Sonntagen beisammen. Wenn sie auseinander gingen, nahm Jeder ein Brod mit sich, nebst einer andern Speise, wovon sie die übrige Woche lebten. Sie redeten fast immer nur durch Zeichen mit einander, hielten das strengste Stillschweigen und widmeten einen großen Theil des Tages dem Gebete, dem die Arbeit folgte, welche gewöhnlich im Abschreiben von Andachtsbüchern, womit sie sich den nöthigen Unterhalt verschafften, bestand. Dieß nun ist der Ursprung des Carthäuserordens, also genannt von der Einöde Carthaus (Chartreuse), wo sie wohnten. Dieser Ursprung wird von Einigen in das Jahr 1086, von Andern früher angesetzt; allein Mabillion hat gründlich erwiesen, daß der hl. Bruno in die gedachte Wüstenei im Monat Juni des Jahres 1084 sich zurückgezogen habe. Die Carthäuser befolgten obige Lebensweise ohne eine besondere vorgeschriebene Regel. Mabillon ist zwar der Meinung, sie hätten in mehreren Punkten die Regel des hl. Benedictus befolgt; allein die Bollandisten, welche das Leben unsers Heiligen weitläufig behandeln (Oct. Tom. III. pag. 491–777) und die Sache genau kennen, stimmen nicht damit überein, sondern behaupten, die neue Anstalt habe ihre eigene Regel gehabt, die von keinem andern Orden entlehnt gewesen. Die Jünger des Heiligen befolgten nach dessen Tode die unter ihnen eingeführten Uebungen und Gebräuche ganz eifrig, bis im Jahre 1228 der fünfte Prior, Guigo mit Namen, einen Abriß dieser Gebräuche zu Papier brachte, dem dann mehrere Generalcapitel neue Satzungen beifügten. Aus dem Ganzen entstand im J. 1581 ein vollständiges Gesetzbuch, welches Papst Innocenz XI. im Jahre 1688 guthieß. Dieses kann man die Carthäuser-Regel nennen. Nachdem einige (nach Butler 6) Ja hre verstossen waren, wurde der Heilige von Papst Urban II., der zu Rheims sein Schüler gewesen und seine Einsicht und Kenntnisse zu schätzen wußte, nach Rom beschieden. Gehorsam dem Rufe des hl. Vaters machte er sich im Jahre 1089 auf den Weg nach Italien und wurde vom Papste mit aller Liebe empfangen. Um desto leichter mit ihm verkehren zu können, wies ihm das Oberhaupt der Kirche eine Wohnung im Palaste an; seinen Gefährten aber gab er einen Ort, wo sie ihre bisherige Lebensweise fortsetzen konnten. Allein diese erkannten bald, daß sie nicht so leicht wie in der Einöde ihren frommen Uebungen nachkommen konnten, und beklagten sich bei Bruno. Auch diesem wurde das geräuschvolle Leben am römischen Hofe zur Last, und ließ mit Bitten an den Papst nicht nach, bis dieser ihm gestattete, zwar nicht in die Carthause, doch in eine Wüste Calabriens sich zurückzuziehen. Der hl. Vater hatte ihm zuvor das Bisthum Reggio angetragen; allein der Heilige war nicht zu bestimmen, es anzunehmen. Da der Heilige in der Diöcese Squillace (Scylaceum) im südlichen Neapel eine seinen Wünschen angemessene Einöde gefunden, ließ er sich da mit einigen neuen Jüngern, die sich ihm in Italien angeschlossen hatten, nieder, und begann wieder die Uebungen des einsamen Lebens mit größerem Eifer als zuvor. Obgleich in seine Einsamkeit verschlossen, verrieth ihn doch der Glanz seiner Tugenden, und gelangte der Ruf seiner Heiligkeit bis an den Hof des Grafen Roger oder Rudiger von Sicilien und Calabrien. Wenn Butler einigen Schriftstellern nacherzählt (auch das römische Brevier enthält diese Nachricht), der genannte Graf habe unsern Heiligen auf einer Jagd in seiner Einsamkeit entdeckt; so ist dieß nach unsern Gewährsmännern nicht richtig, sondern man muß nach diesen vielmehr annehmen, er sei dem Grafen, in dessen Gebiet seine Einsiedelei lag, gleich anfänglich bekannt gewesen und habedurch den Ruf seiner Heiligkeit dessen Augen auf sich gezogen. Der Graf Roger behandelte unsern Heiligen mit aller Auszeichnung, und diese wurde durch eine ganz besondere Gnade, die er durch Bruno's Fürbitte erlangt hatte, auf das Höchste gesteigert. Als nämlich die Lombarden ungerechter Weise den Fürsten Richard von Aversa, einen nahen Verwandten des Grafen Roger, zu Capua gesangen hielten. sammelte dieser ein Heer und belagerte im Jahre 1098 (nach Butler 1099) Capua. Allein Sergius, den er an die Spitze einer Schaar von 200 Griechen gestellt hatte, ließ sich von den Feinden durch eine Geldsumme bestechen und versprach, im Gewühle der Schlacht zu ihnen überzugehen. In der Nacht, nach welcher diese Verrätherei ausgeführt werden sollte, gab Roger für den kommenden Tag den Befehl, Sturm zu laufen, und zog sich in sein Gemach zurück, um auszuruhen. Im Schlafe glaubte er den hl. Bruno zu sehen, in Thränen zerfließend und mit zerrissenen Kleidern. Auf Befragen, warum er weine, fuhr er noch heftiger fort zu schluchzen, und als Noger zum Zweitenmal dieselbe Frage stellte, gab er ihm zur Antwort: »Ich weine wegen des Lebens so vieler Christen und des Deinigen insbesondere; dennoch stehe auf, ergreife die Waffen, vielleicht wird es Gott fügen, daß Du Dein und Deiner Soldaten Leben rettest.« Der Graf gehorchte, rief seine Kriegsobersten herbei und befahl, unter die Waffen zu treten, um zu sehen, ob das Gesicht Täuschung sei. Vom Schrecken ergriffen, floh Sergius aus der Stadt und Rudiger entdeckte bald zu seinem Erstaunen die Wirklichkeit der stattgefundenen Verrätherei. Zum Danke dafür bestätigte er dem Heiligen den Besitz jener Einöde im Bisthum Squillace in Calabrien, della Torre mit Namen, wo er das erste Kloster errichtete und in dasselbe alle Uebungen der Tugenden einführte, welche das Hauptkennzeichen seiner Jünger waren. Obgleich entfernt von der großen Carthause, wurde er dennoch immer als ihr Vater angesehen, und ohne seine Beistimmung wurde nie etwas von Wichtigkeit vorgenommen, so daß die Carthäuser von Frankreich und Italien ein und derselbe Geist belebte. Die Zeit, wo Bruno die ewige Krone seiner Arbeiten und Tugenden empfangen sollte, war endlich gekommen, und Gott suchte ihn am Ende des Septembers im Jahre 1101 mit einer Krankheit heim. Er starb nach wenigen Tagen, nämlich am 6. Oct., der auf einen Sonntag fiel, und wurde auf dem Gottesacker der Kirche zu Unserer Lieben Frau della Torre begraben. Einige Schriftsteller haben versichert, seine Ueberreste seyen nach St. Stephan (vermuthlich ein Ort in Calabrien) überbracht worden; allein im Jahre 1515 wurde sein Leichnam zu della Torre noch unversehrt gefunden. Das Jahr zuvor gestattete Leo X. das Abbeten einiger Tagzeiten zu dessen Ehre, was als eine wirkliche Seligsprechung angesehen wurde, da seine Heiligkeit und die vielen sie bestätigenden Wunder die in solchen Fällen üblichen Förmlichkeiten entbehrlich machten. Im Jahre 1623 genehmigte Papst Gregor XV. seine öffentliche Verehrung auf's Neue, indem er das ebengedachte Officium auf die ganze Kirche ausdehnte, weßhalb sein Name nicht nur im allgemeinen Mart. Rom., sondern auch insbesondere in dem für die, Basilianer am 6. Oct. Aufnahme fand. – Was endlich seine bildliche Darstellung betrifft, so findet man unsern Heililigen im weißen Carthäuserhabit, mit einem Stern auf der Brust, mit Sternen um das Haupt, die Erdkugel (Reichsapfel), als Zeichen der Weltverachtung, unter seinen Füssen, mit einem Kreuz in der Hand, dessen Ende in Blätter ausschlagen; oder mit einem Palmbäumchen und einem Crucifixe daran. Die Bedeutung dieser Darstellung ergibt sich aus dem Vorigen, und zielen der Stern oder die Sterne auf die angebliche Erscheinung, die der hl. Hugo gehabt, und der Palmzweig auf die ganze Einrichtung seines Ordens.



http://www.zeno.org/Heiligenlexikon-1858. 1858.

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