- Vincentius Ferrerius, S. (15)
15S. Vincentius Ferrerius, Conf. O. S. D. (5. Apr. al. 6. Sept.). Dieser weltberühmte Heilige wird im Mart. Rom. zum 5. April mit folgenden Worten angeführt: »Zu Vannes in der Bretagne das Andenken des hl. Bekenners Vincentius mit dem Zunamen Ferrerius aus dem Predigerorden, welcher mächtig in Wort und That viele tausend Ungläubige zu Christus bekehrt hat.« Die älteste Lebensbeschreibung ist von dem Dominicaner Petrus Ranzanus im J. 1455 zum Behufe seiner Heiligsprechung geschrieben, und bei den Boll. (Apr. I. 482–512) abgedruckt. Wir haben dieselbe benutzt und unserer Darstellung zu Grunde gelegt. Außerdem sind Auszüge aus Donin: Kurze Lebensgeschichte des hl. Vincenz Ferrerius aus dem Predigerorden, Wien 1844, und aus dem fleißig und beinahe vorurtheilsfrei geschriebenen Werkchen von Heller: Vincentius Ferrer nach seinem Leben und Wirken dargestellt, Berlin 1830, in dieselbe verflochten.23 Der Heilige war zu Valencia in Spanien von wohlhabenden und angesehenen Eltern, als der jüngste Sohn des Notars Wilhelm Ferrerius und seiner Gattin Constantia Miguel geboren. Beide waren nicht Convertiten aus dem Judenthum, sondern von Jugend auf Christen. Sein ältester Bruder Bonifacius war anfänglich Rechtsgelehrter, dann wurde er nach dem Tode seiner Gattin auf den Rath seines hl. Bruders Carthäuser in Porta Cöli bei Valencia. Im J. 1402 wurde er Ordensgeneral und Prior des Klosters in Grenoble, und starb am 29. April des J. 1417. Der andere Bruder hieß Petrus, und ist Weiteres von ihm nicht bekannt. Von seinen fünf Schwestern sind uns drei: Constantia, Francisca und Agnes nur dem Namen nach, die zwei andern gar nicht bekannt. Das Geburtsjahr des hl. Vincentius wird verschieden angegeben; die Geschichtschreiber schwanken zwischen 1346 und 1357. Da er aber, auch nach der Canonisationsbulle, über 70 Jahre alt geworden, und sein Todesjahr 1419 unbestritten ist, so kann nur die erste Angabe richtig sein. Sein Geburtstag ist der 2. Jan. Schon die Zeit vor seiner Geburt war von außerordentlichen Erscheinungen begleitet. Eines Tages kam eine blinde Bettlerin in das Haus, um ihr monatliches Almosen in Mehl und Geld abzuholen. Die Mutter des Heiligen gab ihr es mit den Worten: »Betet für mich, meine Schwester, daß ich mit meinem Kinde glücklich bin.« Die Blinde entgegnete dankend: »Gott gebe euch diese Gnade!« In demselben Augenblicke war sie sehend und rief: »Ihr traget einen Engel in euch, der mich von meiner Blindheit geheilt hat.« Seinem Vater träumte, er sei in der Dominicanerkirche, und höre die Predigt eines überaus wohl gestalteten und ehrwürdigen sprach ein anderer Ordensbruder zu ihm: »Ich wünsche dir Glück, denn in kurzer Zeit wirst du einen Sohn bekommen, welcher in unsern Orden eintreten, und von den Völkern wie einer der ersten Apostel verehrt werden wird.« Er erzählte seiner Frau den Traum, ohne daß beide viel auf denselben gegeben hätten. Auffallend war es aber der Mutter, daß sie dieses Mal durchaus jene Beschwerden nicht mehr empfand, an welchen sie früher gelitten hatte, wenn sie guter Hoffnung war. Außerdem war es ihr öfter, als höre sie aus ihrem Leibe eine Art Hundegebell. Der Cardinalbischof Jakob von Valencia, ein naher Verwandter der Familie, welchem sie hierüber Mittheilung machte, gab ihr zu verstehen, daß, weil in der hl. Schrift eifrige Prediger öfter mit bellenden Hunden verglichen werden, aus ihrem Kinde ein großer Verkünder des Evangeliums werden dürfte. Als daher das Kind zur Taufe gebracht wurde, und man im Zweifel war, welcher Name ihm gegeben werden solle, gab ihm der tausende Priester, welcher von den erwähnten Vorkommnissen ohne Zweifel gehört hatte, den Namen Vincentius, obwohl in der Verwandtschaft Niemand so hieß, um ihm an dem hl. Leviten d. N., welcher einst die Stadt Valencia mit seinem Martertode verherrlichet hatte, ein seinem künftigen Berufe entsprechendes Vorbild zu geben. Es gehört viel Phantasie dazu, hierin eine erdichtete Nachahmung der Geburt und Namensertheilung des hl. Johannes zu sehen, denn in diesem Falle wäre ihm wohl letzterer Name gegeben worden. Der Knabe erhielt eine sorgfältige Erziehung, und mußte mit sechs Jahren die Schule besuchen. Oft diente er dem Priester in aller Andacht am Altare. Bei seinen kindlichen Spielen bemerkten die Eltern mit großer Freude, daß er am liebsten predigte und geistliche Lieder sang. Wie diese in jedem Jahre nach genauer Berechnung des Haushaltes dasjenige, was zum standesmäßigen Unterhalte der Familie nicht nöthig war, an die Armen vertheilten, so leiteten sie auch ihr Kind zu Werken der Nächstenliebe an. Was sie ihm zu solchen Zwecken gaben, war gewöhnlich schon in ein paar Tagen in den Händen der Armen. So wuchs er in Demuth, Gehorsam, Gottesfurcht und Sittenreinheit zum Jünglinge heran. Die Eltern ermahnten ihn oft, er müsse täglich besser zu werden sich befleißigen und die frommen Uebungen, an welche sie ihn gewöhnt hatten, immer vollkommener zu verrichten streben, und der fromme Knabe befolgte diese Mahnungen so gut er konnte. Jeden Mittwoch und Freitag hielt er Fasttag. Bei Anhörung des göttlichen Wortes weinte er nicht selten vor lauter Ergriffenheit und Andacht, besonders so oft vom Leiden Christi oder vom Lobe der göttlichen Mutter, gegen welche er frühzeitig schon innige Verehrung trug, die Rede war. Die höheren Studien begann er mit seinem 12. Jahre und trat 17 oder 18 Jahre alt nach dem Wunsche seines Vaters in den Orden des hl. Dominicus. Da auch dieser Orden damals in vielen seiner Glieder den ursprünglichen Eifer längst verloren hatte, erregte seine außerordentliche Frömmigkeit und Gewissenhaftigkeit in kurzer Zeit die größte Bewunderung. Er hielt sich das Leben des hl. Dominicus, in welchem er unausgesetzt las, als den Spiegel seines eigenen Ordenslebens beständig vor Augen. Seine ganze Zeit gehörte den Gebeten, dem Studium und den ihm anbefohlenen besondern Berrichtungen. Niemand hat ihn je müssig gesehen. Bald mußte er den jüngern Ordensbrüdern Vorlesungen in der Dialektik und Philosophie halten, was er mit größter Bescheidenheit drei Jahre lang that. Man schickte ihn dann zu weiterer Ausbildung nach Barcelona und Lerida (Ilerda), wo er seine erste Schrift: de suppositionibus dialecticis herausgab. Erst 23 Jahre alt schrieb er de moderno ecclesiae schismate, worin er die Rechtmäßigkeit des Papstes Clemens1 VII. vertheidigte. Es war dieß seine Inauguralarbeit, worauf er die Doctorwürde erlangte. Als er nach Valencia zurückkam, war sein Ruf bereits so groß, daß seine Predigten einen unerhörten, Zulauf hatten, indem sogar aus den Städten der Nachbarschaft sich zahlreiche Zuhörer einfanden. Freilich hatte er schon zu Barcelona hiemit begonnen. Als hier einmal zur Abwendung einer Hungersnoth eine Procession durch die Strassen der Stadt zog, tröstete er das betende Volk mit der Vorhersagung der Ankunft von zwei Getreideschiffen, die bald darauf in Erfüllung ging. Diedamaligen Prediger prunkten gerne mit Citaten aus Cicero und Aristoteles, was der hl. Vincentius äußerst selten that, obwohl er die alten Dichter und Philosophen gut in seinem Gedächtnisse hatte.24 Um jene, Zeit lernte ihn Cardinal Peter de Luna kennen, nahm ihn mit sich nach Paris, wo er bei Carl VI. als Gesandter Clemens' VII. weilte, und gewann ihn so lieb, daß es vieler Bitten des jungen Ordensmannes bedurfte, bis er ihn in seine liebe Zelle nach Valencia zurückkehren ließ. Unermüdlich thätig verfaßte er neben seinen zahlreichen seelsorglichen Arbeiten ein Buch vom geistlichen Leben (tractatus de vita spirituali), das auch in fremde Sprachen übersetzt wurde, und ein anderes über Versuchungen gegen den Glauben. In der Volkssprache schrieb er um diese Zeit eine Erklärung der Ceremonien der hl. Messe. Sein Ansehen stieg von Tag zu Tag, aber ebenso seine Wachsamkeit und seine Demuth. Der böse Feind sah mit bitterstem Neide die großartige Wirksamkeit des Dieners Gottes und bereitete ihm die gefährlichsten Nachstellungen. Einmal hatte der Heilige eben sein Officium zu Ehren der Mutter Gottes vollendet, und betete vor ihrem Bilde um die Gnade der Beharrlichkeit, als er einen ehrwürdigen Greis neben sich erblickte, der sich als einen der ägyptischen Altväter ankündigte, und ihm sagte, er habe nach einer froh verlebten Jugend erst in späten Jahren Buße geübt, und Gnade gefunden; er rathe ihm, es im Vertrauen auf die göttliche Barmherzigkeit ihm nachzuthun, und nicht schon zu frühe seinen Leib mit Bußübungen und harten Geißlungen zu schwächen. Der hl. Vincentius erschrack über diese Ansprache und verjagte den Teufel mittelst des hl. Kreuzzeichens. Ein anderes Mal erschien ihm der böse Geist in der Gestalt eines Mohren, und wollte ihn durch die Schwierigkeit, bis ans Ende in einem so frommen Leben zu verharren, von demselben abbringen, aber er gab dem Versucher zur Antwort: »Gott gab mir die Gnade des Anfanges, und wird mir auch die Gnade der Standhaftigkeit geben.« Wieder einmal simulirte der Teufel die Stimme der göttlichen Mutter, als er eben innig um die Bewahrung der Jungfräulichkeit zu ihr betete, und suchte ihn zu bereden, daß solches für ihn unmöglich sei. Da rief der Heilige die Mutter Gottes um Hilfe, die ihm alsbald von himmlischer Klarheit umflossen erschien, und ihn zum Vertrauen auf den Beistand der Gnade und zur Vorsicht ermahnte. Die Versuchungen, welche er gegen die Keuschheit zu bestehen hatte, sind ein beredtes Zeugniß für die große Sittenlosigkeit, welche zu seiner Zeit in der Welt und in den Klöstern herrschte. Eine Weibsperson stellt sich krank, verlangt ihm zu beichten, und macht ihm, während er in dieser Absicht mit ihr allein ist, in der schamlosesten Weise ihre sündhaften Anträge, die er mit Gottes Hilfe glücklich überwindet, während sie mit Besessenheit gestraft wird. Aber nicht einmal in seiner Zelle war er sicher. Von den eigenen Ordensbrüdern wird eine gefährliche Buhlerin in dieselbe eingelassen, wenn nicht geschickt (Heligiosi fuerint, an saeculares incertum est, schreibt Hanzanus), aber es gelingt ihm, sich zu bewahren und sie zu bekehren. Auch durch verleumderische Zungen angegriffen, litt der Heilige große Noth, bis sich der Herr selbst seiner annahm, und die genommene Ehre durch reumüthigen Widerruf seitens der Verleumder ihm wieder zurückstellte. Daß Welt-und Klosterleute den bösen Nachreden Glauben schenkten, läßt sich leicht erklären; wenn Alle nach oben und unten von der Sünde angesteckt sind, zweifelt man gern sogar an der Möglichkeit einer Ausnahme. Bald kam aber die Verlogenheit aller gegen ihn gerichteten Aussagen klar an den Tag; sein Ansehen stieg immer höher, so daß ihn König Johann I. in den Jahren 1386–1395 als Rath an seinen Hof zog, und die Königin Yolanda zu ihrem Beichtvater wählte. Unterdessen wurde der Cardinal Petrus de Luna von den zu Avignon befindlichen Cardinälen zum Papste gewählt, ließ sich unter dem Namen Benedict XIII. als solcher krönen und wurde beinahe von allen, Fürsten und Landschaften in den spanischen Ländern anerkannt. Er berief sogleich den hl. Vincentius an seinen Hof, wählte ihn zu seinem Beichtvater und machte ihn im J. 1395 zum Magister des apostolischen Palastes. Mit schwerem Herzen nahm der Heilige die Berufung an, lebte aber auch in Avignon hauptsächlich der Predigt und Seelsorge, und gewann viele Seelen dem Reiche Gottes. Auch die Einigung der Kirche und die Beseitigung des Schisma suchte er zu fördern, indem er Benedict XIII. nahe legte, er solle sich mit frommen und einsichtsvollen Bischöfen und Theologen darüber berathen, und lieber abdanken und in äußerster Armuth leben, als wegen vergänglichen Erdenglanzes die Uneinigkeit in der Kirche länger fortdauern lassen. Als aber der Papst durchaus nicht freiwillig verzichten wollte, begab sich der Heilige in der gleichen Absicht zu Kaiser Sigismund, welcher damals sich einige Zeit in Catalonien aufhielt, zu König Martin von Aragonien und noch einige Male zu Benedict XIII., bis die Sache vor das allgemeine Concil von Constanz gebracht wurde. Zugleich arbeitete der eifrige Ordensmann auch zu Avignon unermüdet an seiner eigenen Heiligung. Ranzanus schreibt: »Er war niemals müssig; seine ganze Zeit verwendete er entweder zur Lesung der hhl. Schriften oder zur Verkündigung des göttlichen Wortes, zur Erbauung der Mitmenschen oder zu Nachtwachen, oftmaligem Fasten, heiligen Gesängen und Gebeten.« Erst hier wurde ihm sein eigenthümlicher Beruf geoffenbart. Er sah einmal, da er krank lag, im Schlafe den Herrn inmitten der heil. Dominicus und Franciscus, und hörte Ihn unter Anderm sagen: »Wenn du wieder gesund bist, so entferne dich alsbald vom päpstlichen Hofe. Ich habe dich zum auserlesenen Prediger meines Evangeliums erwählt, und will, daß du den Völkern den alsbald (cito) bevorstehenden Tag des jüngsten Gerichtes verkündest, und ihre Berbrechen ohne Furcht öffentlich tadelst. Du sollst noch als Prophet auftreten, bevor das Ende der Welt eintritt.« In demselben Augenblicke war er gesund. Was er in der Fieberhitze gehört zu haben glaubte (Ranzanus. II. 4.), das beschloß er alsbald auszuführen. Er konnte Bischof von Valencia und Cardinal werden, aber er wollte nicht; nur Bußprediger wollte er sein, und hiezu gab ihm der Papst außerordentliche Vollmachten. Später wurde die Zelle, in welcher er damals wohnte, in eine Kapelle umgewandelt, welche bis zur französischen Revolution fortbestand. Als der Heilige sich anschickte, seine Missionsreisen zu beginnen, erfüllte unendlicher Jammer den Erdtheil; an vielen Orten wüthete »der schwarze Tod«; andere waren von Kriegen und blutigen häuslichen Zwistigkeiten heimgesucht; die politischen und kirchlichen Zustände schienen unheilbar. Er selbst schrieb: »Die Bischöfe sind ohne Liebe zu Gott und ohne Keuschheit, Fresser, Säufer und faule Bäuche, sie halten weder Messe noch Predigt, sondern geben nur Aergerniß.« Von den einfachen Priestern sagt er: »Sie haben vielerlei Waffen, aber keine Bücher; es freuet sich die Christenheit, wenn sie unter Tausenden nur Einen findet, der fromm ist.« Auch die Ordensleute, die Dominicaner und Franciscaner, klagt er an, daß sie ihren ursprünglichen Geist nicht mehr besitzen und ihre Regel übertreten. Im Allgemeinen sagt er: »Ich glaube, daß niemals ein solcher Luxus und eine so große Zuchtlosigkeit, die Zeit der Sündflut ausgenommen, auf der Welt gewesen ist, wie dermalen. In den Gasthäusern leben die schamlosesten Menschen. Ueberall herrscht der schändlichste Geiz, Wucherverträge unter erlaubten Namen sind an der Tagesordnung. Weder die Fasten, noch die Vigilien und Quatemper werden mehr gehalten. Der Zorn ist so unbändig, daß nicht selten die nächsten Verwandten sich gegenseitig ermorden.« Solcher Gestalt war der Feind, welchen er durch seine Bußpredigten anzugreifen und zu besiegen unternahm; es war nicht der leibhaftige, aber doch der wirkliche Antichrist. Von Avignon kehrte er, in Städten und auf dem Lande (per urbes et villas) unaufhörlich predigend, zunächst nach Catalonien zurück. Sein Büchlein »von der Nähe des letzten Gerichtes« (de propinquitate extremi judicii) diente gleichsam als sein Wegbereiter. Da er sein ganzes übriges Leben in diesen apostolischen Arbeiten zubrachte, dürfen wir jetzt schon hersetzen, welche Ordnung er hiebei beobachtete. Nachdem er fünf Stunden geschlafen, den übrigen Theil der Nacht aber zu Gebet und Lesung verwendet hatte, begab er sich zu früher Morgenstunde, nachdem er zuvor selbst gebeichtet hatte, an den Ort, wo er als Bußprediger erwartet wurde. Zuerst hielt er gesungene Messe, hierauf war die Predigt (er soll öfter gesagt haben, eine Predigt nach der hl. Messe nütze weit mehr, als drei Predigten vor der hl. Messe), dann die Segnung des Volkes und der Kranken, wobei die »Wunderglocke« geläutet wurde; Viele derselben wurden gesund. Ueberall suchte er die Feinde zu versöhnen, und besonders der abscheulich grassirenden Blutrache zu steuern. Es gelang ihm an vielen Orten, außerordentliche Erfolge zu erzielen. In seinen Predigten quollen die kräftigsten Ermahnungen in Verbindung mit aufmunternden und abschreckenden Beispielen wie ein reißender Bach auch seinem beredten Munde. Es schien den, Zuhörern, er wisse nicht bloß die ganze heil. Schrift, sondern auch alle Auslegungen, welche heil. Männer über dieselbe geschrieben haben, auswendig, und seine Stimme klang so hell und klar, und wurde so weit verstanden, daß man einen Engel vom Himmel zu hören glaubte. Es kam vor, wie die Zeitgenossen und Ohrenzeugen erzählten, daß er von Italienern, Franzosen und Deutschen verstanden wurde, obwohl er nur in spanischer oder lateinischer Sprache predigte. Der Gegenstand seiner Predigten war gewöhnlich das Gericht und die Buße; sie waren wohl geordnet, gedankenreich und stark mit Gleichnissen, besonders biblischen, untermischt, welche er meistens bis ins Einzelnste auslegte. Jedesmal, bevor er predigte, betete er vor dem Bildnisse des Gekreuzigten um die nothwendige Erleuchtung. Bei allen diesen Mühen und Anstrengungen bestand seine Mahlzeit nur aus Fischen; niemals aß er Fleisch, außer wenn die äußerste Nothdurft es erforderte. Etwas Wein mit vielem Wasser vermischt pflegte er täglich höchstens drei Mal zu trinken. Seine Ordensregel beobachtete er, auch wenn er sich außerhalb des Kloster befand, mit großer Aengstlichkeit. Jede Nacht gab er sich die Disciplin. Fünfzehn Jahre machte er seine Wanderungen, ein Crucifixbild um den Hals, und einen Stock in der Hand nur zu Fuße; von da ab ritt er wegen eines Fußübels auf einem Esel. Seine Begleitung war sehr zahlreich; es befanden in derselben viele Priester und Sänger aus verschiedenen Orden mit den Epistel- und Evangelienbüchern, tragbaren Orgeln und Musikalien. Da es ihm unmöglich gewesen wäre, alle Beichtenden zu befriedigen, so waren ihm dieselben auch hiezu nöthig und behilflich. Auch Notare hatte er bei sich, zur sofortigen Schlichtung von Rechtshändeln, und zur Aufnahme von Friedensinstrumenten. Außerdem zogen mit ihm prozessionsweise Tausende von Büßern, von welchen sich Viele öffentlich geißelten und dabei ausriefen: »Das ist zur Verehrung des Leidens Jesu Christi und zur Erlangung der Verzeihung für meine Sünden.« Er sah aber strenge darauf, daß sich diesen Zügen Niemand zugesellte, welcher dürftige Eltern zu ernähren oder Schulden zu bezahlen, oder sonst in seinem Beruf zu Hause zu bleiben verpflichtet war, und hiefür waren wieder besondere Aufseher bestellt. Die Zahl derer, welche diesen außerordentlichen Bußfeierlichkeiten beiwohnten, stieg bisweilen auf 80,000 Menschen. Man weiß aber nicht, was mehr Bewunderung verdient, sein Bekehrungseifer und seine Frömmigkeit oder seine große Demuth. Oft rief er bei seinem feierlichen Empfange aus: »Ich bin selbst ein Sünder; mein ganzes Leben ist Gestank. und ich selbst bin ganz Gestank.« Kein Lob und keine Ehrenbezeugung, keine seiner großen Wunderthaten hatte einen nachtheiligen Einfluß auf ihn; er gebrauchte sie als Mittel zu neuer Verdemüthigung. In dieser Weise wirkte er zuerst in Catalonien, von wo er aus Aragonien durchwanderte, bis er wieder in Valencia ankam, vom J. 1395–1399. Im nächsten Jahre ging er nach Barcelona, von wo er sich nach Air überschiffte. Das J. 1401 brachte er in Piemont zu; überall ermahnte er Klerus und Laien, durch Selbstgeißelung die Erinnerung an Christi Leiden stets lebendig in sich zu erhalten, und für die begangenen Sünden Buße zu üben. Im folgenden Jahre predigte er in der Dauphiné, wo er drei Monate lang, dem Laufe der Durance folgend, in Städten, Flecken und Dörfern predigte, und insbesondere das bodenlos unsittliche Vallis puta (Ludovisia, Val Louise) bekehrte, so daß er ihm den Namen Vallis pura geben konnte, und begab sich von da im J. 1403 zu den Waldensern und Katharern in Savoyen. Er berichtete dem Ordensgeneral, ein neuer Beweis der grenzenlosen Erschlaffung alles priesterlichen und seelsorglichen Eifers in jener Zeit, daß daselbst während 30 Jahren nur Waldenser geprediget hätten, welche zwei Mal des Jahres aus Apulien in jene Gegend kamen. Im J. 1404 ging er nach Lausanne, wo das Landvolk zum Theil in völliges Heidenthum versunken war, und die Sonne anbetete. Von da zog er über Freiburg in der Schweiz, wo er gleichfalls, wie Burgener nachgewiesen hat, acht Tage lang predigte, nach Lothringen, wo er steh einige Zeit in Toul aufhielt. Das J. 1405 hörte man ihn in Stadt und Land von Genua das Wort Gottes verkünden. Ueberall sammelte er zahlreiche Garben unsterblicher Seelen für den Himmel, besonders auch in der Stadt Lyon. Jetzt erhielt er eine Einladung von König Heinrich IV. von England, auch seinen Unterthanen die Botschaft des Heiles zu verkünden. Er folgte dem Rufe und wirkte im J. 1406 nicht bloß in England, sondern auch in Schottland und Irland. In der zweiten Hälfte des folgenden Jahres 1407 kehrte er nach Frankreich zurück, und durchzog die Provinzen Poitou, Gascogne, Languedoc, Provence und Auvergne. Im December desselben Jahres predigte er während der Adventzeit zu Clermont. Lyon und die übrigen an den Ufern der Rhone gelegenen Städte hörten seine Bußpredigten im J. 1408, in welchem er auch einige Zeit in Avignon verweilte, und gegen den Schluß des Jahres in Air und Marseille predigte. Sein zweiter Aufenthalt in Italien, wo er zu Florenz, Siena, Lucca, Bologna und andern Orten predigte, ist wahrscheinlich hier einzustellen. Zu Bologna ereignete es sich, daß einmal, als er predigte, eine Feuerflamme über seinem Haupte sichtbar wurde. Jetzt ging er wieder in sein Vaterland zurück, wo er auf den Ruf des Königs Ava-Macoma in Granada sehr viele (in runder Zahl 8000) Mohammedaner bekehrte, aber deßhalb, angeblich weil er politische Umtriebe mache, aus der Stadt vertrieben wurde. Er wendete sich also neuerdings nach Valencia und Aragonien. wo er zur Bestärkung der früher schon Bekehrten und zur Gewinnung neuer Seelen insbesondere aber, wie überall, behuss Aussöhnung von Feinden den größten Theil des J. 1409 zubrachte. Zu Tortosa, Zamora und Salamanca erfolgten zahlreiche Judenbekehrungen. Als er einmal auf dem großen Platze zu Toledo predigte, unterbrach er sich plötzlich und sprach: »Hier darf kein so blindes und verstocktes Volk wie die Juden einen Tempel haben; kommt, wir wollen die Synagoge in eine Muttergotteskirche umwandeln!« Nachdem er dieses gesprochen, stieg er von der Kanzel; die Zuhörer folgten ihm nach, und die Umwandlung der Synagoge in ein christliches Gotteshaus (St. Maria de Bianca) wurde in aller Ruhe vollzogen. Ende Juni des J. 1412 kam er nach Alcaguiz (villa Alcanixil), wo er an Benedict XIII. das Sendschreiben de fine mundi et tempore antichristi richtete, in welchem er Daniel 2, 31–34, das ganze Cap. 3, dann 4, 7–14 auf die Kirche anwendete. Merkwürdig für unsere Tage ist die Schilderung, welche er von der Zeit des Antichrist25 entwirft: »Es werden dann die Menschen die Gesetze der Ehe nicht mehr heilig halten, noch die Grade der Blutsverwandtschaft, man wird nicht mehr fasten und sich des Fleisches enthalten, sondern Alle werden unsittlich und gesetzlos sein.« Der Stein, der ohne Menschenhände sich ablöst, und das Weltende herbeiführt, ist Christus. Von Alcaguiz, wo er sich nicht lange aufhielt, ging er nach Saragossa, um den Feierlichkeiten der Thronbesteigung Ferdinands I. beizuwohnen, der ihn zu seinem Beichtvater und Hofprediger ernannte. Er blieb aber seinem Missionsberufe treu, und begab sich über Valaqueria, wo er einige Male predigte nach Valencia, wo er vom Dec. des J. 1412 bis Juni 1413 verweilte. Nun hielt sich der Heilige kurze Zeit in dem Flecken Trayguera auf, und kam im Monate August nach Barcelona, um sich nach Majorca einzuschiffen, wo er Anfangs September landete, und bis zum 23. Febr. 1414 blieb. Er brachte die dortige Einwohnerschaft und viele Mahommedaner zur Bekehrung und Buße. Jetzt ging er nach Tortosa, wo eine große Zahl Juden sich bekehrte, und von da zum Könige nach Saragossa, welchen er mündlich und schriftlich dringend bat, er möge es an Bemühungen zur Bekehrung der Juden und Heiden, und zur Steurung der Unsittlichkeit nicht fehlen lassen. Darauf bekehrte er zu Daroca 10,000 Juden auf einmal. Im Juli hielt er zu Moella mit Ferdinand und Benedict XIII. eine neue Berathung über die Beilegung des Schisma. Benedict blieb zu seinem großen Leidwesen halsstarrig. Fruchtbringender waren im November desselben Jahres seine Bemühungen zur Bekehrung der Juden in Saragossa, und seine Missionspredigten in Aragonien und Catalonien, womit er sich in der ersten Zeit des J. 1410 beschäftigte. Als Benedict XIII. selbst das Concil vom Constanz anzuerkennen sich weigerte, auch eine Zusammenkunft in Perpignan, wo Kaiser Sigismund und König Ferdinand und die Könige von Castilien und Navara mit demselben zusammen trafen, keinen Erfolg hatte, und alle Vermittlungsversuche des heil. Vincentius scheiterten, sagte sich auch Spanien von ihm los, und der Heilige vollzog in der Hauptkirche zu Perpignan am Dreikönigstage des J. 1416 die Verkündigung dieses Beschlusses in spanischer und lateinischer Sprache. Nun sollte er sich zum Concil nach Constanz begeben, wohin er eingeladen war. Obwohl er glaubte, daß ein einfältiger Ordensmann in dieser großen Versammlung so vieler gelehrten Männer nichts zu thun habe, und sein Beruf ein anderer sei, beschloß er gleichwohl, abzureisen. Er ging nach Toulouse, wo er am Freitage vor dem Palmsonntage ankam und Predigten hielt, und sodann nach Carcassonne, wohin zu kommen die Einwohnerschaft ihn gebeten hatte. Hier bewirkte sein Gebet einen fruchtbringenden Regen. Am 25. Mai war er in Castres, von wo er nach Alby und Bezieres ging. Hier empfing er eine reiche Geldspende, die er sofort an die Armen vertheilen ließ. Jetzt ging er durch die Languedoc nach Burgund; zu Clairvaux hörte mit seiner Ankunft eine pestartige Krankheit auf wunderbare Weise auf. Zu Dijon traf ihn ein Brief des Königs Alphons vom 31. August 1416 des Inhalts, er möge doch seine Reise nach Constanz beschleunigen. Als er aber hörte. daß bei den dortigen Prälaten Une einigkeit und Spaltung stattfinde, wollte er nicht mehr hingehen, versprach aber, sich in Allem den Beschlüssen des Concils zu unterwerfen. Von jetzt an hörte er auf, Geißlerzüge mit sich zu führen, auf deren Schädlichkeit ihn Johannes Gerson öfter aufmerksam gemacht hatte. Papst Martin V. bereitete ihm kein Hinderniß, sondern erneuerte vielmehr seine außerordentlichen Vollmachten. Nachdem er zu Bourges, Tours, Angers und in andern Städten gewesen war, predigte er in der letzten Hälfte des J. 1417 in der Bretagne, wohin ihn Herzog Johann V. eingeladen hatte und blieb daselbst noch im J. 1418. Von Heinrich V. von England gerufen, bereiste er auch einzelne Theile der Normandie. Bereits stand er in seinem 70. Lebensjahre, und konnte ohne Stock nicht mehr gehen. War er aber auf der Kanzel, so wich alle Körperschwäche, und er sprach mit so begeisterter Wärme und Kraft, als stünde er noch in der Blüthezeit seines Lebens (aetate florente). Am liebsten trat er als Lehrer, Berather und Beschützer der Waisen, Unmündigen und Wittwen auf. Im J. 1419 ermahnten ihn seine Freunde, an die Rückkehr in sein Vaterland zu denken. Obwohl er darauf jedesmal entgegnete, Gott habe ihm geoffenbart, daß er in der Bretagne sterben würde, ließ er sich doch bereden, Vannes zu verlassen. Aber nach 12stündiger Reise befand er sich mit seinen Begleitern wieder vor den Thoren von Vannes. Mit Freuden aufgenommen, kündete er an, er sei dieses Mal nur gekommen, um zu sterben. Schon am andern Tage (altera luce) ergriff ihn ein so heftiges Fieber, daß er die Sterbsacramente verlangte. Alle, die zu ihm kamen, bat er, die empfangenen Heilslehren nicht zu vergessen. Auch die Vornehmen der Stadt, der Bischof an der Spitze, fanden sich bei ihm ein; er verkündete ihnen, daß er erst nach zehn Tagen sterben werde. Auf die Frage, wo er beerdiget zu sein wünsche, gab er zur Antwort, daß er jetzt, wo er so sehr mit seiner Seele beschäftiget sei, an den hinfälligen Körper nicht denken könne. Als es zum Sterben kam, ließ er sich die Leidensgeschichte des Herrn, und hernach die Bußpsalmen vorlesen, und schlummerte mit zum Himmel erhobenen Händen und Augen zur ewigen Ruhe ein. Es war der 5. April des J. 1418, ein Freitag. Das Wasser, mit welchem man seine Leiche wusch, zeigte alsbald heilsame Kraft in verschiedenen Krankheiten. Sein Grab erhielt er im Dome zu Vannes. Hier wurde seine Uebertragungsfeier alljährlich am 6. September, jetzt am ersten Sonntage dieses Monats gefeiert. Die heiligen Reliquien entgingen glücklich der Zerstörungswuth der Barbaren des J. 1793. Sie werden in feierlicher Prozession, unter dem Zudrange großer Volksschaaren, auch in den Straßen der Stadt umhergetragen. Ob die gegenwärtig am Ruder befindlichen Protestanten diese Feier noch dulden, ist uns unbekannt. Noch Papst Martin V. traf auf Bitten des Herzogs Johann und vieler anderer Fürsten die ersten Einleitungen zu seiner Heiligsprechung, und Eugen IV. setzte die Sache fort, aber das eintretende neue Schisma hinderte die Ausführung. Sie wurde erst unter Nicolaus V. wieder aufgenommen und unter Calixtus III. beendiget; derselbe vollzog am 19. Juni 1455 die Heiligsprechung. Die Canonisationsbulle wurde drei Jahre später unter Pius II. am 7. October 1458 ausgefertiget. Auf Bildern wird er dargestellt in seinem Ordenskleide, die Namensbuchstaben Jesu auf der Brust. Auf dem Titelkupfer bei Donin hält er (nach Teoli) in der Rechten das Crucifix, über dem Haupte sieht man eine Feuerflamme, und weiterhin Schallöffnungen von Posaunen in den Wolken, in der Linken trägt er ein aufgeschlagenes Buch. Andere Bildnisse zeigen ihn mit der Lilie, dem Sinnbilde der Reinigkeit, oder auch mit Buch und Feuer in der Hand, manchmal als den Engel der Apokalypse mit Flügeln, noch andere geben Darstellungen von Ereignissen aus seinem Leben, z. B. wie die heilige Mutter Gottes ihm erscheint, um die Anfechtungen des bösen Feindes zu zerstreuen, oder wie er die Kranken segnet, Juden und Saracenen unterrichtet, u. dgl.
http://www.zeno.org/Heiligenlexikon-1858. 1858.