Lullus, S. (1)

Lullus, S. (1)

1S. Lullus, Archiep. Conf. (16. Oct. al. 1. Nov.) Der hl. Lullus (Lullon), Erzbischof von Mainz, und als solcher der Nachfolger des hl. Martyrers Bonifacius7, war von Geburt ein Angelsachse. Seine Abst ammung ist so ungewiß, als seine Verwandtschaft mit dem Apostel Deutschlands, obwohl dieselbe von der Tradition constant behauptet wird den Neo-Boll. zweifelhaft scheint. Er trat noch in seinem Vaterlande in das Kloster Malmesbury (Maldubi) in Wiltshire, welchem damals Eaba als Abt vorstand. Weniger beglaubigten Nachrichten zufolge wäre er schon als Knabe von sieben Jahren daselbst eingetreten. Kaum aber läßt sich erhärten, daß Lullus später im Kloster zu Jarrow (monasterium Gerwiense) unter Beda dem Ehrw. seine Studien vollendet habe. Er hatte bereits die Diakonsweihe erhalten, als er im J. 725 nach Deutschland abreiste, um den hl. Bonifacius in seinen apostolischen Arbeiten zu unterstützen. Kurz vorher waren mehrere Klosterfrauen, unter ihnen seine Base (matertera) Chunihild, welche am 8. Dec. verehrt wird, mit ihrer ungenannten Tochter in derselben Absicht dahin abgegangen. Der hl. Bonifacius nahm ihn mit Freuden auf und ließ ihn nicht mehr von seiner Seite; er theilte mit ihm seine apostolischen Arbeiten und Leiden (S. Bonif. Ep. 70). Ungefähr im J. 730 oder etwas später wurde der hl. Lullus von ihm zum Priester geweiht. Auch als solcher blieb er stets an der Seite des hl. Bonifacius und begleitete ihn auf seinen Reisen. Wie vertraut der hl. Lullus mit dem hl. Bonifacius war, geht besonders aus der Sendung an den Papst Zacharias, ungefähr im J. 751, hervor, bei welcher er demselben Geheimnisse zu hinterbringen hatte, die er nur dem Papste sagen durfte. Ohne Zweifel war unter diesen Geheimnissen kaum die Absetzung der Merowinger, gegen welche sich der hl. Bonifacius erklärt haben soll (Rettberg, K.-G. Deutschl. I. 386), wohl aber der Herzenswunsch des hl. Bonifacius, daß Lullus sein Nachfolger werden möchte. Schon im I. 748 hatte er diese Angelegenheit dem hl. Fulrad, Abt von St. Denis, anvertraut, damit er beim Könige Pipin sich in diesem Sinne verwenden möge. »Ich hoffe,« schrieb er damals, »daß mit Gottes Hilfe die Priester an ihm einen geeigneten Lehrer, die Mönche einen Hüter in der Beobachtung der Regel und das christliche Volk einen treuen Prediger und Hirten finden werden.« (Ep. 82). In der That wurde Lullus, ehe der hl. Bonifacius nach Friesland abreiste, zu seinem Amtsnachfolger bestimmt. Seine Bischofsweihe erfolgte wahrscheinlich im I. 753, nachdem der sämmtliche Klerus, vielleicht auf einer Synode, zugestimmt hatte. Ueber seine Amtsführung schreibt Meginhard von Fulda (um das I. 880), daß er seine Heerde sorgsam geleitet und als eifriger Nachfolger seines Lehrers gelebt habe. Die Uebertragung der irdischen Reste des hl. Bonifacius nach Fulda252, unter dem Widerspruch der Einwohnerschaft von Utrecht und Mainz, beweist seinen Muth und seine Pietät gegen die letztwillige Verfügung seines geistlichen Vaters und besten Freundes. Auch bei der Erhebung der Gebeine des hl. Goar und der Einweihung der Kirche daselbst war er, vielleicht auf Ansuchen des Trier'schen Klerus, gegenwärtig. (Die Boll. glauben, daß der Stuhl von Trier zeitweilig erledigt war.) Da ein sehr großer Theil der bekehrten Friesen, wahrscheinlich aus Furcht vor ihren heidnisch gebliebenen Landsleuten, sich in Mainz und Umgebung (parrochia) niederließ, so hatte er zunächst auf sie seine Sorgfalt zu verwenden. (S. Ludg. de S. Bonif. ap. Brow. Sid. pag. 8.) Insbesondere wird berichtet, daß er sein Bisthum durchreist und überall nachgesehen habe, wie es um das geistliche Leben stehe. Mit großer Strenge trat er gegen Widerspenstige auf und widerstand er den Anmaßungen der Vornehmen, so daß die Wunde, welche der Tod des hl. Bonifacius dem Erzbisthume geschlagen hatte, bald wieder vernarbte. Schon als Jüngling hatte er am liebsten von der Vergänglichkeit der irdischen Dinge und von dem glückseligen Zustande jener gesprochen, welche das Ziel ihres Daseyns, den Himmel, erreicht hätten. In dieser Gesinnung brachte er sein ganzes Leben zu, kämpfte er ohne Unterlaß mit sich selbst und mit dem Bösen um sich. Als er einmal hörte, daß in einem Frauenstift die klösterliche Zucht so sehr mißachtet würde, daß die Nonnen weite Reisen unternahmen, belegte er die Vorsteherin Osuitha (Suitana) und den Convent auf so lange mit dem Bann und legte ihnen strenge Fasten auf, bis sie Proben der Besserung gegeben hätten. Auch ein Hirtenschreiben ist von ihm vorhanden, währende Regenschauer anordnet, welche das Land überschwemmten. Aus demselben ist zu ersehen, daß für solche Nöthen schon in damaliger Zeit besondere Meßformularien bestanden. Die günstige Wendung der Witterung ersieht man aus einem Schreiben Pipins an den hl. Lullus, worin jener anordnet, daß wegen reicher Aernte, zur Danksagung dafür, von jedem Bischofe bestimmte Gebete, die mit Almosen und Zehententrichtung verbunden seyn sollen, abzuhalten seien. Die Verbindung mit England unterhielt der hl. Lullus durch fleißigen Briefwechsel mit den dortigen Bischöfen und Aebten. Gutbrecht, Erzbischof von Canterbury, sendet ihm ein Trostschreiben über den Tod des hl. Bonifacius; mit Cineheard, Bischof von Wessex, tauscht er die Namen ihrer Welt- und Klostergeistlichen aus, um sie zu gegenseitiger Fürbitte zu empfehlen; Bischof Aerdulf und König Aerdwulf von Kent senden ihm zu demselben Zwecke die Namen ihrer Verwandten; ein Presbyter Wigbert bietet Kleriker zur Bekehrung der Sachsen an (Rettberg, K.-G. Deutschl. I. 577). Ebenso bekömmt er von England Geschenke an Büchern und kirchlichen Gegenständen, einmal selbst eine Glocke, für seine Kirche. Wie sehr der hl. Lullus solche nothwendig hatte, ist leicht zu ermessen, wenn man erwägt, daß der hl. Bonifacius noch im I. 752 die Einäscherung von nicht weniger als 30 Kirchen, deren Wiederaufbau er beim Abschiede ihm empfahl, zu beklagen hatte. (Rettberg, K.-G. Deutschl. I. 405 u. II. 366.) Obwohl er selbst wissenschaftlich gebildet war, legte er darauf wenig Gewicht. Die Frömmigkeit und die Nächstenliebe lag ihm so sehr am Herzen, daß er wenigstens gegen das Ende seines Lebens sogar bei seinen Klerikern die Schulbildung etwas vernachlässigte und sich deßhalb einen sehr heftigen Tadel des Kaisers Karl d. Gr. zuzog. Er wohnte ims I. 765 der Synode zu Attigny und im I. 769 dem Concil zu Rom bei und war ohne Zweifel auch bei den fränkischen Reichssynoden thätig. Manche Verordnungen der Fürsten, welche sich mehr als nöthig in geistliche Angelegenheiten mischten, mißfielen ihm. In einem im I. 777 geschriebenen Briefe beklagt er sich, daß die Kirche von denselben tagtäglich gestossen, gedrückt und ermüdet werde. Der einzige Schatten, welcher auf sein Leben fällt, ist sein wenig erfreuliches Verhältniß zum hl. Sturmius (s.d.), Abt in Fulda. Dieser selbst beklagte sich nach dem etwas leidenschaftlichen Berichte Eigils noch auf seinem Todbette über die Verfolgungen, welche er sein ganzes Leben hindurch von Lullus habe ertragen müssen (qui mihi semper adversabatur). Ursache war, daß der hl. Lullus das Recht ansprach, über die Verwaltung der Güter von Fulda und was damit zusammenhing, vom Kloster Rechenschaft zu verlangen. Er mochte hiezu berechtigt seyn, weil der hl. Bonifacius das Kloster gestiftet und dotirt, er selbst aber das Werk vollendet und besonders den Kirchenbau nach dem ausdrücklichen Willen seines hl. Vorfahrers ausgeführt hatte. Der Streit wurde heftiger durch des hl. Sturmius Gemüthsart, welche von Natur aus hitzig und schnell aufflammend war. Ob der hl. Lullus wirklich betheiligt war, als Sturmius bei König Pipin angeklagt wurde, daß er über ihn Ehrenrühriges gesprochen hätte (was gewiß falsch war), weßhalb er für längere Zeit (vom I. 765–767) nach Kloster Jumieges bei Rouen ins Exil wandern mußte, bleibt dahingestellt. Sicher aber ist, daß die Mönche in Fulda den von Lullus bestimmten Stellvertreter Marcus nicht annahmen, und als ihnen die Wahl freigegeben wurde, einen Mann wählten, der sich alsbald um die Rückberufung des hl. Sturmius ernstlich annahm. Die Folge war, daß König Pipin die Abtei zu einer königlichen erklärte und unter seinen unmittelbaren Schutz stellte, im I. 765. Ein Jahr darauf setzte der hl. Lullus das Kloster Hersfeld an der Fulda, welches bis dahin nur in einzeln stehenden Häusern bestanden zu haben scheint und jetzt eine Stadt ist, so in Stand, daß er als Stifter desselben betrachtet wird. Er übertrug dahin von Fritzlar die Gebeine des hl. Wigbert. Auch das Kloster Bleidenstadt (locus laetantium) am rechten Rheinufer zu Ehren des hl. Ferrulius, dessen Reliquien dort beigesetzt wurden, verdankt ihm seine Entstehung. Im J. 774., nicht erst 785, übergab Lullus dem Kloster Fulda seine Besitzungen in Fargalaha an der Unstrut. In denselben Jahre am 14. Aug. vollzog er die Einweihung der Abtei und der Kirche von Lorsch (mon. Laureacense, Laurissense, Laurissa), in der Rheinebene an der Weschnitz gelegen. Daß hiedurch keine Versöhnung mit Sturmius zu Stande kam, wie die Boll. anzunehmen geneigt sind, beweisen dessen oben angeführte Worte kurz vor seinem im I. 777 erfolgten Tode. Noch ein Umstand im Leben des hl. Lullus ist nicht aufgeklärt; warum er nämlich erst zwanzig Jahre nach seiner Consecration von Rom das Pallium bekommen habe. Bevor er es erhielt, wurde ein förmlicher Proceß eingeleitet, welchen die Erzbischöfe Tilpin von Rheims und Weomod von Trier und ein Bischof, Namens Possessor, zu führen hatten. Er erreichte ein hohes Alter, obwohl in seinen Briefen öfter Klagen über körperliches Uebelbefinden und Beängstigungen des Gemüthes vorkommen und die Mönche von Fritzlar für ihn Psalmen sangen und Messen lasen. Im Vorgefühle seines nahen Todes begab er sich nach Hersfeld, um sich auf einen seligen Hintritt vorzubereiten. Er bestimmte deßhalb, daß sein Freund, der Regionar-Bischoff Alboin von Buraburg, ihm dort beistehe. Dieser starb aber plötzlich, nachdem er die heiligen Geheimnisse gefeiert hatte, noch vor seiner Abreise. Der Heilige ließ sich hiedurch von seinem Vorhaben nicht abhalten, sondern nahm die Leiche mit sich nach Hersfeld, wo er sie bestattete. Bald darauf starb er am 16. Dec. 786 oder 787, nachdem er 32 Jahre mit aller Sorgfalt den Hirtenstab geführt hatte. (Andere nennen den 1. Nov. als Todestag.) Als man im I. 852 sein Grab besichtigte, war der Leichnam noch unversehrt; nur den Schuh des linken Fußes hatte die Fäulniß angegriffen. Als bei dieser Gelegenheit der Leichenstein einem Bruder auf den Fuß fiel und ihn zerschmetterte, ereignete sich das Wunder, daß auf die Anrufung des hl. Lullus augenblickliche Heilung erfolgte. Im J. 1040 setzte man die Reliquien in der Krypta zu Hersfeld bei. Sein Name findet sich zum 16. Oct. auch im Mart. Rom. Im Mainzer Proprium wird seine Fürbitte vorzüglich gegen die Nachstellungen der Kirchenfeinde angerufen. (VII. 1050–1091).



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