Radegundis, S. (3)

Radegundis, S. (3)

3S. Radegundis (Radiana), V. (13. Aug.). Diese hl. Jungfrau Radegundis wird seit unvordenklicher Zeit in dem nach ihr genannten Weiler bei Wellenburg, eine Stunde von Augsburg, und in der ganzen Umgegend verehrt. Obwohl nicht canonisirt, ist sie eine Volksheilige im besten Sinne des Wortes. Ihr arbeitsames, in christlichen Liebeswerken hingebrachtes Leben und ihr seliger Tod macht sie für alle Zeiten zum schönen Vorbilde für ihre Standes genossen. Sie diente im dortigen Schlosse als Magd in ihrem zeitlichen Herrn dem Herrn und Könige der Ewigkeit. Das Gut soll damals einem Augsburger Patricier, Namens Portner, gehört haben, der es urkundlich i. J. 1329 käuflich an sich brachte. Um diese Zeit, nicht schon i. J. 1290, muß also die hl. Radegundis hier in den Dienst getreten sein. Sie muß eine fromme Erziehung genossen haben, denn nach allen Berichten, die wir über sie besitzen, verkehrte sie beständig mit Gott, und zeigte in ihrem Leben die zukünftige Heilige. Als Geburtsort ist Wolfratshausen, Pfarrei Haberskirch, genannt. Nachdem sie die Pflicht ihrer täglichen Arbeit erfüllt hatte, diente es ihr zur Erholung und zur Freude, den Armen und Kranken der Nachbarschaft beizuspringen und ihnen von den Speisen, die sie sich vom Munde abgespart hatte, mitzutheilen. Die Sage berichtet, es habe nicht weit vom Schlosse ein Leprosenhaus bestanden, wo sie den Kranken geistliche und leibliche Hilfe reichte, und ihre Reinigung besorgte. Ebenso geht die Sage, die in ihrer Schürze befindlichen Brodstücke hätten sich plötzlich in Kämme und die Suppe im Geschirr in Lauge verwandelt, als eines Tags ihr mißtrauisch gemachter Herr sie befragte, was sie aus dem Schlosse trage. Gewiß trug sie auch diese für ihre Dienstleistung unentbehrlichen Dinge bei sich, wie sie setzt in ihrem Reliquienschrein eingeschlossen sind. Einmal wurde sie auf diesem Liebesgange von hungrigen Wölfen angefallen, und starb nach drei Tagen an ihren Wunden. Der Gutsherr wollte die treue Dienstmagd in seiner Familiengruft zu Augsburg beisetzen lassen, aber durch göttliche Fügung blieb der Todtenwagen plötzlich stehen und war nicht mehr weiter zu bringen. Derselbe wurde also mit zwei Ochsen bespannt, welche denselben ohne Führer an die Stelle des von ihr so oft besuchten Leprosenhauses zurückbrachten. Hier wurde der Leichnam begraben und über demselben eine Kapelle errichtet, welche bald ihren Namen erhielt. Man darf aber annehmen, daß eine solche bereits vorher bestanden hat, da außerdem ihr Leichnam nicht neben der Kirchenthüre beigesetzt worden wäre, was doch bis zum J. 1492 der Fall war. Im J. 1450 wurde die Kapelle erneuert und i. J. 1464 zu Ehren der hhl. Ursula und Radegundis von dem Weihbischof Jodoc von Adramytum geweiht. Gleichwohl befanden sich die Gebeine der Heiligen noch immer unsern der Kirchenthüre und erst i. J. 1492 ließ Graf Friedrich von Zollern, Bischof von Augsburg, dieselben durch den Domdecan Ulrich von Rechberg auf dem Hochaltar beisetzen. Im J. 1521 ließ der Cardinal-Erzbischof von Salzburg, Matthäus Lang, der von einem Augsburger Patriciergeschlechte, in dessen Besitz das Schloß Wellenburg i. J. 1007 gekommen war, abstammte, zu Ehren der Heiligen die Kirche neu und größer als vorher aufbauen. Nach einer Abbildung auf dem Titelblatte des i. J. 1821 erschienenen »Lebens der hl. Radegundis« war es eine stattliche Kirche mit einem achteckigen Spitzthurm, der in seinem untern Theile noch auf den ältern romanischen Bau hinwies. Derselbe Kardinal ließ i. J. 1538 durch den Weihbischof Johann von Salzburg die Einweihung vollziehen und zum beständigen Andenken an diesen Act der Frömmigkeit eine Schaumünze in Gold und Silber prägen.3 Die Verehrung der hl. Radegundis dauerte ununterbrochen auch in spätern Zeiten fort. Im J. 1597 gelangte das Schloß Wellenburg an die durch viele katholische Werke berühmte Familie Fugger. Die Gräfin Fugger, eine geborene Freifrau von Neuhaus, ließ i. J. 1691 mit Genehmigung ihres Gemahls Anton Joseph die Gebeine der Heiligen in ihrem eigenen Brautkleide kostbar fassen und in einer feierlichen Prozession von der Pfarrkirche zu Bergheim am vierten Sonntag nach Pfingsten in einem Glaskasten wieder auf den Hochaltar bringen. Anwesend waren der Domdecan Leonhard Frei, der Generalvikar Franz Ziegler, der bischöfliche Notar Joh. Augustin, und noch vier Geistliche der Domkirche. Im J. 1703 flüchtete man dieselben wegen Kriegsgefahr zu den Dominicanern nach Augsburg, aber i. J. 1705 brachte man sie, wieder am vierten Sonntag nach Pfingsten, an die ihr geweihte heil. Stätte. Um für die Feier des Gottesdienstes mehr Raum zu gewinnen, wurde i. J. 1772 auf Befehl des Fürstbischofs Clemens August von Augsburg ein neuer Seitenaltar hergestellt, und die hl. Gebeine, nachdem die Grafen Anselm und Christoph Fugger die Fassung derselben hatten erneuern lassen, auf demselben beigesetzt.4 Die bei dieser Gelegenheit abgehaltenen Feierlichkeiten dauerten acht Tage, vom 6. bis 13. Juli. Im Jahre 1792 erschien zu Augsburg eine Lebensbeschreibung der hl. Radegundis im Drucke. Im J. 1796 wurden die hl. Reliquien der Kriegsgefahr wegen im Fuggerhause zu Augsburg in Sicherheit gebracht, nach den Kriegsunruhen aber wieder in ihre Kirche zurückgebracht. Erst in der Aufklärungszeit wurde auch dieses von den Nachbarorten durch Kreuz- und Wallfahrtsgänge viel besuchte Heiligthum zerstört. Am 10. Juli d. J. 1810 beschädigte ein heftiger Sturm den Kirchthurm und die Kirche so stark, daß man die letztere schließen mußte. Der viel heftigere Sturm des Kirchenhasses, der damals über das ganze Land brauste, ließ es zu keiner Reparatur kommen, obwohl dieselbe mit geringen Kosten hätte geschehen können. Die Kirche wurde an einen Privatmann verkauft, der sie abbrechen ließ. Der hl. Leib wurde zuerst (so groß war damals die Gleichgiltigkeit der hohen und niedern Geistlichkeit) in dem nahe gelegenen Wirthshause untergebracht, dann kam er in das Pfarrhaus und von da endlich in die Pfarrkirche zu Bergheim, wohin das Schloß Wellenburg und der Weiler St. Radegundis heute noch eingepfarrt ist. Um dieselbe Zeit bat die Gemeinde Waldberg, Pfarrei Reinhardshausen, wo man ein Curat-Beneficium zu stiften im Begriffe war, für ihr Kirchlein um die Reliquien. Fürst Anselm Fugger von Babenhausen, der die bisherigen Entehrungen und selbst den Verkauf und Abbruch der Kirche ohne Widerspruch hatte geschehen lassen, machte jetzt der Gemeinde Bergheim gegenüber Eigenthumsansprüche und gewährte die Bitte. Es erschienen also am 5. August 1812 Morgens 6 Uhr im Auftrage des Landgerichts Göggingen der Schreiber Gindorfer und der Gerichtsdiener Sedelmayr von da in Begleitung eines Schreinergesellen im Pfarrhause zu Bergheim, um den hl. Leib in Empfang zu nehmen. Nachdem sie auf Zwangsandrohung die Kirchenschlüssel erhalten hatten, nahmen sie den Glaskasten mit den hl. Reliquien vom Altare, banden ihn mit entlehnten Stricken auf eine Tragbahre, und stellten ihn unbedeckt auf die Gasse. Niemand half ihnen. Die vier hiezu eigens bestellten Männer blieben aus. Das Volk hatte gegen die Heilige auch jetzt noch die größte Verehrung, wurde aber damals vom Klerus in Bezeugung seiner Frömmigkeit eher zurückgehalten als gefördert. In dem Dörfchen Burgwalden wurde indessen der heil. Leib mit Glockengeläute empfangen, und in der Kapelle zu Ehren der Heiligen der Rosenkranz gebetet. Das Gleiche geschah in der Pfarrkirche zu Reinhardshausen, wo die Reliquien eine Stunde lang ausgesetzt blieben. Beim Einzug in das alte Kirchlein zu Waldberg unter dem Geläute der Glocken ertönten Trompeten und Pauken. Bald wurde das baufällige Kirchlein abgebrochen. und der hl. Leib am 12. Oct. d. J. 1818 auf dem rechten Seitenaltare der neuen Kirche beigesetzt. Das Fest zu Ehren der Heiligen wird seit dem J. 1819 wie früher zu Wellenburg jedesmal am vierten Sonntag nach Pfingsten unter großem Volkszulauf (man zählt bei guter Witterung beiläufig 5–6000 Menschen) begangen. Bei der Prozession wird die Statue der heil. Radegundis von acht Jungfrauen getragen. Die Feierlichkeit dauert drei Tage. Die Gemeinde Rommelsried kommt noch jährlich im Monat Mai oder Juni hieher und opfert zu Ehren der heil. Rade gundis eine zweipfündige Kerze. Der Anblick eines heil. Leibes, der in diesem Mädchen aus dem Volke die Vereinigung dreier Tugenden, der aufopfernden Nächstenliebe, des Gehorsams um Christi willen und der jungfräulichen Keuschheit aufzeigt, gibt der gläubigen und andächtigen Verehrung stets neue Nahrung und eifert zur Nachfolge an. In der Schloßkapelle zu Wellenburg sind noch einige Reliquien zurückgeblieben, sie bestehen in einem Theil des Schädelbeines, einem Kamm und Pantoffeln, die sonderbarer Weise vor etlichen Jahren neu gesohlt wurden. Die Pfarrkirche zu Bergheim besitzt von derselben Nichts. Ebenso wurde ihr Fest hier nie gefeiert; erst in den letzten Jahren hat man ihr Andenken wieder erneuert. Da über den Todestag der hl. Jungfrau nichts Zuverlässiges bekannt ist, wurde der 13. August, an welchem die hl. Königin Radegundis gefeiert wird, als Tag ihrer Verehrung bestimmt. Auf Bildnissen sieht man sie mit bloßen Füßen am Waldeseingang von drei Wölfen und einem herbeilaufenden vierten angefallen, die Arme um Hilfe ausstreckend; auf dem Boden liegt eine umgestürzte Kanne, dann Schüssel, Kamm und Bürste. Im Hintergrunde das Leprosenhaus und weiter rückwärts das Schloß Wellenburg.5 In dem Kirchlein zu Waldberg ist an der Brüstung der obern und untern Emporkirche die Lebensgeschichte der hl. Radegundis in zwölf Oelgemälden vorgeführt.



http://www.zeno.org/Heiligenlexikon-1858. 1858.

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