Nicolaus, S. (14)

Nicolaus, S. (14)

14S. Nicolaus, Ep. Conf. (6. Dec., al. 9. Mai, 27. Juni). Dieser bei Griechen und Lateinern seit so vielen Jahrhunderten hochverehrte Heilige, zu dessen Ehren Kaiser Justinian im sechsten Jahrhunderte zu Constantinopel eine Kirche erbauen ließ, welche der Kaiser Basilius im neunten prachtvoll erneuerte, ist nach Angabe der zuverlässigsten Quellen zu Patara in Lycien geboren. Seine Eltern Epiphanius und Johanna besaßen eine ausgezeichnete Frömmigkeit, welche sie mit allem Eifer auch ihrem Sohne einzupflanzen bemüht waren. Nach der Legende war er ihnen nach langer Unfruchtbarkeit auf anhaltendes Flehen von Gott gegeben worden. Es war nur eine Fortsetzung seiner wunderbaren Geburt, daß die Wirksamkeit des Gebetes der Eltern sich auch darin zeigte, daß der Knabe schon als Säugling zu fasten anfing, indem er an zwei Tagen in der Woche die Mutterbrust nur einmal in Anspruch nahm, daß er bei seinem ersten Bade schon aufrecht in demselben stehen konnte, und eine nicht erworbene, sondern eingegossene, weit fortgeschrittene Erkenntniß Gottes bereits als unmündiges Kind sich an ihm offenbarte. Man gab ihm eine entsprechende, sorgfältige Erziehung und ließ ihn besonders Almosen und andere Werke der Barmherzigkeit, namentlich bei Kirchgängen, austheilen. Bei einer solchen Gelegenheit wirkte er sein erstes Wunder. Es sprach ihn eine an beiden Füßen gelähmte Frau um eine milde Gabe an, aber er gab ihr in Ermangelung von Geld die Gesundheit, indem er über sie das Kreuzzeichen machte und sprach: »Im Namen des Herrn, Jesus von Nazareth, steh' auf und wandle!« So führte er eine unbefleckte Jugend, wuchs täglich in der Gnade des Herrn und beeiferte sich durch unablässigen Fleiß sich in allem Wissensnöthigen und Wissenswürdigen zu unterrichten. Sein Onkel Nicolaus, Bischof von Myra, suchte ihn deßhalb dem geistlichen Stande zu gewinnen. Da seine Eltern hiemit einverstanden waren, erfolgte seine Uebersiedelung nach dieser Stadt. Hier zeigte der Jüngling seinen heroischen Liebeseifer bei Gelegenheit einer um d.J. 300 ausgebrochenen schrecklichen Pest, welche unzählige Menschen in wenigen Augenblicken hinwegraffte. Sie nahm ihm auch seine Eltern. Nun ließ er seiner Mildthätigkeit und Entsagung vollkommen freien Lauf. Sein ganzes elterliches Vermögen gab er den Armen, insbesondere aber an drei Jungfrauen, welche ihr Vater in der äußersten Noth preisgeben wollte, eine so reichliche Aussteuer, daß sie nach einander an ehrbare Männer verheirathet werden konnten. Die Legende des Heiligen erzählt ferner, der Bischof Nicolaus, sein Onkel, habe ihn anfänglich einem Kloster als Abt vorgesetzt, hierauf aber zu seinem Coadjutor gemacht und sei bald dar auf gestorben. Der Heilige sei sodann über Alexandria nach Jerusalem gewallfahrtet, habe auf dem Berge Sion mancherlei Wunder gethan, und nach seiner Rückkehr das bischöfliche Amt in Myra angetreten. Der Nachfolger des Onkels unsers Heiligen, Bischof Johannes, war nämlich gestorben, und es handelte sich darum, ihm einen Nachfolger zu geben. Die Zahl der Bischöfe, welche sich zur Wahl einfanden, ist nicht in allen Erzählungen gleich. Einige reden von sechs, andere von mehr als zwanzig Bischöfen. Sie beteten Alle mit dem gesammten Klerus und Volk des Bisthums um Erleuchtung, einen würdigen Vorsteher desselben zu finden, konnten sich aber lange nicht einigen. Schließlich nahmen sie den Vorschlag des ältesten unter ihnen an, daß jener Bischof werden solle, welcher am nächsten Tage als der Erste sich in der Kirche einfinden würde. So kam es, daß der hl. Nicolaus wider seinen Willen, ungeachtet sich seine Demuth sträubte, auf den Hirtenstuhl von Myra erhoben wurde. Eine Frau, welche dem Heiligen wegen vieler ihr erwiesenen Wohlthaten zu großem Danke verpflichtet war, hörte davon und eilte vor Freuden in die Kirche, um sich von der Wahrheit des Gerüchtes zu überzeugen, und ließ ihr kleines Kind beim Feuer am Heerde zurück. Als sie zurückkam, fand sie es jämmerlich verbrannt. In ihrem großen Schmerze nahm sie das todte Kind und legte es vor die Füße des neugewählten Bischofs, der eben die heiligen Geheimnisse feierte. Der hl. Bischof segnete das Kind und gab es lebend der Mutter zurück. Betet daher die Kirche, daß Gott diesen Heiligen mit unzähligen Wundern geschmückt habe, so ist dieses Wunder die Ursache, warum er von Vielen gegen Feuersgefahr angerufen wird. Außerdem aber ist hieraus klar, daß der hl. Nicolaus, als er Bischof wurde, weder Laie noch ein unreifer Jüngling, wie Einige geschrieben haben, sondern schon sehr in Jahren vorgerückt war. Aber dieß stand ihm in seiner Demuth klar vor der Seele, daß sein bisheriges Leben nicht hinreichend sei, das bischöfliche Amt nach Würdigkeit zu zieren, da es ihm die Pflicht auflegte, einer so großen Schaar von Gläubigen das Beispiel eines heiligen Wandels zu geben, und einen viel größern Tugendeifer verlangte, als der, welcher ihn bisher beseelt hatte. Daher fing er an, sein Fasten zu verdoppeln und es durch große Strengheiten zu verstärken. Einfach und kurz war seine Mahlzeit, und er verließ sie auf der Stelle, wenn irgend ein Geschäft, namentlich die Uebung der Nächstenliebe, seine Gegenwart erheischte. Nach Tisch pflegte er einige Stunden dem Gebete und der Betrachtung zu obliegen. Den spärlichen Schlaf genoß er auf hartem Lager. Täglich feierte er die hl. Geheimnisse, wobei sein Angesicht von himmlischer Andacht strahlte. Seine Kleidung war beinahe ärmlich, die Einrichtung des Hauses und selbst die Bücher waren nicht sein Eigenthum, sondern entlehnt. Was er aber an Geld besaß und erhielt, gehörte Alles den Armen. Das Wort Gottes verkündete er oft und so eindringlich, daß ein alter Schriftsteller ihn einen »göttlichen Prediger« nennt. Im Umgange mit dem Nächsten preist ihn die Liturgie des hl. Chrysostomus als ein vollendetes Musterbild der Sanftmuth. Wenn es sich um seelsorgliche Anordnungen und Maßnahmen handelte, berief er immer seine weisesten und klügsten Räthe, und befolgte unter demüthiger Zurücksetzung seiner eigenen Ansichten ihre Rathschläge. Andere zuverlässige Priester mußten ihm über alle wichtigeren Ereignisse in dem Bereich seines Bisthums getreuen Bericht erstatten, so daß er immer gut unterrichtet war, um den Aergernissen zuvorzukommen, angefangene gute Unternehmungen zu befördern und die bereits begonnenen zu Ende zu führen. Die Angelegenheiten der Armen, Wittwen und Unglücklichen behandelte er mit einer Gewissenhaftigkeit und Genauigkeit wie seine eigenen. Seine Almosen waren so zahlreich, daß die Legendenschreiber sagen, es sei nicht möglich, dieselben eingehender zu beschreiben. Nebenbei erzählen dieselben große und zahlreiche Wunder in theurer Zeit, in Seestürmen, an Kranken und Besessenen, selbst in weit entlegene Gegenden hin, welche seinen Ruhm so groß machten, daß die ganze Christenheit schon bei seinen Lebzeiten mit Ehrfurcht vor ihm erfüllt war. Der Heiland würdigte ihn auch, für seinen Namen Gefängniß und Verbannung zu leiden. Die Kirchengeschichte nennt ihn in der That ausdrücklich unter jenen Bischöfen, welche auf dem ersten Concil zu Nicäa die Spuren der für das Bekenntniß des christlichen Glaubens erlittenen Mißhandlungen an ihren Leibern trugen. So wurde er, wie Baronius sagt, »Martyrer der Begierde nach, ein unblutiger Sieger«. Nach hergestelltem Kirchenfrieden bemühte er sich, das Heidenthum nicht bloß in den Seelen, sondern auch in seinen Statuen, Götzenbildern und Tempeln zu zerstören, und statt derselben christliche Kirchen zu erbauen. Auf dem Concil von Nicäa war er eines der erfahrensten und eifrigsten Mitglieder; »durch ihn«, heißt es im Menologium der Griechen, »hat Christus die Anmaßung und den Hochmuth des Arius niedergeworfen.« Nach seiner Heimkehr vom Concil lassen ihn die Legendenschreiber eine Reise nach Rom machen, bei welcher Gelegenheit er auch nach Bari kam, damit diese Stadt sich rühmen dürfe, ihn schon bei Lebzeiten beherbergt zu haben. Sein Tod erfolgte zu Myra, am 6. Dec., der damals auf einen Freitag fiel. Der heilige Bischof hatte fünfundsechzig Jahre gelebt. Das Jahr seines Hinscheidens ist ungewiß; man setzt es zwischen 345 und 352. Sogleich nach seinem Tode wurde er als Heiliger verehrt. Die Uebertragung seiner Reliquien nach Bari in Apulien geschah im J. 1087 als Heinrich IV. deutscher Kaiser war und Papst Victor III. die Kirche Jesu regierte, unter vielen Wunderzeichen, welche in Bari bis in die neueste Zeit fortdauerten und eine Menge frommer und Hilfe suchender Wallfahrer anzogen. Das Gedächtniß der Uebertragung wird am 9. Mai mit größter Feierlichkeit begangen. Der Erzbischof erhielt von Papst Urban II. das Privilegium, sich an diesem Tage und am 6. Dec., wie nur an den höchsten Festen des Jahres, sich des Palliums zu bedienen. Hiemit wurde ein großer, acht Tage dauernder Jahrmarkt, hier zu Lande »Fiera« genannt, verbunden. Dazu kamen besondere Andachten in allen jenen Kirchen, Capellen, Oratorien und selbst Privathäusern, wo sich Bildnisse oder sonstige Erinnerungen an den hl. Bischof, der zum Patron der Stadt und Provinz Bari erkoren wurde, vorfanden. Sogar das Stadtwappen wurde mit einer Erinnerung hieran ausgezeichnet. Zuerst ruhten die hl. Reliquien bei St. Benedict, später wurde eine ihnen geweihte große Kirche gebaut. Hier befinden sie sich in einem goldenen Behältnisse; aus einer Oeffnung fließt eine balsamähnliche Feuchtigkeit, eine unversiegliche Gnadenquelle, wie sie auch in Myra geflossen war. Besonders beweist die große Verehrung, welche dem hl. Bischof in der Kirche von jeher gezollt wurde, daß der hl. Papst Gregor d. Gr., als er die Stationskirchen bestimmte, auch die des hl. Nicolaus, mit dem Zunamen in carcere, hiezu ausersah, wo bis heute am Samstag vor dem Passionssonntag diese schöne und von den Gläubigen viel besuchte Andacht gefeiert wird. Auch in der Litanei von allen Heiligen wird er angerufen. Wie Bari stellten sich noch viele andere Ortschaften und Städte des Morgen-und Abendlandes unter seinen Schutz, bauten Kirchen und Klöster zu seiner Ehre und nannten sich nach seinem Namen. Die Könige von Sicilien und Neapel erhoben die Kirche des hl. Nicolaus zu besondern Ehren, indem sie die erste Krönungsfeierlichkeit dort vorzunehmen und bei dieser Gelegenheit prächtige Votiv-Geschenke zu hinterlegen pflegten. Auch in Lothringen, wo zu St. Nicolas de Port bei Nancy ein Fingerglied des Heiligen sich befindet, welches von Bari dahin abgegeben wurde, bestand zu der sehr schönen Kirche ehedem eine viel besuchte Wallfahrt. Auch hier und in Lothringen überhaupt ist er Schutzpatron. (Vgl. Delisle, vie de S. Nicolas, hist. de sa traduction et de son culte. Nancy, 1745.) Von seiner Verehrung in Spanien, in den Niederlanden und in Deutschland geben nicht bloß die unter seiner Anrufung geweihten zahlreichen Kirchen und Altäre, sondern auch die über sein Leben vorhandenen Schriften laute und unwiderlegliche Kunde. In Rußland und in Ungarn wird sein Fest gleichfalls seit alter Zeit feierlich begangen. Daß der hl. Nicolaus besonders als Patron der Kinder verehrt wird, kann nach seiner Legende nicht überraschen. Hat er doch den Kindern das schönste Beispiel als Kind gegeben und als Bischof einem verunglückten Kinde das Leben gerettet. Auf alten Bildnissen erscheint er als Bischof mit ganz weißen Haaren, altersgrauem Barte, kurzer Statur, stark geröthetem Gesichte, mit langer, etwas stumpfer Nase; sein Haupt ist gegen die Stirne hin kahl, sehr abgemagert, mit kurzem Halse und lebhaftem Auge. Er trägt das Evangelienbuch und auf demselben drei ganz gleiche goldene Aepfel (sei es zur Erinnerung an die ausgesteuerten drei Jungfrauen, oder weil er auf dem Concil von Nicäa die Gleichheit der göttlichen Personen vor allen vertheidiget hat), oder er hält mit einer Hand ein Kind bei den Haaren, weil er bald nach seinem seligen Hintritt ein solches aus den Händen seiner Bedränger rettete und durch die Lüfte nach Myra trug. Auch die drei Jünglinge, welche er auf seiner Reise nach Nicäa von den Todten erweckte und andere Erinnerungen an die von ihm vollbrachten Wunder, z.B. gerettete Schiffe, finden sich auf seinen sehr zahlreichen Abbildungen. Er ist Schutzpatron der Schiffer und der Bürger in Städten, überhaupt in allen Gefahren zu Wasser oder zu Land. In manchen Städten erbauten die Bürger im Gegensatze zu den bestehenden Schloß- und Stiftskirchen noch eigene »Bürgerkirchen«, die dann dem hl. Nicolaus gewidmet wurden. Wenn nach dem Obigen4 so Manches im Leben des Heiligen ungewiß und sehr zweifelhaft ist, so bleibt doch als unantastbar übrig, daß er Bischof von Myra war, und zwar um die Zeit des ersten Concils von Nicäa, welchem er beiwohnte, daß er daselbst als Bekenner großes Ansehen genoß (vgl. Hefele, Concil.-Gesch. I. 259) und von der ganzen Kirche zu den Heiligen gezählt wurde, und daß seine Verehrung überall, besonders aber in seiner Grabkirche zu Bari und zu St. Nicolas in Lothringen, aber auch in der griechischen Kirche, welche ihn gleichfalls den »Wunderthätigen« nennt und ihm selbst in der Liturgie eine eigene Anrufung gewidmet hat, und in Rußland sehr verbreitet ist. Außer den genannten Tagen findet sich der hl. Nicolaus bei den Boll. am 27. Juni (seine Geburtsseier) angemerkt. Der ältere Nicolaus, von welchem in unserer Skizze als Oheim des Heiligen geredet wird, ist unter der Bezeichnung Senior am 29. und 30. Mai unter den Uebergangenen genannt.



http://www.zeno.org/Heiligenlexikon-1858. 1858.

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