Godegrandus, S. (1)

Godegrandus, S. (1)

1S. Godegrandus, Ep. (6. März). Der hl. Godegrandus oder (wie er gewöhnlicher, und namentlich auch bei seinem vorzüglichsten Lebensbeschreiber Paulus Diakonus heißt) Chrodegmgus, Bischof von Metz, wird von Andern auch Chrodogand, Chrodegrang, Chrotgang. Gundigran, Ruodgangus, Rutgangus, Ruggandus, Droctegangus, Rudigangus, Sirigangus etc. genannt. Der Name stammt vom Altd. und bedeutet Ruhmes-Jüngling, ruhmvoller Jüngling etc., von hruode = Rede, Ruhm etc., und gang oder geong = suna, Jüngling etc. – Der hl. Chrodegang gehörte einem sehr vornehmen fränkischen Geschlechte an und wurde um das; J. 712 geboren in pago Hasbaniensi (Haspengau, Hasbain etc.), einem Districte des Bisthums Lüttich, im nachmaligen Brabant, in der Nähe von Landen, dem berühmten Familiensitze des Hausmaiers (Majordomus) Pipin. Diese Landschaft, welche jetzt zu Belgien gehört, umfaßte das ganze linke Ufer der Maas mit St. Trond, Lüttich, Tongern, Herstal. Waremme, Landen, Hanut und einen Theil von Huy. Der Vater des Heiligen hieß Sigram, die Mutter Landrada. Er hatte noch zwei Brüder: der eine hieß Gundelandus, welcher unten nochmal vorkommen wird; der andere, dessen Namen nicht auf uns gekommen ist, war der Vater des Ingorammus, des Schwiegersohnes Ludwigs des Frommen. War also der hl. Chrodegang mit dem Karolingischen Hause nicht blutsverwandt. wie Einige angenommen haben, so wurde doch später seine Familie mit demselben verschwägert. Die Behauptung Einiger, daß er in St. Trond oder Tron (Trudonopolis) seine erste Bildung erhalten habe, wird von den Bollandisten als irrig nachgewiesen, indem nicht blos Paulus Diakonus hierüber vollständig schweigt, sondern auch das Chronikon von St. Trudo, in welchem doch des hl. Chrodegang bei einem andern, viel unbedeutenderen Anlasse Erwähnung geschieht. nichts davon weiß. Vielmehr wurde er am Hofe Karl Martells unter dessen Edelknaben erzogen und blieb fortwährend an demselben. Dieser große Staatsmann muß. frühzeitig die hervorragenden Talente und Eigenschaften des hl. Chrodegang erkannt haben; denn er ernannte ihn, nachdem er seine Studien vollendet hatte, zuerst zu seinem Geheimschreiber und Referendar, darauf zum Kanzler und im J. 737 zum ersten Minister. Indessen lebte er unter den Großen dieser Welt als Diener Jesu in aller Demuth; je mehr man ihn bevorzugte, desto geringer galt er sich selbst, und gebrauchte seinen viel vermögenden Einfluß stets zur Förderung der Gerechtigkeit und zum Wachsthume des öffentlichen Wohles. Nach dem Tode Karl Martells erhielt er das Bisthum Metz und zwar nach W. W. (K.-L. II. 524) am 1. Ort. 742. Aber der neue Hausmeier und nachmalige König Pipin wünschte, daß er auch als Bischof sein Amt als erster Minister fortführe. Wie er dieser schweren Aufgabe sich entledigte, möge zunächst folgende kurze Stelle aus Paulus Diakonus darthun: »Chrodegangus war von Allen hochgeehrt, er erglänzte in jeder Art von Adel; schön von Gestalt, äußerst gewandt in der Rede und sowohl der Landessprache als der lateinischen mächtig, war er ein Nährer der Diener Gottes (des Klerus), der Waisen und Wittwen, aber nicht blos Nährer, sondern auch mildreichster Schutzherr«. Nach dem Zeugnisse eben dieses Schriftstellers war er 23 Jahre, 5 Monate und 5 Tage, also bis zum J. 766, Bischof von Metz. In welchem Geiste er wirkte, gibt wohl am besten der Anfang einer von ihm herrührenden Stiftungsurkunde zu verstehen, den wir deßhalb hieher setzen: »Ich Chrodegangus, obwohl unwürdig, wenn nicht in der That, so doch dem Namen nach durch Gottes Gnade Bischof von Metz etc.« Bei einem solchen Mann mußte die Vereinigung der höchsten geistlichen und weltlichen Aemter, welche sonst höchst bedenklich wäre, zum Heile der Kirche und des Staates gereichen. Auf Begehren Pipin's machte er eine Reise nach Rom, um den Papst Stephanus III. des Schutzes des fränkischen Reiches gegen die Bedrohungen der Lombarden zu versichern, und ihn zugleich einzuladen, daß er, nachdem die Merovinger zu Soissons im J. 752 förmlich abgesetzt worden waren, dem neuen Könige auch die kirchliche Weihe der Salbung gewähren möge. Da der Papst bezüglich der Longobarden durch seine persönlichen Bemühungen beim König Aistulf in Pavia nichts erreichen konnte als Versprechungen und Ausflüchte, während er thatsächlich bereits Rom und die umliegenden Castelle bedrängte; so begab er sich in Begleitung des hl. Chrodegang nach Frankreich, wo er am Dreikönigsfeste des Jahres 754 in Pont sur Yonne (Pons Icaunae) in der Champagne mit dem König Pipin, welcher ihm mit seinem ganzen Hofstaate entgegen gereist war, zusammenkam. Der Papst stieg im Kloster des hl. Dionysius (St. Denis in Paris) ab, während zu gleicher Zeit die fränkische Armee den Lombardenkönig zwang, Geiseln dafür zu stellen, daß er den Papst im zeitlichen Besitze seines Patrimoniums ferner nicht stören wolle. Als er aber die gestellten Bedingungen nicht erfüllte, demüthigte ihn Pipin im J. 756 aufs neue, und zwang ihn zur endlichen Uebergabe Ravenna's und des Exarchates an den Stuhl Petri. Nachdem der hl. Chrodegang in dieser Art das Patrimonium des hl. Petrus und zugleich den politischen Primat des Frankenreiches über Italien hatte gründen und befestigen helfen, begann er seine höchst segensreiche Thätigkeit hinsichtlich der Reform des Klerus, welcher nicht immer die nothwendige wissenschaftliche Bildung hatte und vielfach in die Rohheit jener Zeit verstrickt war, – eine Reform, deren Folgen. vermöge seiner Stellung im Reiche und in der Kirche, weit über die Gränzen seines Bisthums hinaus fühlbar werden mußten. Er vereinigte nämlich nach dem Vorgange der hhl. Bischöfe Eusebius von Vercelli, Augustinus von Hippo etc. um das J. 756 alle höheren und niederen Kleriker seiner Kirche in Einer Wohnung, verpflichtete sie zum gemeinsamen Chorgebet, schrieb ihnen eine größtentheils aus den Kanones früherer Concilien geschöpfte Lebensordnung vor und wurde so der Wiederhersteller des gemeinschaftlichen Lebens der Geistlichen. Seine Absicht war, »den Klerus von unerlaubten Dingen abzuhalten, von fehlerhaften zu befreien und von bösen, wären sie auch lange Zeit in Uebung gewesen, abzubringen.« Die Regel, welche er zu diesem Ende verfaßte, ist auf uns gekommen und besteht in 34 (36) Kapiteta. Die tägliche Versammlung, wobei ein Abschnitt (Capitulum) der Regel vorgelesen wurde, hieß das Capitel, welcher Name dann auf die versammelte Genossenschaft selbst überging, und wonach die Mitglieder auch Capitularen hießen. Die nach Vorschrift der Kanones zusammen lebenden Klerikername man von nun an Canonici72. während die Klostergeistlichen, die ihre besonderen Ordens Regeln hatten, die Regulares hießen. Als Grundlage aller Tugenden preist und empfiehlt der hl. Chrodegang die Demuld. Er prägt den jüngern Klerikern Ehrfurcht ein gegen die ältern, ohne deren Erlaubniß in ihrer Gegenwart kein jüngerer sich setzen sollte; die ältern aber fordert er auf, ihre jüngern Brüder mit Liebe zu behandeln. Alle sollen dem Gottesdienste und der heil. Lesung fleißig obliegen, den Vorständen pünktlich gehorsamen und durch brüderliche Liebe mit einander aufs Innigste verbunden seyn. Alle Kanoniker, mit Ausnahme derer, welchen der Bischof besondere Erlaubniß ertheilt hat, schlafen in gemeinschaftlichem Saale, doch in abgesonderten Betten und so, daß das Lager der Jüngern immer zwischen die Betten der Aeltern zu stehen kommt. Kein Weib und auch kein Laie darf ihre Wohnung betreten, ausgenommen wenn der Bischof, der Archidiakon oder der Primicerius Jemanden zu Tisch einladet; doch muß der Eingeladene, wenn er Waffen trägt, dieselben vor der Pforte ablegen. Sobald bei Anbruch der Nacht das erste Zeichen mit der Glocke gegeben ist, versammeln sich Alle, beim zweiten Zeichen begeben sie sich in die Kirche, um das Completorium zu beten oder zu singen. Nach Beendigung desselben darf Niemand mehr essen, trinken, sprechen, ins Haus oder aus dem Hause gehen. Vom 1. November bis Ostern erhebt man sich um 2 Uhr zur Matutin, die übrige Zeit des Jahres um 12 Uhr. Alle Kanoniker sollen jeden Sonn-und Festtag die heil. Communion empfangen etc. In der Fastenzeit wird nur Abends gegessen, sonst zweimal am Tage; während des Essens soll Niemand sprechen, dagegen wird eine Homilie oder dergleichen vorgelesen u. s. f. Diese Regel des hl. Chrodegang zog vorzüglich die Aufmerksamkeit des Kaisers Karl des Großen auf sich. Durch ihn wurde sie ein Erbgut des gesammten Frankenreiches, indem er mit allem Nachdruck darauf bestand, daß alle Kleriker ohne Ausnahme »entweder nach der kanonischen oder nach der Regular-Institution leben sollen.« So wurde der hl. Chrodegang ein ächter Kirchenreformator zunächst in Deutschland und Frankreich, allmälig aber auch für England und Italien. Nicht minder eifrig sorgte er für die Reinheit des Rituals und dessen möglichste Einheit mit dem Römischen; ein feierlicher, würdiger Gottesdienst lag ihm sehr am Herzen. Er erbaute, erweiterte und restaurirte Tempel und Altäre, Klöster und wohlthätige Anstalten. Zunächst begann er bei seiner Kathedrale zu St. Stephan, an welcher er einen großen Chor-Umbau vornahm; ebenso wurde die Erweiterung des Presbyteriums der Peterskirche in Angriff genommen; die Kirche zu Verdun, welche ein großer Brand gänzlich eingeäschert hatte, wurde durch ihn und den Bischof Jakob von Toul wieder aufgebaut. Unter den Klöstern, die er stiftete, war Gorze (Gorcia, südwestlich von Metz) seine Lieblingsstiftung; ein anderes, zu Ehren des hl. Petrus, errichtete er in der Pfarrei St. Stephan, stattete es mit vielen Einkünften aus und unterstellte es der Benedictiner-Regel. Dem von dem Grafen Cancro (Canthuir) und seiner Mutter Williswanda (Willislinda) gestifteten Kloster Laurisheim (später Lorsch)73 gab er seinen Bruder Gundeland als Vorsteher, nachdem er es mit 14 Mönchen aus Gorze bevölkert hatte. Er erhielt von Rom für diese Stiftungen kostbare Reliquien: für Gorze den Leib des hl. Martyrers Gorgonius, für Hilariacum74 den des hl. Nabor; für Laurisheim (Lorsch) den des hl. Nazarius. Bei dieser feierlichen Uebertragung war ein ungeheurer Volkszulauf; bis von den Vogesen her waren Wallfahrer herbeigekommen. Daß der hl. Chrodegang durch diese ausgebreitete Wirksamkeit sich das größte Vertrauen des heil. Stuhles erwarb, war natürlich. Der Papst soll sogar, um seine Verdienste zu belohnen, ihm die Gewalt ertheilt haben, überall im Frankenreiche Bischöfe zu weihen. Auch das Pallium, sagen Einige, habe er ihm zugeschickt. Nach Andern führte er den erzbischöflichen Titel nur Ehren halber und seiner hohen Abkunft wegen. Daß hierunter seine Demuth nicht litt, glauben wir hinreichend bemerkt zu haben. Paulus Diakonus setzt hinzu: »Er war freigebig im Almosen, uneigennützig in der Liebe, gastfreundlich gegen Pilger und Fremde.« Rücksichtlich seiner Sorge für die Armen müssen wir noch folgende Vorschrift seiner Regel erwähnen: »Zweimal im Monat soll das Canonicat die Armen der Stadt, welche in die öffentlichen Listen eingetragen sind, zusammenrufen und ihnen Predigt halten; zweimal des Jahres soll man ihre Beicht hören und außerdem für ihren leiblichen Unterhalt sorgen. Austheilungen von Lebensmitteln sind für gewisse Festtage angeordnet.« Der hl. Chrodegang starb am 6. März 766 und wurde im Kloster Gorze bestattet. Seinen Namen enthalten die deutschen, französischen und niederländischen Martyrologien; aber im Mart. Rom. haben wir denselben nicht finden können, sowie auch nicht in den Martyrologien der verschiedenen Orden, welche dem neuesten Mart. Rom. (Ratisbonae 1846) angehängt sind. (I. 452.)



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